#146 Stätte der Kindheit

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Merans Männer mussten sich garnicht bemühen.
Das Läuten der Zarenglocke war etwas, dass auch das silistrische Staatsfernsehen nicht ignorieren konnte.
Da man aber nicht genau wusste, ob Alexej jetzt tatsächlich gestorben war oder warum die Glocke sonst läuten sollte, übertrug man einfach Live vom Schönen Platz und blendete unten ein: Sie hören die Zarenglocke läuten!

Ohne diese Information hätten auch Alexa und Marlej in Hanyang wenig mit der Übertragung aus Tsarigrad anfangen können. Denn zu ihren Lebzeiten war das bronzene Glockenmonster noch nie erklungen.
So aber war Alexa bestürzt: "Wenn die Glocke läutet, ist Patochka¹ dann tot?"
"Zumindest für die Svyashchenstvo² ist er das wohl" erwiderte Marlej achselzuckend, "oder Onkel Ivenej ist schon in Tsarigrad..."
"Du meinst, die Pfaffen haben Patochka einfach fallen gelassen?" rief sie erbost.
"Die Ratten verlassen das sinkende Schiff..." meinte Marlej gleichmütig.
"Dafür werde ich sie bezahlen lassen" schäumte Alexa nun, "ich werde sie..."
"Lass' gut sein Schwesterchen" unterbrach Marlej sie, "egal ob Vater noch lebt oder nicht, wir werden nie in eine Position kommen in Silistrien, in der wir ansatzweise genug zu sagen haben um deine Rachephantasien in die Tat umzusetzen..."
"Wie kannst du da so ruhig bleiben?" warf sie ihm vor.
"Was ändert es?" entgegnete er ihr, "der Thron von Silistrien wird nun an die Herrenrasse fallen. Das ist der  Lauf des Schicksals. Ob ich ruhig bleibe oder nicht ändert da wenig..."
"Irgendwann sitzen sie auf allen Thronen!" wütete sie.
"Vermutlich" merkte Margon dazu an, "es fehlen ja nur noch Megyarien, Choresmia und Sindhurat...."
"Khamarinien..." warf Marlej ein, doch Margon widersprach: "Du hast selbst Taephorn mit Taeran gesehen. Auch wenn du Taephorn noch nicht zu ihnen zählst, ihr Sohn wird es sein..."
"Sag ich doch" kam es zickig von Alexa, "ihr habt wenigstens noch die Möglichkeit so ein Uxtier zu werden.  Aber wir Frauen haben garkeine Möglichkeit mehr in der Gesellschaft nach ganz oben aufzusteigen. Da hilft es wenig wenn dann von Gleichberechtigung gelabert wird, wenn die Spitzenpositionen nur für eine arschfickende Herrenrasse reserviert sind, hat man als Frau im wahrsten Sinne des Wortes die Arschkarte gezogen. Sieht man ja schon an unserer Mutter!"
"So gesehen...." kam es gedehnt von ihrem Bruder und Margon ergänzte: "So gesehen kann ich Alexas Wut verstehen – im Übrigen, für die große Zahl an Männern die sich nicht vorstellen kann ein Uxvir zu werden, sieht es ja nicht besser aus..."
"Trotzdem werden wir das nicht ändern können" gab sich Marlej nun ganz realistisch, "es ist noch keine drei Wochen her, dass Mechebetto, Wanker und Sakenmann bei ihrem Versuch daran was zu ändern ganz gewaltig auf die Fresse gefallen sind.
Und in irgendeinem sorenischen Loch verrottet auch noch dieser Typ aus Sindhurat...
"...Du meinst Mirbakat of Golconda" warf Margon ein.
"...ja genau der" fuhr Marlej fort, "und Scheleznin sitzt auf einer – wenn auch schönen – Insel, die er nicht verlassen kann, ein Schicksal dessen Glück unsere Eltern sicherlich nicht haben werden sofern sie das überleben. Wenn wir also uns jetzt von unseren Eltern distanzieren haben wir vielleicht soviel Glück wie Scheleznin..."
"Du kannst doch nicht einfach Mama und Patochka verraten!" empörte sich seine Schwester einmal mehr.
"Ich will leben. Und das nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis!" erwiderte Marlej ihr patzig, "mach du was du willst. Hätten unsere tollen Eltern uns vorher gefragt hätte ich ihnen gleich gesagt, dass sie damit auf die Fresse fallen!"
"Ich werde unsere Eltern nicht verraten!" beharrte Alexa.
"Na dann viel Erfolg damit" konterte Marlej sarkastisch, "wenn du Glück hast darf Margon dich zum Ficken ab und zu im Knast besuchen!"
"Du weißt ich stehe immer an deiner Seite" versicherte der Genannte seiner Freundin sogleich, "allerdings bin ich mir nicht sicher ob du da auf dem richtigen Weg bist..."
"Was soll das heißen?" keifte Alexa sofort.
"Das soll heißen, dass dein Stecher dich lieber in Freiheit bespringen möchte" erklärte Marlej ihr sardonisch.
"Hast du auch was anderes im Kopf als den Sex deiner Schwester?" fuhr Margon ihn daraufhin an.
Ungerührt entgegnete er ihm: "Ja, wie ich in der Scheiße die meine Eltern angerührt haben nicht ertrinke! Und wenn meine Schwester auch so klug wäre müsstest du jetzt nicht überlegen, wie du am besten in die Kacke springst um sie da herauszuziehen!"

Das Erbe der Götter (zensierte Variante)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt