30.03.2024Ich hab Mal wieder was zu schreiben, auch wenn am Handy, also entschuldigt eventuelle Fehler. Ich hab nie wirklich Lust, mich am Handy zu korrigieren. Wie dem auch sei, ich bin ja nun bei meiner Familie zu Besuch und da Ostern ist, hat meine Mutter eine Mandarinentorte gebacken. Es ist allgemein bekannt, dass ich (scheinbar als einer der wenigsten Menschen) keinen Kuchen mag, Mandarinen auch nicht. Das war schon immer so, mein ganzes Leben lang, deshalb habe ich bei Familienfeiern immer Kekse gegessen und mir ggf. eben Kekse mitgebracht, wenn ich irgendwo eingeladen war.
Dieses Jahr hatte meine Mutter die glorreiche Idee, mir Muffins zu backen. Ich glaube, jeder weiß, dass Muffins auch nur Kuchen sind, eben in einer anderen Form. Da kommt nun meine Frage ins Spiel: bin ich undankbar, wenn ich sage, dass ich die Muffins nicht mag? Sie hat diese für mich gebacken, alle anderen bekommen die übliche Torte. Das nimmt nicht nur Zeit in Anspruch, sondern kostet auch Geld. Immerhin muss sie die Inhaltsstoffe kaufen. Wird es gesellschaftlich von mir erwartet, dass ich diese Muffins jetzt esse? Ich bin durchaus körperlich dazu in der Lage, aber es schmeckt mir einfach nicht. Kuchenteig in egal welcher Form schmeckt mir nicht. Das weiß sie, das weiß meine ganze Familie.
Ich weiß in so vielen Situationen nicht, was gesellschaftlich erwartet wird. In welchen Momenten wird Mitgefühl von mir erwartet? Wann soll ich etwas sagen, wann soll ich ruhig bleiben? Woran erkenne ich das? Ich liege oft genug völlig daneben. Ich habe einmal einer Kundin, deren Ehemann wenige Tage zuvor verstorben war, viel Spaß gewünscht. Ich wusste nämlich in dem Moment nicht, was schwerer wiegt. Schließlich wird bei einer Verabschiedung eines Kunden, der gerade etwas bei mir gekauft hat, erwartet, dass ich viel Spaß, eine gute Zeit oder sonst was gutes wünsche. Mein Beileid hatte ich ihr zuvor schon ausgesprochen, damit war die Sache für mich geregelt. Dass es ein vollkommener Fehltritt war, ihr viel Spaß zu wünschen, habe ich auch erst hinterher begriffen, als mein Chef mich dafür kritisierte.
Es gibt ganz andere Situationen, in denen ich noch viel schlimmer daneben gegriffen habe, aber die für mein Gegenüber wahrscheinlich weniger unpassend waren. Ich will das jetzt gar nicht alles aufzählen. Wirklich relevant ist es auch nicht. Aber ich merke immer mehr, je mehr ich mit der Außenwelt zutun habe, dass ich nicht weiß, wie ich handeln soll.
Jetzt bin ich auch kein guter Schauspieler und mein Gesicht verrät immer, was ich gerade denke. Oft ist es Skepsis. Ich gucke ständig skeptisch, weil ich versuche, das Geschehen vor meinen Augen zu verstehen und richtig einzuschätzen. Man versucht ja auch, aus den Beobachtungen zu lernen. Und so kommt es, dass ich im Kontakt mit unterschiedlichen Menschen unterschiedlich handle. Meine Reaktionen sind immer an das angepasst, was ich zuvor über die entsprechende Person gelernt habe. Ich spiegel quasi das, was die andere Person ausmacht. Ich reagiere so, wie ich denke, dass diese Person so reagiert hätte.
Entsprechend spreche ich mit meiner besten Freundin freundlich und ruhig, ich nutze viele englische Wörter und vor allem Schimpfwörter. Sie erzählt mir sehr oft von irgendwelchen Männern, die ihr gefallen. Ich hab mit Liebeszeug gar nicht zu tun, das wisst ihr ja schon. Deshalb schweige ich sie bei diesen Themen einfach an. Oft genug bedankt sie sich genau deswegen bei mir, weil laut ihr alle anderen immer negativ reagieren oder genervt sind, wenn sie zum hundertsten Mal über den gleichen Typen spricht. Ich mache das ja nicht, weil ich ihr zuhören will oder weil mich das Thema besonders interessiert, sondern weil ich halt überhaupt nicht weiß, wie man sich in solchen Unterhaltungen verhält. Mich interessieren diese Typen nicht, also frage ich sie nichts darüber. Ich glaube, gesellschaftlich wäre von mir erwartet, dass ich Rückfragen zu den Typen stelle, oder?
Mit meinem Chef spreche ich schon fast einen Dialekt, mit dem ich gar nicht aufgewachsen bin. Ich benutze ganz anderes Vokabular. Ich fühle mich teilweise wie ein Hafenmitarbeiter, wenn ich mit meinem Chef spreche. Es wird lauter und die Wörter sehr direkt und klar. Aber alt. Ein Vokabular, dass eher ältere Menschen nutzen. Bei ihm habe ich ein ähnliches Problem wie bei meiner besten Freundin. Er spricht oft mit mir über Politik. Er beschwert sich über unsere Politiker und scheint eher Russlandfreund zu sein. Nicht schwurbel-mäßig, sondern einfach weil er in der DDR aufgewachsen ist und die Ideen immer noch relativ gut findet. Ich sitze da und höre ihm schweigend zu. Nicht, weil ich unpolitisch bin. Einfach, weil ich nicht weiß, was er von mir erwartet. Soll ich darauf reagieren? Wenn ja, will er, dass ich ihm zustimme? Oder soll ich wiedersprechen? Will er diskutieren? Da das immer wieder vorkommt, gehe ich davon aus, dass er sich an meinem Schweigen nicht stört. Oder?
Bei völlig fremden Menschen bin ich auf einmal doch ein guter Lügner. Ich lächle die an und verhalte mich höflicher, als ich es vielleicht sonst tun würde. Man will weder negativ auffallen, noch irgendwie stören. Einfach möglichst schnell aus der Situation. Manchmal bin ich aber auch so irritiert, dass ich gar nichts sage. Beispielsweise als ich mir eine Obstschale gekauft habe. Die Schlange an der Kasse war nicht besonders lang, aber der Kassierer minder bemittelt und daher langsamer als normal. Die Frau hinter mir sprach mich dann darauf an, dass die Schüssel ja so hübsch sei. Dann sah sie mich an und ich hatte das Gefühl, sie erwartet eine Antwort. Ich hab gar nichts gesagt und mich von ihr weg gedreht. Ich weiß, dass die Schüssel nicht hässlich ist, deshalb kaufe ich sie. Was soll ich denn darauf antworten? Ja, die Schüssel gibt es in diesem Laden? Das ist offensichtlich, denn ich stehe an der Kasse, um sie zu bezahlen. Ja ich finde die Schüssel auch gut? Das ist offensichtlich, denn wie gesagt, ich stehe mit dem scheiß Teil an der Kasse. Was wollte die, was sollte ich darauf antworten? War es unhöflich, dass ich mich wortlos weg gedreht habe? Was geht es sie überhaupt an, was ich kaufen will? Noch nie habe ich den Einkauf einer fremden Person beurteilt. Kann mir doch egal sein, was die kaufen.
Mein Humor ist oft unangemessen und beleidigend, ironisch und sehr situationsgebunden. Ich erkläre meine Witze auch nie, denn dann wären sie ja nicht mehr witzig. Mir fallen spontan zwei Situationen ein. Einmal, als mich eine Frau gefragt hat, ob sie in einem Seminar neben mir sitzen könnte. Ich hatte nein gesagt, was sie total persönlich genommen hat. Eigentlich sollte das ja ein Witz sein, aber das hat sie nicht verstanden und sich dann irritiert woanders hin gesetzt. Es tat mir leid, aber ich konnte es auch nicht auflösen, denn ihre Reaktion machte meinen Witz nur noch witziger. Zumindest für mich.
Situation zwei: wir haben im schwedisch Unterricht über Comics gesprochen und den Humor in Comics. Ich war in einer Gruppe mit einer älteren Frau, die nun nach ihrem eigentlichen Job doch noch schwedisch Lehrerin werden wollte. Wir sollten darüber reden, was für uns einen guten Comic ausmacht und welche Art Witze darin vorkommen sollten. Ich habe ihr gesagt, ich hätte keinen Humor. Das hat sie tatsächlich geglaubt und erst dadurch ist es dann tatsächlich witzig geworden. Schließlich sollte sie die Ergebnisse unserer Gruppe vorstellen und hat dann vor allen erwähnt, dass ich keinen Humor habe. Auch einige Wochen später, als wir nochmal eine Gruppenarbeit zusammen machen sollten, kam sie nochmal darauf zurück, wie seltsam es sei, dass ich keinen Humor habe. Ich freue mich nun einige Jahre später immer noch sehr über diese unterhaltsame Situation.
Sie hat auch geglaubt, dass ich eine Gottesanbeterin als Haustier habe. Das hat sie jedoch sogar noch geglaubt, als ich ihr bereits gesagt habe, dass das nicht stimmt. Kann also sein, dass sie generell nicht so viel Menschenverstand hatte.
Scheinbar gibt es ja wirklich Menschen, die Witze nur erkennen, wenn man dabei lacht. Dabei ist ein Witz meiner Meinung nach erst dann gut, wenn man nicht lacht.
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Abendgedanken
RandomManchmal ist mein Kopf voll von irgendwas und ich weiß aber gar nicht, was dieses irgendwas ist. Ich weiß nur, dass es irgendwie raus muss. Begleite mich dabei, wie ich versuche, dieses irgendwas los zu werden.