07; Mitteilung Der Vergangenheit

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Kira

"Kira, du verreckst gleich an deinem Lachen!" Rief Elena und boxte mich so hart gegen die Schulter, dass ich im hohen Bogen von der Couch fiel und dort meine Lachattacke fortführte. Wir brauchten geschlagene fünf Minuten, bis wir uns endlich wieder beruhigt hatten. Schnaubend holte ich nach Luft und drückte meine Hand gegen den Bauch, da dieser schon vor lauter Lachen anfing weh zu tun. Elena schien es nicht anders zu ergehen, denn sie saß gekrümmt da und konnte sich ein erneute, angedeutete Lacher nicht verkneifen. Es war wie in so einer Sitcom mit Hintergrundgelächter. Aber nur, bis Elenas Handy mit einem Lied klingelte, dass ich kannte. Ich verdrehte die Augen und Elena warf mir einen schmunzelnden Blick zu, bevor sie abhob.

"Hallo?" Sagte sie und lauschte in den Hörer. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. "Was? Dylan? Bist du es wirklich?" Quiekte sie auf einmal und ich fuhr vor Schreck zusammen. Dieser Dylan schien ja bedeutend zu sein. "Oh mein Gott, ich hab dich ja sooooo lange nicht mehr gesehen!" Das so zog sie besonders lang. "Genau! Wie geht's dir?" Fragte sie und lauschte gespannt auf Dylans Antwort. "Könnte nicht besser laufen!" Sagte sie. "Nein, ich bin bei einer Freundin, warum fragst du?" Wieder ein aufgeregtes Quieken und wieder ein erschrockenes Zucken von mir. Dylan am anderen Ende der Leitung musste mittlerweile taub sein. "Oha echt? Wie toll! Warte, ich schicke dir die Adresse von meiner Freundin, dann kannst du vorbei kommen, okay?" Sie hielt das Telefon von ihrem Ohr weg. 

"Hast du ein Problem damit, wenn ein alter Freund von mir vorbei kommt?" Fragte sie mich und da war wieder dieser Hundeblick, den ich trotz meiner Position auf dem Boden genau deuten konnte. Ich schüttelte den Kopf und verdrehte lachend die Augen als Reaktion auf ihren Blick. "Dafür brauche ich deine Adresse." Elena hielt mir ihr Handy hin und ich tippte schnell meine Adresse ein. Sie grinste über beide Ohren und drückte sich wieder den Hörer ans Ohr.

"Hast du sie bekommen? Okay, dann bis später!" Dann legte sie auf und ihr Grinsen hörte nicht auf. Ich legte den Kopf schief und sah sie an. War dieser Dylan etwa nur ein Freund, oder ihr Freund Freund? Naja, mir konnte es eigentlich auch egal sein.

"Und woher kennt ihr euch?" Fragte ich und pflanzte mich wieder neben Elena auf die Couch. Sie setzte sich aufrechter hin und legte ihr Handy auf den Wohnzimmertisch.

"Er ist der Bruder von meiner besten Freundin." Begann sie.

"Und naja, früher haben ich und Julia und Dylan viel rumgehangen und so. Die beiden waren quasi meine besten Freunde. Mit Julia konnte man allen Scheiss machen und mit Dylan konnte man einfach super reden. Er hatte immer die passenden Antworten auf Lager. Konnte manchmal aber auch anstrengend sein, weil er immer das letzte Wort haben musste."

Sie stoppte kurz mit ihrer Erzählung und fuhr sich durch die langen Haare, bevor sie wieder anfing zu sprechen.

"Vor siebzehn Jahren ist Julias Mum abgehauen. Es war komisch, sie hat nie auch nur irgendwelche Andeutungen gemacht oder ihren Kindern irgendetwas erzählt, sie ist einfach gegangen. Auch zwischen ihr und Julias Dad war immer alles in Ordnung. Zumindest schien es so. Und dann war sie von heute auf morgen einfach weg." Elena schaute zum Fenster, doch ich wusste, dass sie in Wirklichkeit Bilder aus der Vergangenheit vor ihrem inneren Auge sah. Man konnte es ihrem Blick ansehen, sie starrte zwar in den Garten, jedoch sah sie etwas anderes. Das mit dem Bilder aus der Vergangenheit sehen kannte ich nur zu gut. Ich ließ sie in ihren Gedanken, bis sie sich nach ein paar Minuten von selbst wieder zu mir umdrehte.

"Einfach weg." Sie schüttelte den Kopf, sah auf den Boden und blickte dann wieder zu mir.

"Hey, alles okay?" Fragte ich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Elena schniefte und eine einzelne Träne rollte über ihre Wange.

"Tut mir leid." Sie drehte ihren Kopf weg und wischte sich mit der Hand die Tränen von den Wangen.

"Was tut dir leid?" Elena wandte sich wieder an mich und sah mich wieder an.

"Ich heule hier gerade, weil die Mutter von meiner besten Freundin vor siebzehn Jahren abgehauen ist. Und zwar heule ich dir die Ohren voll." Sie seufzte. "Das, tut mir leid."

