Kündigung

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29.04.2024

Die Arbeit geht mir schon wieder auf den Keks. Heute morgen war ich so aufgeregt, schlimmer als vor jeder Prüfung. Kennt ihr das, diesen Stress-Durchfall? Ich bin ja direkt zu einer Nachricht von meinem Chef aufgewacht. Schön ist das nie. Aber ist auch klar, immerhin kommen nach und nach immer mehr Probleme ans Licht, an die ich im Oktober schon erinnert hatte. Ich hasse es so sehr, dass das jetzt zu meinem Problem wird, nur weil sonst keiner dort arbeitet. Selbst mein Chef ist ständig unterwegs. Als ich dort angefangen habe, gab es immer mindestens 2 Angestellte, zeitweise sogar 3. Aber ihm scheint (genau wie mir) aufgefallen zu sein, dass es auch vollkommen reicht, wenn nur ich arbeite. Was einfach an meiner Arbeitsgeschwindigkeit liegt. Mir hat mal jemand gesagt, dass man nie zu viel arbeiten sollte, weil der Lohn dafür nicht mehr Geld sondern mehr Arbeit ist. Ich kann aber gar nichts dafür, langsamer zu arbeiten macht mich nervös. Für mich ist es anstregender, nur das Mindeste zu tun, als alles zu tun, das ich tun kann. Ergibt das Sinn? Bestimmt.

Auf jeden Fall saß ich dann heute morgen mit meiner Nachricht vollkommen alleine im Büro. Mein Chef ist ja wie gesagt meistens selbst nicht da. Es rufen aber ständig Leute an, die mit ihm sprechen wollen. Eine ganz kompetente Schwedin hatte ich dann am Apparat. Die hat so schnell gesprochen, wie Eminem. Schneller als ich denken kann (das will schon was heißen). Ich hab in meinen Antworten dann versucht, in ihrem Tempo mitzuhalten. Ich hab mir random Wörter ausgedacht und diese Schwedin meinte am Ende des Gesprächs nur: Vad duktig du är. (Wie tüchtig du bist).

Das klingt schon fast wie eine Beleidigung. Ich hab das ja auch als Beleidigung empfunden, als mir aus Finnland per Mail auf Englisch geantwortet wurde. Die wollen eigentlich nur nett sein, aber als jemand, der seit seinem 12. Lebensjahr Finnland und Finnisch als Lieblingshobby hat, das war schon beleidigend.

In Helsinki in einem Hotel beim Check-in hat mir der Empfangsmitarbeiter auch konsequent auf Englisch geantwortet, obwohl ich beim Reinkommen direkt Finnisch gesprochen habe. Ich hab das gar nicht eingesehen und weiter Finnisch gesprochen. Die Familie in der Schlange hinter mir, die ich als Deutsch gedeutet habe aufgrund ihrer Sprache, die guckte schon ganz komisch. Vielleicht fanden sie unhöflich, dass ich nicht Englisch gesprochen habe, weil sie gar nicht wussten, dass ich eigentlich gerade fließend Finnisch sprach.

Aber dieses Vad duktig du är, das kommt mir sehr bekannt vor. Das ist ebenfalls keine Beleidigung. Das sagen nämlich alle Schwedinnen, mit denen ich jemals gesprochen habe. Das lässt mich erörtern, dass entweder mein Schwedisch grauenhaft schlecht ist (dem würde ich entschieden widersprechen) oder dass das einfach ein typischer Satz ist in Schweden.

Wie dem auch sei, mein Chef war morgens wie immer nicht da. Aber er kam dann gegen Mittag. Und meine Laune war so schlecht, ich war so angefressen wegen der ganzen Reparatur-Arbeit, die ich den ganzen Morgen geleistet hatte. Ich hab ihm direkt gesagt, dass ich nur noch bis Sommer hier arbeite. In Worten: 01.07. oder 01.08. hab ich ihm genannt. War das dumm von mir? Vielleicht. Vielleicht bin ich dann ab dem 01.08. arbeitslos. Aber ich hab ihm jetzt mündlich gekündigt. Er ist jemand, dem mündlich ausreicht. Er hatte mich ja zunächst auch nur mündlich eingestellt. Einen Vertrag hab ich erst 3 Monate später bekommen. Im Moment bin ich ja auch nur mündlich eingestellt.

Entsprechend habe ich mich heute noch auf drei weitere Stellen beworben, damit wäre ich dann jetzt bei 20 Bewerbungen (ich hab nochmal vernünftig nachgezählt inzwischen). Das ist dann schon 1/5 von dem, was mir immer gesagt wurde, wie viele Bewerbungen ich schreiben müsste. Man kann jetzt Wetten abschließen, ob das am Ende tatsächlich stimmt. Aber ich kenne gar nicht so viele Unternehmen, bei denen man sich bewerben könnte. Oder kennt ihr 100 Unternehmen? Zumindest 100 Unternehmen, die irgendwie in dem Bereich tätig sind. Naja allein in Deutschland wird es wohl weit über 100 Unternehmen geben. Aber für mich fallen Orte wie Berlin, München oder Köln direkt weg. Zu viele Menschen. Da ich aus Dänemark bis jetzt nur Pimmel-Antworten bekommen habe (was aber irgendwie so richtig typisch dänisch ist), sehe ich ab sofort von Bewerbungen in diesem Land ab. Vorerst. Aus Finnland bekommt man immer nur nichts sagende Antworten. Die trauen sich nicht, einem abzusagen, da heißt es dann immer: ich muss noch Abteilung xy fragen und irgendwie melden die sich nicht bei mir blabla. Dann hört man nie wieder was. Abteilung xy gibt es gar nicht, die wollen einem nur nicht absagen. Die Erfahrung hab ich aber auch vorher schon oft gemacht, wenn ich mich in Finnland auf Praktikumssstellen beworben habe.

