#66 Frage der Mode

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Was bitte zieht man an zum großen Geburtstag seines Sohnes wenn man selbst über dreihundert Jahre alt ist, aber so aussieht als wäre man dessen älterer Bruder?
Terastan fand zum Nachdenken über diese Frage hätte man ihm wirklich etwas mehr Zeit lassen dürfen als vielleicht zehn Minuten.

Doch er fand eine Lösung.
Ich wusste immer, dass es Sinn ergibt das aufzubewahren dachte er sich.
Gut, er hatte da jetzt echt ordentlich Kleiderparfüm reindonnern müssen aber trotzdem.
Ivenej war davon nicht ganz so überzeugt offensichtlich.
"Was ist das?" fragte er kaum, dass er ihn vor Augen hatte.
Trevastan drehte sich zu seinem Bruder herum. Terastan trug eine Tunika aus weißer Seide, einen Hüftgürtel aus blauem, mit Gold belegtem Leder und einen dunkelblauen Paludamentun¹ welcher sehr aufwändig bestickt war, dazu die typischen sorenischen Schnürschuhe die es als modisches Accessoire geschafft hatten sich über zweitausend Jahren zu halten.
Alles in allem ein Kleidungsstil der sich für festliche Anlässe in den Grundzügen in Sore bis in die Gegenwart gehalten hatte. Trotzdem war Trevastan sofort klar, dass das keine zeitgenössische Interpretation des Stiles war, was sein Bruder da am Leibe trug.
"Ich schließe mich deinem Uxvir an" meinte er also, "was ist das?"
"Das habe ich an meinem großen Geburtstag getragen" erklärte Terastan.
"Oh, das erklärt es" konstatierte Ivenej.
"Hey, ihr habt das ewiglange vorbereiten können, ich hatte keine zehn Minuten" verteidigte sich Terastan nun.
"Ich finde es lustig" meinte Trevastan, "immerhin zeigt es einen Vorteil Divinoble zu sein, welcher Mensch passt schon nach so langer Zeit in seine Klamotten vom großen Geburtstag?"
"Das was nach so langer Zeit von einem Menschen noch übrig ist passt da meistens gut herein" bemerkte Ivenej trocken.
"Ha... der war gut" begann Terastan zu lachen während Trevastan verdutzt guckte, dann aber verstand und scherzhaft maulte: "Ach, ihr wisst was ich meine..."
"Gut, dann los, Isador wartet in der Carpezza de Gale draußen auf uns" drängte Trevastan nun zum Aufbruch.

Erst als die protzige Staatskarosse schon auf dem Weg nach Tibur war, wurde Terastan so richtig klar, was hier gerade geschah.
Trevastan, sein Bruder, hatte seinem  Sohn nicht nur eine Geburtstagsfeier von Allerfeinsten ausrichten lassen, auf welche, wegen dem Umstand, dass er dessen Pator war, nicht zu kommen, angesichts der Ausrichter Trevastan und Isador, niemand riskieren würde, nein, darüber hinaus nahm er ihn mit auf diese Feier um öffentlich zu zeigen, dass die Zeiten ihres Zerwürfnisses vorbei waren.
Wen er überlegte wie lange er seinen Bruder gehasst hatte, was für Pläne er geschmiedet hatte um ihn in der Nachfolge von Ieran ab Iovam auszustechen, dann war es nicht nur verwunderlich dass dieser dazu schon jetzt bereit war, es war verwunderlich, dass er überhaupt je dazu bereit war.
Vor allem, da ja nicht er selbst zur Einsicht gekommen war sondern der Uxvir seines Bruders ihn mit einer für ihn selbst bis zu diesen Moment unheimlichen Macht dazu gezwungen hatte.
Isador hatte ihn das Fürchten gelehrt. Ein Gefühl welches er bis dahin nicht kannte. Ein Gefühl welches auch er wie alle anderen Lebewesen dann zu vermeiden versuchte. Das Gefühl zu erleben und dabei zu wissen, dass er bei so vielen Anderen für dasselbe verantwortlich war, hatte Terastans Selbstverständnis ins Wanken gebracht. Vor allem weil Isador das Gefühl selbst gut zu kennen schien und er es dennoch gegen ihn einzusetzen nicht scheute.
Und dann war Ivenej in sein Leben geraten und zum ersten Mal hing sein eigenen Wohlbefinden ganz direkt vom Wohlergehen eines Anderen abhing. Das änderte wirklich alles.
Dazu natürlich Evan sein Sohn. Der litt unter dem Ruf seines Pators und er litt darunter, dass sein Sohn darunter litt. Plötzlich fiel seine ganze Vergangenheit über seinen Sohn wieder als schwere Last zurück auf ihn. Über seinen Sohn, der so ganz anders war als er, so besonnen, friedfertig, auf Ausgleich gerichtet und garnicht auf Ruhm und Macht aus.
Dass sein Bruder ihn nun mit auf diese Feier nahm, ihm öffentlich verzieh in dem er sich nun an seiner Seite zeigte, würde ein Art Schlussstrich unter Vieles ziehen was gerade seinen Sohn belastet hatte.
Terastan wollte nicht soweit gehen zu behaupten er habe das verdient.  Aber Evan, sein Sohn, hatte es verdient. Dafür war er Trevastan zutiefst dankbar. Und es gab ihm Hoffnung, dass auch Trevor und Simur ihm eines Tages wieder würden in die Augen schauen könnten.
Was angesichts der für ihn rätselhaften, für diesen aber offensichtlich sehr beglückenden Beziehung seines Sohnes zu Leton, dem Sohn von Trevor, insbesondere gegenüber diesem von eminenter Bedeutung wäre.
Denn eines durfte nicht passieren, dass seine Vergangenheit der Zukunft und dem Glück von Evan im Weg stände.

Das Erbe der Götter (zensierte Variante)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt