Ich weiß auch nicht, wie man das Kapitel nennen soll

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21.10.2024

Ein großer Teil von dem, was ich gestern zu sagen hatte, ging für die Öffentlichkeit verloren. Etwa 1500 Wörter. Dadurch endet das Kapitel an einer seltsamen Stelle, denn ich hatte mir gar keine Mühe gemacht, einen vernünftigen Abschluss zu schreiben. Irgendwie war ich dann doch der Meinung, in dem Kapitel, in dem ich darüber schrieb, wie gerne ich anonym bin und bleiben will, hatte ich zu viel über mich preisgegeben. Paradox. Zumindest erinnerte ich mich daran, wie mich vor 5 Jahren jemand durch meine Aussagen auf Wattpad ausfindig machen konnte. Sowas muss nicht nochmal passieren. Jetzt fehlt dem vorherigen Kapitel der eigentliche Sinn, aber damit muss man halt leben.

Ich bin krank. Aber das ist nicht so schlimm. Immerhin hab ich nur Kopfschmerzen und mein Hals fühlt sich ganz komisch an. Außerdem hab ich jetzt ja Elke, die auf mich aufpasst. Wobei sie bis jetzt noch kein Wort gesagt hat. Da mein Chef und die Sekretärin im Urlaub sind (schon wieder?), war es mir auch egal und ich bin trotzdem zur Arbeit gegangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde vor Ort vorbei kommt, ist gleich 0. Eigentlich ist das ja auch nur ein Büro, warum sollte da ein Kunde kommen. Aber ich werde ja regelmäßig vom Gegenteil überzeugt, von Leuten, die an alten Zeiten festhängen und noch nicht begriffen haben, dass wir überhaupt nicht mehr für private Kunden arbeiten. Und dadurch arbeite ich dann doch irgendwie für private Kunden, weil mein Chef Geld mag. Aber es ist eben selten.

Heute (das hat mit dem, was ich eigentlich schreiben will, nichts zu tun) ja heute kam tatsächlich mal wieder jemand. Ich war so irritiert. Er hatte gehört, wenns um Kopenhagen geht, soll man zu mir kommen. Mein Chef muss also mal wieder in der Gegend rum erzählt haben, dass ich diese Fahrt nach Kopenhagen gemacht hatte, wie sonst kommt der da drauf? Wirklich gelogen ist das außerdem auch nicht, immerhin war ich bestimmt schon 10 mal dort. Auf diese Aussage, über die ich dann doch relativ lange nachgedacht hatte, folgte dann eine Erzählung davon, dass sein Auto kaputt sei und er nicht wüsste, wo er das reparieren lassen soll. Ich weiß bei Gott nicht, wie das zusammen hing, aber es passte gut zu seinem Outfit - ein viel zu kleines T-shirt bei dem unten ein Stück seines Bauches heraus hing.

Das Gespräch endete damit, dass er mir erzählte, man müsste demnächst in Deutschland einen Führerschein fürs Fahrrad machen und Steuern zahlen, wenn man ein Handy besitzt. Eine schnelle Suche bei Google ergab, dass auf Facebook gerade wohl mal wieder Fake-News verbreitet werden. Aber er wollte mir nicht glauben, er hörte mir ja kaum zu. Scheinbar wollte er auch gar nichts anderes von mir, denn er ging dann und das gesamte Gespräch hatte nicht eine Sekunde etwas mit meiner Arbeit zu tun.

"Es werden mehr Bücher geschrieben als gelesen." Das hatte mir im Bus einer erzählt, der der Meinung war, er könnte ein Buch schreiben, es aber aus genau diesem Grund nicht tun. Ich weiß gar nicht, warum er mir das erzählte, immerhin habe ich ihm nicht einmal geantwortet. Aber es hatte sich herausgestellt (er erzählte einfach sehr viel von sich), dass er den gleichen Job macht wie ich. Noch nie ist mir vorher in meinem Leben jemand begegnet, der das tut. Ich habe ihm nichts davon gesagt, wie gesagt, ich schwieg.

Faszinierend, wie viel einem fremde Menschen ungefragt erzählen, denn irgendwann ging er sogar dazu über, mir zu berichten, wie viel Geld er durchschnittlich pro Auftrag verdient. Das ist für mich viel interessanter, als er wahrscheinlich angenommen hat, denn so kann ich vergleichen. Kurz hatte ich überlegt, ihn darauf hin zu weisen, dass er viel zu wenig pro Auftrag bekommen würde. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich auch viel zu wenig Geld bekomme und der Großteil an meinen Chef geht. Außerdem fand ich, mein Schweigen nach 20 Minuten zu brechen, das würde das ganze Bild zerstören.

Ich frage mich, ob dieser Mann nicht liest. Und niemanden kennt, der liest. Ich hasse ja lesen, habe ich das schonmal erwähnt? Ich hasse lesen so sehr, es kommt mir vor wie eine Zeitverschwendung. Aber ich zwinge mich dazu, ich lese jeden Tag mindestens 50 Seiten. Ich lese auch nicht unbedingt das, was mich interessiert. Für mich ist Lesen eine Wissenserweiterung und eine Erweiterung des Horizonts. Deshalb lese ich. Am liebsten nicht auf Deutsch. Am allerliebsten auf den Originalsprachen.

(Habt ihr mitbekommen, dass man bei Google Translator jetzt auch Nordsamisch übersetzen kann? Das ging vor 10 Monaten noch nicht. Das hätte mir geholfen, ich hätte für meine Masterarbeit nicht spontan lernen müssen, Samisch zu lesen.)

Innerhalb eines Jahres lese ich etwa 30 Bücher. In der Freizeit. Aber ich schreibe pro Jahr nicht 30 Bücher. Also stimmt doch seine Aussage gar nicht. Dieses Jahr kommt das vielleicht nicht hin, ich bin jetzt erst bei Buch 19. Als ich noch studiert habe (das klingt, als wäre das ewig her), waren es deutlich mehr, denn ich war ja dazu gezwungen. 108 Bücher habe ich letztes Jahr für meine Masterarbeit gelesen (ja, ich hab das gerade nachgezählt), auf 7 verschiedenen Sprachen, wobei Latein dabei echt die Höhe war. Ich frage mich bis heute, wie ich nochmal auf die Idee gekommen war, ausgerechnet über dieses Thema zu schreiben. Aber wenn ich die tatsächliche Anstrengung dahinter ignoriere, dann erinnere ich mich: persönliches Interesse an einem Gebiet, das meiner Meinung nach verdient hatte, vernünftig untersucht zu werden. Man müsste diese Forschungslücke füllen, dachte ich.

Ich bin ein großer Fan davon, Dateien anzulegen, über alles, was ich so mache. Es gibt zum Beispiel eine Tabelle, in die ich meine Lieblingslieder eintrage, mit dem Datum, wann es mein Lieblingslied geworden ist und einem Datum, wann ich aufgehört habe, es zu hören. So kann ich am Ende des Jahres ein Ranking erstellen, welches Lied tatsächlich mein Lieblingslied war (denn der Zeitraum, in dem ich es gehört habe, war am längsten). Ich habe auch eine Datei für meine gelesenen Bücher, wo ich immer eine kurze Zusammenfassung des Inhalts und dann meine Meinung dazu aufschreibe. Einen Teil davon veröffentliche ich auch hier in meinem Buchclub (mit mir selbst). Faszinierenderweise bekomme ich darin immer wieder Kommentare, dass ich doch auch mal ihr Buch auf Wattpad bewerten soll. Ich frage mich, ob diese Leute überhaupt auch nur eine Sekunde lang auf mein Bewertungsbuch geguckt haben, dann müsste ihnen aufgefallen sein, dass der Großteil davon nicht mal auf Deutsch ist. Damit sie sich nicht selbst blamieren, lösche ich also diese Kommentare direkt.

Darum sollte es ja auch nicht gehen. Eigentlich wollte ich nur erwähnen, wie viel Freude es mir macht, wenn ich J dabei zusehen kann, wie sie versucht, zu arbeiten. Ich bin der Meinung, dass sie mich angesteckt hat, immerhin ist sie letzte Woche krank zu Arbeit gekommen. Deshalb sah ich auch kein Problem darin, dass sie sich heute meiner Krankheit aussetzen musste (wirklich gesund ist sie eh noch nicht).

Seit einigen Wochen sitzt sie an einem Auftrag. Davon hat sie quasi nichts selbstständig gemacht, eigentlich hab ich das alles erledigt. Aber das ist gar nicht wichtig. Es geht ja darum, dass sie einmal sieht, wie es funktioniert. Außerdem (no shit Sherlock) muss ich ihr die Emails des Unternehmens, für das sie den Auftrag erledigen muss, sowieso übersetzen, immerhin ist das nicht auf Englisch. Es ist mir insgesamt ein Rätsel, wie mein Chef auf die Idee kam, dass das ein geeigneter erster Fall für J wäre.

Es bringt mir so viel Spaß, ihr dabei zu zusehen, wie sie Fehler macht, die ich nicht korrigiere, weil ich will, dass sie aus ihren eigenen Fehlern lernt. Außer uns sieht eh keiner diese Fehler, denn das Programm wird spätestens beim Speichern eine Fehlermeldung geben. Sie meinte deshalb, ich sei gemein, denn ich könnte sie auch einfach auf ihre Fehler hinweisen. Aber das will ich nicht. Sie soll das Programm verstehen, das tut sie nicht, wenn ich ihr bei jedem Schritt sage, welche Befehle sie in die Felder schreiben soll.

Das beste an dem Ganzen ist, dass ich immer wieder merke, wie viel sie von mir lernen kann. Das klingt extrem egoistisch. So ist das nicht gemeint. Ich sehe das ja nicht, was ich kann und was ich mache. Für mich ist das ganz normal. Aber sie geht so offen damit um, ich bin jedes mal überrascht. Sie bedankt sich jedes mal und nennt dann auch ganz genau, wofür sie sich bedankt. Und dann wird mir erst klar, dass ich gar nicht (wie ich selbst oft vermute) wahllos und ahnungslos an meinem Schreibtisch sitze und einen Job mache, für den ich vollkommen ungeeignet bin. Ich glaube, dass diese Situation mit J wirklich gut für mein Selbstwertgefühl ist.

Wenn ich merke, dass sie mein Verhalten und meine Arbeitsstrukturen kopiert, wenn ich doch sonst derjenige bin, der immer das Verhalten von anderen Menschen kopiert, irgendwie hat das eine heilende Funktion. Tatsächlich kann ich (in einem kleinen Rahmen) ein Vorbild sein. Und das ist schön.

So, mehr kann ich nicht schreiben, sonst explodiert mir gleich mein Kopf, dabei will ich ja morgen eigentlich gesund aufwachen.

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