Warten

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30.05.2024

Vor einer Woche habe ich Vormittags eine Antwort auf das Angebot als freier Mitarbeiter geschrieben. Deshalb hab ich mir dann auch vorgenommen, mich hier erst wieder zu melden, wenn ich wieder von dem Unternehmen gehört habe. Das ist aber noch nicht passiert und ich hab auch keine Lust mehr, zu warten. Ich hatte mir zwischenzeitlich schon einige andere Stellenausschreibungen angesehen und markiert, damit ich darauf zurück kommen kann, sollte die Antwort doof sein. Morgen werde ich mich daran setzen und mich auch darauf bewerben. Mir ist dieses untätige Warten zu doof.

Ich hab ja nicht erwartet, dass eine Antwort so lange brauchen könnte, bzw. dass ich vielleicht gar keine bekomme. Man schickt doch nicht ne Mail mit "Wir möchten Ihnen anbieten blablabla" und meldet sich dann auf Rückfragen nicht mehr? Ich hab ja nur geantwortet, dass ich für ein weiteres Gespräch ab dem 27.05. zur Verfügung stehe und mich freuen würde, wenn ich noch weitere Informationen über den Aufgabenbereich und den Stundenumfang erhalten könnte.

Jetzt hat mein Gehirn drei Antworten, warum das so lange dauert. 1. (was ich im Moment am wahrscheinlichsten finde) Die haben sich vielleicht nochmal umentschieden oder noch jemand anderes gefunden. 2. Die betreffende Person hat gerade Urlaub (aber dann bekommt man normalerweise eine automatische Antwort oder nicht?). 3. Die wissen vielleicht selbst noch gar nicht so richtig, was meine Aufgaben/Arbeitszeit/Gehalt wären, weil sie diese Stelle neu erfunden haben. Immerhin war diese Stelle nicht ausgeschrieben und da online alle Leute mit Foto auf der Homepage zu sehen sind und da noch nie jemand mit diesem Job war, könnte das durchaus sein.

Was nun der Grund ist, das werde ich erst erfahren, wenn sie mir eine Antwort schreiben (oder auch nicht). Dafür muss ich mich gedulden, aber ich bin doch immer so ungeduldig. Es bringt auch nichts, da so viel drüber nach zu denken, auch wenn ich das natürlich schon getan habe und auch weiter machen werde.

Dazu kommt noch, dass mein Chef mir Dienstag stolz berichtet hatte, dass er ja der Nachbar der Finanzleiterin des Unternehems sei. Er hatte mir einige viel zu private Dinge über sie erzählt, über Suchtverhalten zum Beispiel. Er ist nun der Meinung, dass er mit ihr sprechen will, er möchte mich weiter empfehlen. Das finde ich natürlich nett und sowas kann nie schaden. Dann hab ich mich erinnert, was mein Chef sonst immer so erzählt und war mir dann gar nicht mehr so sicher. Er ist jetzt außerdem davon überzeugt, dass die mir eine halbe Stelle anbieten werden, weil ich dann ja auch bei ihm bleiben könnte. Halbe Stelle bei ihm, halbe Stelle dort. In meinem Gehirn gingen die Alarmglocken los, nicht dass er das der Finanzleiterin vorschlägt. Ich will doch da weg. Deshalb bewerbe ich mich schließlich wo anders.

Am Montag habe ich auch noch eine Absage bekommen, das wäre dann Absage Nummer 12. Dreist war das, die haben nicht mal selbst geschrieben. Die hatten ihre Anzeige bei Stepstone drin, was ja so üblich ist, schätze ich. Nun war meine Bewerbung wieder ewig her und ich hatte das auch schon fast vergessen. Zumindest habe ich mit keiner Antwort mehr gerechnet, wozu auch? Meine Absage habe ich dann nicht von dem Unternehmen bekommen, sondern in Form eines Copy-Paste Texts direkt von Stepstone. Ja tastächlich, die Mail kam von Stepstone und im Betreff stand noch: "Neuigkeiten zu Ihrer Bewerbung als Blablabla, wir drücken die Daumen". So als ob die nicht einfach in den Betreff direkt schreiben könnten: Absage. Oder sowas.

