Nervenzusammenbruch

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21.04.2024

In den letzten Tagen, seit dem letzten Kapitel, ist sehr viel passiert. Ich hab auch die ganze Zeit nachgedacht, welches Thema soll mein nächstes Kapitel haben? Ich hatte ein paar gute Kandidaten, Dinge über die ich einfach viel gegrübelt habe. Aber es war ja viel zu tun und ich wollte frühstens Freitag wieder schreiben. Nun ist Sonntag und ich habe zum ersten Mal richtig Zeit, um irgendwas zu machen. Egal was. Zum ersten mal seit Monaten habe ich einfach Zeit.

Hat dann damit angefangen, dass ich einen Nervenzusammenbruch hatte. Meine Familie war ja jetzt das Wochenende zu Besuch und ist heute morgen wieder gefahren. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch und auch seit sie weg sind kommt es immer wieder in Schüben über mich. Wahrscheinlich muss ich mir einfach mal richtig Zeit nehmen, um alles raus zu lassen. Das Hauptproblem: mir haben alle live dabei zu gesehen und es kamen die Fragen: geht es dir gut? Was ist los? Was beschäftigt dich? Fünf Leute wollten mich gefühlt gleichzeitig umarmen, meine Mutter fing direkt mit an zu heulen. Danach meine Schwester. Und noch keiner wusste, was mit mir war. Das wusste ich selbst nicht, ich musste nur einfach heulen.

Eine zufriedenstellende Antwort gibt es immer noch nicht. Inzwischen sitze ich am Wasser mit dem Gesicht im Wind, damit ich einfach nicht mehr heule (meine Augen trocknen vom Sturm aus). Es ist kalt. Aber die Sonne scheint und irgendwie dachte ich, ich muss aus meiner Wohnung raus. Ich hab nicht daran gedacht, wie viele Leute bei Sonnenschein an einem Sonntag am Wasser spazieren gehen.

So, ich habe meinen Sitzplatz geändert und sitze weniger im direkten Wind. Aber windig ist es immernoch und scheiße kalt. Die Sonne hilft zumindest minimal gegen meine Psyche. Mir hat mal jemand gesagt, dass man dringend in Behandlung gehen soll, wenn man seinem Leben gegenüber gleichgültig wird. Das ist jetzt random und passt nicht zu den ersten Absätzen, aber trotzdem. Ich bin ein Stück gelaufen, wird also auch gedanklich kein nahtloser Übergang hier. Ich stehe meinem Leben schon viele Jahre gleichgültig gegenüber. Ich empfinde das als Erfolg. Was für ein Schwachsinn, was mir da geraten wurde. Oft genug hab ich mein Leben gehasst und war negativ eingestellt. Oft genug wollte ich mein Leben auch gar nicht. Gleichgültigkeit ist eine Errungenschaft, das kann mir doch keiner anders sagen.

Dessen ungeachtet, mein neuer Sitzplatz ist auch beschissen. In der Nähe ist ein Zirkus und da läuft gerade eine Veranstaltung. Ich fand Zirkus als Kind richtig toll. Keine Ahnung warum, wahrscheinlich wegen der bunten Lichter. Aber heute finde ich sowas nicht zeitgemäß. Wie auch immer, die Kinder lieben es immer noch und die sind die Zielgruppe oder?