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, es muss dir nicht leid tun. Du hast eine Person verloren, die dir anscheinend viel bedeutet hat, das ist nie leicht." Elena wandte sich nun wieder ganz mir zu und ihre blauen Augen glitzerten von den Tränen leicht. 

"Hast du jemanden verloren, der dir viel bedeutet hat?" Dieses Mal schwieg ich und blickte nur mit starrem Blick auf den Boden.

Ich hatte nicht vorgehabt, Elena die Geschichte von Logan zu erzählen. Ich hatte nicht vorgehabt, es irgendwem zu erzählen, der es nicht schon längst wusste. Ich wollte es verdrängen und versuchen, nicht so oft an diesen Teil meiner Vergangenheit zu denken. Ich wollte egoistisch sein und mein Leben leben.

"Ja." Ich seufzte und meine Unterlippe begann augenblicklich zu zittern.

"Bist du deswegen so ein abweisender Mensch?" Ich schaute sie wieder an. "Also ich meine das nicht negativ. Aber ich dachte mir direkt, dass dir irgendwas in der Vergangenheit zugestoßen ist, weswegen du niemanden an dich ranlassen willst." Wieso konnte sie mich nach einem Tag unserer Bekanntschaft schon so gut einschätzen?

"Ja."

"Wer?" Fragte sie vorsichtig mit leiser Stimme. Ich schluckte.

"Mein bester Freund."

"Wo ist er jetzt?"

"Ich hoffe an einem guten Ort. Er hätte es verdient." Elena schien zu verstehen, was ich damit meinte, und ich konnte nun die Tränen nicht mehr länger zurück halten. Sie nahm mich in den Arm und ihre Umarmung tröstete mich wirklich. Es war eine ehrliche Umarmung.

"Wieso..." Hauchte sie und ich hörte, dass auch ihre Stimme leicht zitterte. "Wieso ist er gestorben?" Fragte sie vorsichtig als könnte ich zerbrechen würde sie es zu laut aussprechen.

"Er hatte Krebs." Elena nickte und wischte mit ihren Daumen die Tränen von meinen Wangen.

"Er war bestimmt ein toller Mensch, wenn er deine Freundschaft genießen durfte." Sagte sie und es klang so furchtbar ehrlich.

"Du bist auch meine Freundin." Meinte ich nur und umarmte sie wieder, was sie sofort erwiderte.

"Dann kann ich stolz auf mich sein." Schniefte sie. "Danke, dass du es mir anvertraut hast."

Etwa 45 Minuten später saßen Elena und ich vor meinem Laptop und schauten uns die neueste Folge von Two And A Half Men an.

Elena kommentierte die ganze Zeit irgendein Zeug, was mir nie aufgefallen wäre, hätte sie es nicht gesagt. Es war amüsant mit ihr Serien zu schauen, weil sie total in der Folge drin war und sich durch nichts davon ablenken ließ. Draußen könnte eine Kuh in den Garten fallen und sie würde trotzdem noch diese Folge zu Ende schauen. Sie war das perfekte Beispiel für einen Serienjunkie. Wir sollten ne Religion draus machen.

"OMG Ashton Kutcher ist so heiß!" Quiekte sie alle fünf Minuten. Ich verdrehte nur die Augen, auch, wenn ich eigentlich der gleichen Meinung war. Als die Folge vorbei war, meinte Elena, sie müsse mal auf die Toilette.

"Die Treppe rauf und die zweite Tür links." Sagte ich und Elena verschwand nach oben.

Derweil stellte ich mich vor den Spiegel im Flur und betrachtete mein Gesicht.
Meine Augen waren nicht mehr so gerötet, aber mir fiel auf, dass meine Haare die totale Katastrophe waren. Kurzerhand band ich sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen und stellte fest, dass lauter kleine Hubbel durch das zusammennehmen der Haare entstanden waren. Oh Gott, wie ich das hasste. Plötzlich zuckte ich vor Schreck zusammen, da es an der Haustüre geklingelt hatte. Das war wahrscheinlich Dylan. Der Freund oder ein Freund oder der beste Freund oder der Freund Freund von Elena. Ich schlurfte zur Türe und öffnete sie.

Der fremde Junge hatte auf den Boden geschaut und blickte hoch, als ich die Türe öffnete.
Ich starrte direkt in seine braunen Augen. Seine Haare hatten ein tiefes dunkelbraun und standen leicht von seinem Kopf ab, er hatte ein paar Kratzer im Gesicht und an seinen Armen, die nicht bedeckt waren, da er ein blaues T-Shirt anhatte, befanden sich um die fünf Pflaster. Die Jeans, die er trug, war eng mit Löchern an den Knien und seine schwarzen Vans abgetragen.

Und das einzige, was ich tat, er tat, wir taten, war, uns gegenseitig mit offenen Mündern anzustarren.

Alive - Dylan O'Brien AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt