"Ah, da haben wir ihn ja" sprach An-Tinur zu sich selbst, während er die Räume im Keller kontrollierte.
Klar, rein theoretisch hätte sein Virion Issan natürlich auch in einen echten Raum ohne Türen ganz woanders einsperren können. Aber es gab da ein kleines Problem: So ein Raum musste dann ja auch aufrecht erhalten werden, dafür benötigte man Energie und Kontrolle und auch Lillian war nur ein Wesen dessen Energie und vor allem dessen Kontrollvermögen nicht unendlich war – und auch nicht von unendlicher Reichweite."Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass er ihn nicht angekettet hat" seufzte An-Tinur, denn eine Kette wäre leider keine Illusion und auch für ihn nicht zu öffnen.
Issan, in seiner Zelle, sah nun hingegen voller Verblüffung, wie eine der vier Wände plötzlich zu zerfallen begann, so wie ein Bild auf einem defekten Bildschirm zerfiel. Dann war da plötzlich eine Tür, welche sich öffnete.
"Vonwegen Raum ohne Türen" spottete er sogleich, "du bedienst dich billigster Tricks mein lieber Lillian..."
"Bedient er sich, ja" wurde ihm geantwortet, "aber er ist nicht hier..."
"An-Tinur?" staunte Issan nun, "was machst du hier?"
"Wo nach sieht es denn für dich aus?" erkundigte der sich ironisch, "ich dachte mir nur, du wärst lieber wieder oben am Strand als unten im Keller, wenn du schon hier sein musst."
"Noch lieber wäre ich nicht hier" erklärte Issan.
"Das ist mir durchaus bewusst" entgegnete An-Tinur ihm, "aber daran kann auch ich leider nichts ändern..."Issan brauchte ein paar Sekunden bis er die ganze Tragweite von An-Tinurs Aussage wirklich begriffen hatte während er ihm durch einen langen Gang aus dem Keller heraus folgte.
Dann aber platzte die Erkenntnis voller Entsetzen aus ihm heraus: "Du kannst hier nicht weg ohne ihn? Niemals?"
"Nein, niemals" bestätigte An-Tinur und die tiefe Resignation in seinen Worten ließ sich beinahe mit Händen fassen.
"Weißt du überhaupt wo wir sind?" fragte Issan anteilnehmend.
"Nein. Das hat mir Lillian nie verraten in all' den Jahren" erklärte An-Tinur nun, "ich vermute aber, dass wir noch auf Bumia sind..."
"Warum vermutest du das?" erkundigte sich Issan.
"Es macht nur Sinn mir zu verheimlichen wo wir sind, wenn wir noch auf Bumia sind" erläuterte An-Tinur seine Überlegungen dazu, "denn dann bestände ja für Lillian eine Gefahr, dass ich doch einen Weg fände hier weg zu kommen. Wenn wir irgendwo anders als auf Bumia wären, könnte er mir das ja sagen, da könnte ich mit der Information doch sowieso nichts anfangen..."
"Du könntest mit jemandem Kontakt aufnehmen" erklärte Issan, "deswegen sagt er es dir nicht."
"Genau deswegen vermute ich, dass wir auf Bumia sind" entgegnete An-Tinur, "was soll ich jetzt sagen? 'Vai, ich bin Tinur, ich sitze seit einem Jahrtausend an einem unbekannten Ort fest, bitte rettet mich?' Wenn ich wenigstens sicher wüsste, dass der Ort auf Bumia wäre, dann wäre das schon was anderes..."Issan schwieg und dachte nach, dann meinte er zu An-Tinurs großer Überraschung: "Ich verstehe deine Überlegungen, aber leider spricht das nicht dafür, dass wir uns gerade auf Bumia befinden?"
"Wieso?" war An-Tinur nicht überzeugt, "wenn ich jetzt mitteile 'Vaj, ich bin Tinur und sitze seit einem Jahrtausend an einem Strand auf dem dritten Planeten links im fünften Sonnensystem von rechts unten fest, bitte rettet mich!' was soll das bringen?"
"Jetzt noch nichts" stimmte Issan ihm zu, "aber weißt du, wie weit die Raumfahrt auf Bumia in zweihundert oder fünfhundert Jahren ist?"An-Tinur erblasste sichtlich, als er erkannte, wie zutreffend Issans Überlegungen waren.
"Natürlich" hauchte er mit tonloser Stimme, "er lässt mich jetzt nicht gehen und er hat auch nicht vor es in zweihundert oder fünfhundert Jahren zu machen...
...und er hat vor auch dann noch zu leben..."
"...und er weiß, dass du diese Information auch in fünfhundert Jahren nicht vergessen würdest" ergänzte Issan während sie nun einen Fahrstuhl betraten der sie rasch wieder an das Tageslicht zurückbrachte."Nein das würde ich niemals vergessen" stimmte An-Tinur ihm zu während er vor ihm durch die Aufzugstüren in eine Art Wohnzimmer trat, das eine riesige Glasfront aufwies, durch welche man einen tollen Blick auf das Meer hatte.
"Hast du nie versucht mal am Strand entlang zu gehen und zu gucken wo man hinkommt?" fragte Issan An-Tinur nun.
"Habe ich" erwiderte der, "mehrfach. Aber der dichte Nebel da ist dort immer. Ich bin nie weit gekommen. Oder besser gesagt: Ich bin nie an ein anderes Ende des Nebels gekommen. Nie zumindest bevor ich mich verletzt hatte und/oder Lillian meine Abwesenheit bemerkt und mich zurück geholt hat."
"Was frage ich auch" räumte Issan nun ein, "es war mir doch vorher schon klar, dass dieser Ort dafür konzipiert ist, ihn nicht verlassen zu können..."
"Zumindest für Wesen mit meinen Fähigkeiten" erwiderte An-Tinur traurig.
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Das Erbe der Götter (zensierte Variante)
Science FictionZwanzig Jahre nachdem Trevor die Herrschaft über sein Vaterland zurückgewonnen hat, nähert sich die nächste Generation dem Erwachsenenalter. Einer von ihnen wird das Erbe der Götter antreten können ‐ und müssen? Einer von ihnen wird der nächste Div...