20.10.2024
Gestern war ich mit meiner besten Freundin unterwegs, einfach durch die Stadt laufen. In Schaufenster hineinschauen. Sie gab mir eine Karte, auf der stand: "Danke, dass du mein kostenloser Therapeut bist". Das soll wohl witzig sein, aber eigentlich ist es nur die Realität. Wobei man dazu sagen muss, die Realität ist ja oft der größte Witz.
Dann passierte es, ich sah durchs Fenster und da saß sie. Ich sah in ihre dunklen Augen, die direkt in meine Seele starrten. Sie hatte leuchtend orangene Haare. Und irgendetwas sagte mir in dem Moment, dass ich unbedingt rein gehen sollte, ich müsste sie kennenlernen. Das habe ich natürlich nicht gemacht, meine beste Freundin und ich sind einfach weiter gegangen. Aber auf dem Rückweg kamen wir erneut vorbei und da sie dort noch immer saß, ging ich hinein. Sie hieß Elke. Ich griff nach ihrem Arm - sie war festgebunden. Ich wusste, ich müsste sie retten. Das war eine persönliche Bindung, die wir zu einander hatten.
Also ging ich zur Kasse und sagte: Ich hätte gerne das Plüschmammut, das dort sitzt. Die Verkäuferin lachte, es sei gerade schon jemand vorbei gekommen, um es zu kaufen. Panik stieg in mir auf, war das Mammut, das ich kaufen wollte, bereits verkauft? Aber nein, die Verkäuferin ging nach hinten und holte eine große Kiste. Darin befanden sich ganz viele Elkes. Ich war noch mehr schockiert. Ich sollte irgendein Mammut bekommen? Nicht das Mammut, das mich die ganze Zeit durch das Fenster angesehen hatte, mit dem ich bereits eine Bindung eingegangen war, nicht das Mammut, das ich aus der Kette lösen wollte?
Die Verkäuferin verstand meinen Einwand nicht, das Mammut aus der Kiste sei genau das gleiche. Da ich den ganzen Oktober eigentlich nur semi zurechnungsfähig war und sowieso nichts mehr zu verlieren hatte, erklärte ich ihr, dass jedes Kuscheltier eine eigene Seele hat und wenn ich jetzt ein anderes Mammut bekommen würde, hätte das vielleicht eine Seele, die gar nicht zu mir passt. Die Frau dachte, ich sei geisteskrank, aber sie gab mir Elke. Jetzt sitzt Elke auf meinem Sessel, ich hab sie in meine Kuscheldecke eingewickelt. Das war ganz schön knapp, fast hätte ich ein anderes Mammut bekommen. Und das wäre schlimm gewesen, denn immer wenn ich dort vorbei gegangen wäre, hätte mich weiterhin Elke angesehen, die ja bereits eine tiefe seelische Freundschaft mit mir eingegangen war, als ich sie das erste mal gesehen hatte.
Dass die Verkäuferin mich jetzt für irre hält, das ist mir egal, denn ich denke mir immer: Diese Stadt ist so groß, die siehst du nie wieder. Die erkennt dich eh nicht wieder, wenn du ihr nochmal begegnest. Aber je länger ich hier wohne, umso mehr verstehe ich, dass das nicht stimmt. Ich bin hier her gezogen, in dieser Stadt gibt es 6 mal so viele Einwohner wie in meiner Heimat. In meiner Heimat kannte mich jeder. Jeder kannte jeden. Es war schlimm. Alles was ich will, ist etwas Anonymität. Aber die Stadt soll auch nicht zu groß sein.
Nach sieben Jahren merkt man: auch hier kennt jeder jeden. Zumindest die Leute, die wichtig sind. Es gibt ein paar Statisten, aber das gehört zu jedem Film dazu. Und ich glaube, dass viele Leute das auch gar nicht realisieren, wie sehr alles und jeder mit einander verbunden ist. Es gibt Menschen, die haben für die Stadt so eine große Relevanz, dass sie jeder kennt. Aber es ist keine politische Relevanz, es ist eine rein kulturelle Relevanz. Das ist sowas wie der Hafenmeister, der sich selbst wahrscheinlich nicht darüber bewusst ist, dass ihn jeder kennt. Das sind Leute, die jeden Tag immer da sind, die man immer sieht, wenn irgendwo irgendwas passiert. Leute, die jeder kennt, ohne dass sie unbedingt gekannt werden wollen. Anonym zu bleiben ist schwer, sobald man einmal zu diesem Kreis gehört. Aber der Kreis ist unsichtbar und vor allem kann man da auch nicht aktiv hinein geraten, es passiert einfach. Zumindest ist das hier so, vielleicht ist das in noch größeren Orten wieder anders.
Bekanntheit in Nischen ist etwas, das lässt sich kaum vermeiden. Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt, vor allem wollte ich auch nicht, dass mir sowas passiert, aber das bringt ein Studium, das kaum Leute belegen, wohl mit sich. Zirka 50 Leute haben zeitgleich das Studienfach belegt, in dem ich war. Das bezieht Ersties und Postgraduierende mit ein. In ganz Deutschland. Teilweise habe ich Seminare komplett alleine belegt. Das hat mir gefallen. Aber dann bist du aus irgendeinem Grund, der dir selbst nicht ganz klar ist, irgendwo an einer anderen Uni im Ausland eingeladen und wirst dort als Experte von irgendwas vorgestellt, wozu du vor 4 Jahren mal eine kurze 20 Seitige Hausarbeit geschrieben hast.
Eine ganz andere Sache: Ich habe immer wieder mal das Gefühl, dass ich ganz unzufrieden damit bin, dass normale Tagebucheinträge und meine fast schon philosophischen Gedanken in einem Buch zusammen gefasst sind. Ich glaube, ich sollte das irgendwie besser trennen. Und dafür überlege ich mir noch ein gutes Konzept. Über das ich informiere, für alle, die es tatsächlich interessieren sollte, sobald es dann soweit ist. :)
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Abendgedanken
RandomManchmal ist mein Kopf voll von irgendwas und ich weiß aber gar nicht, was dieses irgendwas ist. Ich weiß nur, dass es irgendwie raus muss. Begleite mich dabei, wie ich versuche, dieses irgendwas los zu werden.