Ich weiß auf jeden Fall nicht, warum es mir so beschissen geht. Es ist anstrengend. Ich habe sowas oft, wenn ich Besuch hatte, dann kommt ein emotionales Tief. Man ist alleine, alles ist leer und ruhig und man muss putzen. Deshalb habe ich erst gedacht, ja diese Emotionen kommen jetzt davon, dass wir uns verabschieden. Kann auch sein, spielt bestimmt eine Rolle. Gleichzeitig ist der ganze Stress von mir abgefallen, kein Uni-Kram mehr. Ach ja, ich hab übrigens meinen Master bestanden. Außerdem hab ich endlich meine Haare geschnitten. 11cm hab ich abgeschnitten. Ich sollte das eigentlich schon im Januar (fragt nicht wieso, ich hab in meinem Gehirn feste Tage, an denen Haare geschnitten werden müssen, kann man wenig gegen machen). Im Januar hab ich mich über meinen Gedanken hinweg gesetzt. Ich schneide meine Haare ja selbst und deshalb ist das Ergebnis nicht gut. Stört mich nicht, ich hab ja keine Frisur. Und ich hasse es, wenn jemand anderes meinen Kopf berührt, deshalb kommt Friseur nicht in Frage. Weil meine Haare nach dem Haarschnitt erstmal beschissen aussehen (mehr als sonst zumindest), ich aber die Vorstellungsgespräche hatte, habe ich gewartet. Nun war es an der Zeit. Mein nächster Haarschnitt erfolgt am 31.10. und 22:25 Uhr. Dann wieder nach Plan. Hoffe ich.

Nach meinem ersten Nervenzusammenbruch war meine Mutter davon überzeugt, ich würde mich hier nicht wohl fühlen, ich hätte Heimweh, etc.. Naja, ich hab kurz darüber nachgedacht, auch wenn ich weiß, dass das eigentlich nicht stimmt. In der Situation wollte ich einfach nur gerne eine Antwort und da hätte ich dann auch Heimweh akzeptiert. Aber ich habe noch nie Heimweh gehabt. Für mich existiert immer nur der Ort, an dem ich gerade bin. Außerdem habe ich gespürt, dass ich nicht weg will. Meine Mutter wollte mich dann nämlich mit ins Auto setzen und mitnehmen. Darauf hab ich gar keine Lust, ich will meine Ruhe haben. Das liegt ja gar nicht so sehr an dem Ort, aber ich weiß, dass vieles bei meinen Eltern einfach toxisch ist und immer wenn ich da war, ging es mir danach schlechter als vorher. Was nichts daran ändert, dass ich meine Familie mag. Man muss nur irgendwie damit klar kommen. Ne, ich wollte bei mir in meiner Wohnung bleiben. Ich hab die nächsten Tage schon geplant. Morgen muss ich auch wieder zur Arbeit. Klar habe ich keinen Vertrag mehr, deshalb wäre es unproblematisch, einfach nicht mehr hin zu gehen. Das werde ich auch irgendwann nicht mehr tun. Aber erstmal ist es ein Nebenverdienst und etwas, das mir einen geregelten Tagesablauf gibt. Für April bleibe ich noch dort und schaue dann halt weiter.

Okay, Heimweh ist es schon mal nicht. Mein Arbeitsplatz ist bescheuert und mein Chef komisch, aber daran liegt es grundsätzlich auch nicht. Trägt aber sicher auch mit dazu bei. Woran es liegen könnte, ist einfach diese beschissene Situation, in der ich jetzt bin, da ich mein Studium fertig habe, aber noch nach einem Job suche. (Nach einem besseren)