Na das muss ja ein ganz tolles Unternehmen sein, das nicht mal selbst dazu in der Lage ist, eine Mail zu schreiben. Da kann man eigentlich nur froh sein, dass die einen ablehnen. Wirklich passend zu ihrer eigenen Beschreibung ist das auch nicht. Und deshalb will ich mich jetzt auch nochmal beschweren, denn ich finde diese ganzen Stellenanzeigen so ätzend. Warum lügen die (damit meine ich Unternehmen generell) denn so? Damit sich jemand bewirbt, logisch. Aber ich würde mich wohl viel eher bewerben, wenn sie doch ehrlich wären. Immerhin bin ich in meiner Bewerbung doch auch ehrlich (vielleicht hab ich deswegen 12 Absagen bekommen). Ehrlichkeit heißt ja nicht, dass man direkt reinschreiben muss, was im Unternehmen schief läuft. Aber man muss doch nicht sagen, dass man ein "lebendiges Team" ist, wenn alle Angestellten 50 Jahre oder älter sind und sich aber verhalten wie 70 Jährige. Man muss den Arbeitsort auch nicht als "kulturell lebendig" beschreiben, wenn man selbst den Bewerbern davon abrät, die Stadt zu besichtigen (ja, ich beziehe mich auf Kiel). Dass es Leitungswasser gibt, ist mir auch klar, immerhin muss es im Gebäude eine Toilette mit Waschbecken geben.

Mein Chef hatte es ja irgendwie verschlust, die Stellenausschreibung zu veröffentlichen. Ich hab dann eine neue erstellt und die so geändert, dass es etwas ehrlicher ist. Hat ihn ja nicht zu interessieren. Bevor sich jemand beschwert, ja ich hab ihm die vorher nochmal gezeigt und er hat zugestimmt. Ich hab die Ausschreibung am Montag in den ganzen Unigebäuden der Stadt aufgehängt. Das Problem ist wahrscheinlich, dass mein Chef überhaupt niemanden einstellen will (was mir egal sein kann). Zwei Studentinnen haben sich gemeldet. Die eine kenne ich, mein Chef kennt beide. Die zweite kenne ich nur vom Sehen. Das Problem ist, ich kann die eine halt nicht leiden. Und mein Chef hat mich nach meiner Meinung gefragt. Was sagt man denn dann? Ich bin leider zu ehrlich bei sowas. Aber ich hab mir Mühe egeben und sie nur als laut und selbstbewusst beschrieben. Das, finde ich, war das netteste, was ich über sie sagen konnte. Mein Chef erinnert sich, dass sie dick ist. Er hatte gesagt (Zitat) "Ich hab Vorurteile gegenüber Fetten, die vorlaut sind.". Ich glaube, ich hab ihn mindestens 2 Minuten wortlos angestarrt. Was soll man dazu sagen?

Er hatte sie nun schon zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, weil er sich erst nicht mehr erinnern konnte, wer sie war. Die andere Bewerberin hatte Panik bekommen, als sie erfahren hatte, dass sie einen Job machen soll, für den andere eine dreijährige Ausbildung machen. Das ist völlig übertrieben. Natürlich ist das so, eigentlich ist das ein Ausbildungsberuf. Aber nichts davon muss wirklich gelernt werden (meiner Meinung nach). Alle anderen Leute, die vor mir dort gearbeitet haben, und ich, wir konnten das doch auch ohne Vorkenntnisse. Es wirkt nur auf den ersten Blick bedrohlich, wenn man das so hört. Ich wurde damals nicht mal eingearbeitet. Das ist etwas, das ich mir eigentlich vorgenommen hatte, besser zu machen, sobald dann jemand für meine Stelle gefunden wurde. Ja, es ist möglich, das ohne Einarbeitung zu machen, sieht man an meinem Beispiel. Ich hatte in meiner aller ersten Arbeitswoche das Glück, dass außer mir niemand da war und ich so Zeit hatte, um mir jeden Ordner und jede Datei auf dem Computer an zu sehen. Die Struktur dahinter hab ich mir dann selbst erschlossen. Problematisch war das nur, als mich dann ein Kunde angrufen hatte. Ich hatte ja keine Ahnung, was der wollte, weil mir nie gesagt wurde, welche Kunden gerade betreut wurden und was die bei uns gebucht hatten. Das war auch mein erstes "Karen"-Erlebnis, weil ich dann am Telefon angeschrien wurde und nach dem Chef verlangt wurde. Im Nachhinein betrachtet war das auch ein bisschen Schocktherapie.

Naja wie auch immer, ich rege mich jetzt noch ein bisschen auf und werde all das gleich nochmal erzählen, wenn meine beste Freundin zum Kuchen vorbei kommt. Das gute ist, dass ich heute den Kuchen aussuchen kann, also wirds wieder was geben, das zu 90% aus Sahne besteht (ich mag ja keinen Kuchen). Und dann werde ich mich morgen weiter bewerben. Zu 100 Bewerbungen fehlen mir immerhin noch 80 Stück.

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