Andererseits bekommt man aus Deutschland auch keine vernünftigen Antworten, also kann man das wohl nicht pauschalisieren. Auf jeden Fall habe ich inzwischen 7 Absagen bekommen, ich bin aber gar nicht mehr sicher, ob das mit der Zahl übereinstimmt, die ich beim letzten mal genannt habe. Wahrscheinlich. Wenn nicht: das ist jetzt die richtige Zahl, ich hab mir inzwischen mal eine übersichtliche Tabelle erstellt. Ansonsten warte ich immer noch auf Antworten.

Auch noch etwas positives: ich habe am Wochenende festgestellt, wie nett es ist, ein Wochenende zu haben. Ich glaube, das war mein erstes freies Wochenende seit Februar 2023, eine Woche Urlaub in Dänemark letzten September nicht mit gerechnet. Ich hatte einfach schon lange nicht mehr so richtig frei. Natürlich hatte ich oft Tage, an denen ich nicht Arbeiten war, aber man hatte immer dieses Studium im Hinterkopf, man hat ständig was dafür getan. Auch im "Urlaub" und an Feiertagen. Da war man dann froh, einige Tage vollkommen nur für die Uni Zeit zu haben, ohne durch Arbeit abgelenkt zu werden. Aber tatsächlich habe ich jetzt nichts mehr zu tun, neben der Arbeit. Abgesehen von Bewerbungen und Haushalt natürlich. Dennoch, ich hab Samstag nichts gemacht. Wirklich gar nichts (außer putzen und einkaufen). Sonntag hab ich mit meiner besten Freundin am Wasser gesessen und Eis gegessen. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich damit wertvolle Zeit verschwendet habe. Ich hab einfach nur da gesessen und es war nett. Es kommt gar nichts mehr, keine Prüfung, keine Hausarbeit, keine Verteidigung. Ich muss keine Hausaufgaben mehr machen, nichts lernen, nicht mehr in die Bibliothek. Unfassbar. Ist das das Leben?

Ich kann darauf antworten: nein. Denn ich hab immer noch nur diesen seltsamen zufällig viele Stunden Job. Damit komme ich nicht auf 40 Stunden pro Woche. Das Leben ist aber 40 Stunden pro Woche. Zumindest so ungefähr. Also das Doppelte von dem, was ich jetzt mache. Ich kann mir aber bei bestem Willen nicht vorstellen, dass ein 40 Stunden Job dann auch doppelt belastend ist. Wie soll ein Mensch das aushalten? Auch wenn "Erwachsene" in meinem Leben immer sagen, dass ich das "wahre Leben" erst noch kennenlernen müsste und das, was ich mache, noch nicht mal ein Bruchteil der Realität wäre. 1. Lebe ich denn seit meiner Geburt in einem Paralleluniversum, das nicht das "wahre Leben" ist? 2. Wenn euer Leben so beschissen ist und ihr eure Jobs so sehr hasst, kann ich da auch nichts für? 3. Woher wollt ihr wissen, wie anstrengend/real/was auch immer/... mein Job/Uni ist?

Was zum Fick, du wohnst seit 7 Jahren 7 Stunden von mir entfernt und wir telefonieren nie, wir schreiben aller höchstens mal. Woher willst du wissen, wie real oder anstregend mein Leben ist? Ständig sagst du, dass ich überhaupt keine Probleme zu haben scheine, dass ich ständig nichts tue und mein Leben genieße. Woher willst du das wissen? Wenn ich über Weihnachten da war und den ganzen Tag am Laptop saß, um meine beschissenen Hausarbeiten zu schreiben, hieß es nur, dass ich ja den ganzen Tag Computerspiele gespielt hätte. Was für ein beschissenes Spiel, wo man 100 leere Seiten mit Wörtern füllen muss, wer spielt denn sowas freiwillig? Wo ist der Unterschied, ob ich 8 Stunden zuhause am Laptop eine wissenschaftliche Arbeit schreibe oder du 8 Stunden bei der Arbeit irgendwelche Zahlen in eine Excel-Tabelle schreibst? Wo ist der verdammte Unterschied? Wo habe ich mehr Freizeit als du? Am Wochenende liegst du auf der Couch und guckst den ganzen Tag Dokuserien und schläfst dabei ein. Jedes verdammte Wochenende, wenn ich zu Besuch bin.

Jetzt bin ich am Ende vielleicht ein bisschen wütend auf eine ganz spezifische Person geworden. Aber okay. Das Kapitel heute hat überhaupt kein Thema, aber muss ja auch nicht. Ein Thema gibt es vielleicht nächstes mal wieder.



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