Ich hasse es, dass ich nicht weiß, wann mein nächstes Vorstellungsgespräch sein könnte, wann die nächste Absage, wenn vielleicht mal eine Zusage. Wann muss ich umziehen? Muss ich überhaupt umziehen? Ich hatte im letzten Kapitel schon erwähnt, dass ich immer wieder so leichte Panikattacken hatte, genau wegen dieser unplanbaren Zukunft. Ständig werde ich gefragt, ob ich mit zu Konzert xy will. Ja will ich. Aber das ist im Oktober/September/Juni/was auch immer, ich weiß gar nicht, wo ich da bin. Vielleicht wohne ich zu weit weg. Vielleicht habe ich auch einfach keine Zeit, weil ich am nächsten Tag arbeiten muss? Ich will in den Urlaub und hab eigentlich schon alles geplant, aber ich weiß gar nicht, wann ich dafür Zeit habe. Stellt euch vor, ich buche jetzt was und muss dann wieder alles stornieren, weil mein neuer Arbeitsgeber mir für den Zeitraum gar nicht frei geben will/kann. Jaja, erste Welt Probleme. Aber fängt auch schon im kleinen an. Ich plane mein Essen zwei Wochen im Voraus. Immer. Entsprechend kaufe ich ein. Das kann ich gar nicht. Ich kann zum Beispiel morgen nicht einfach für 2 Wochen Lebensmittel kaufen, weil ich ja nicht weiß, ob ich überhaupt 2 Wochen am Stück hier bin. Das macht mich nervös. Nicht nur, dass mein Essensplan nicht vollständig ist, sondern ich muss halt auch noch häufiger einkaufen gehen. Ich finde einkaufen anstregend. Ich glaube, viele finden das anstrengend. Mich stört einfach alles daran. Ich weiß vorher nicht, wo ich mein Fahrrad anschließen kann. Ich weiß vorher nicht, welchen Einkaufswagen ich bekomme. Manchmal gibt es dann die Produkte nicht, die ich haben will. Oft stehen Menschen im Weg oder gehen viel zu langsam. Ich weiß vorher nicht, an welche Kasse ich komme, weil meine Lieblingskasse nicht immer geöffnet ist. Bei meinem Edeka arbeitet ein älterer Herr, der ist wahrscheinlich anfang 60. Er ist sehr langsam und vertut sich oft (scannt Produkte ausversehen zweimal und sowas). Ich mag das, ich gehe immer dahin. Da habe ich Zeit, um meine Sachen einzupacken. Aber manchmal ist er nicht da, logisch denn jeder hat mal frei.

Wie bin ich jetzt dazu gekommen, von meinem Einkauf zu erzählen? Naja egal. Vieles ärgert mich im Moment, aber viel ändern kann ich nicht. Ich schaue täglich weiter, ob es neue Stellenanzeigen gibt, bewerbe mich weiter. Mir antwortet ja auch schon wieder kein Schwein. Man fragt sich ja auch, soll ich mich jetzt arbeitslos melden? Irgendwie ja nicht, ich hab diese eigenartige Stelle, bei der ich zufällig viel Geld bekomme, da ich zufällig viele Stunden arbeite. Jetzt kann ich mehr Stunden arbeiten. Aber auf dem Papier bin ich arbeitslos (hab ja keinen Arbeitsvertrag). Außerdem heißt das im Umkehrschluss auch, dass ich in Monaten, wo nicht so viel los ist, nur so 300€ verdiene, was ja nicht mal für Miete reicht. Was für ein Beschiss. Arbeitslosengeld (oder Bürgergeld) bekomme ich mit dieser Konstellation eh nicht, weil ich halt auch in guten Monaten so viel verdienen kann, dass ich gar keinen Anspruch darauf habe. Man muss schnell eine Lösung finden, aber ich kann die ganzen Unternehmen ja nicht zwingen, mir kurzfristig zu antworten. Schließlich haben die mehr als einen Bewerber (gehe ich mal von aus) und müssen erst entscheiden, wen sie überhaupt einladen. Das regt mich so auf, denn ich bin ein sehr zügiger Mensch, in allen Lebenssituationen. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten und weiterhin Bewerbungen zu schreiben. Neuster Stand: 15 (wenn man die zählt, die ausversehen war). Inzwischen weiß ich nicht mehr, wie viele Absagen ich schon hatte, aber es ist zumindest keine neue mehr hinzu gekommen. Ich meine, dass ich noch 6 mal auf Antworten gewartet habe, als ich das letzte mal geschrieben habe. Das heißt dann jetzt mit den beiden neuen Bewerbungen: 8 mal keine Antwort. Aber ich gedulde mich so gut es geht. Und jetzt muss ich erstmal putzen.

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