40; Eine Riesige Welle

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Dylan

Ich hatte mich in meinem Leben noch nie so erbärmlich gefühlt. Da war eine Leere in mir, die mich zu erdrücken versuchte. Ich seufzte tief und gab mein Bestes, die Tränen, die hinter meinen Augen brannten, zurückzuhalten. Ich lag seit mindestens zwei Stunden auf meinem Bett und hatte mich keinen Zentimeter bewegt.

In der Schule hatten wir mal etwas über Albträume gelernt. Es gab eine sogenannte Schlafstarre oder auch Schlafparalyse genannt. In dieser Phase ist man sich durchaus bewusst, dass man träumt, jedoch ist man nicht in der Lage sich zu bewegen. Und genau dieses Gefühl hatte ich gerade.

Wahrscheinlich nur, weil ich hoffte, dass es alles nur ein dummer Albtraum war.

Ich hatte keine Zweifel mehr daran, ob die Aussage meiner Mum falsch war, denn laut den Adoptionspapieren und dem ganzen anderen Kram, war es tatsächlich die Wahrheit. Ich schluckte den Klos mit dem leichten Würgegefühl in meinem Hals hinunter und kniff meine Augen fester zusammen. Wie konnte das nur wahr sein? Einmal in meinem Leben hatte ich Glück und jemanden gefunden, den ich wirklich liebte, abgesehen von meiner Schwester, und direkt wurde mir dieser jemand wieder aus meinen Händen gerissen.

Die Vorfreude auf ihre baldige Ankunft war wie weggeblasen und ich hoffte inständig, dass ihnen etwas dazwischen käme und sie doch nicht anreisen würden.

Ich wurde von dem Klingeln meines Handys aus meinen Gedanken gerissen und starrte auf den Bildschirm, wo zum Glück nicht der Name meiner Halbschwester, sondern ihrer besten Freundin erschien. Wenigstens fühlte ich mich in der Lage, mit Elena zu sprechen, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich es ihr direkt erzählen sollte; ob ich es überhaupt jemandem erzählen sollte. Denn manchmal war eine Lüge besser für das Allgemeinwohl als die Wahrheit. Und mir war es verdammt nochmal egal, ob es egoistisch von mir war.

"Hallo, mein Freund von der anderen Seite des Sees!" Ertönte Elenas wie immer enthusiastische Stimme aus dem Hörer, sobald ich den Anruf entgegengenommen hatte.

"Hey." Brachte ich nur zu Stande und bekam ein kurzes Schweigen vom anderen Ende der Leitung.

"Okay, spuck's aus. Was ist passiert?"

"Nichts." Log ich ohne zu zögern und Elena ließ ein ironisches Lachen heraus.

"Wenn nichts ist, dann heiße ich Karl Heinz."

"Dann gewöhn dich an deinen neuen Namen, Karl Heinz." Zischte ich genervt und ihr Lachen verstummte.

"Dylan O'Brien, du sagst mir jetzt sofort, was passiert ist oder ich schwimme eigenhändig über den Pazifik zu dir, um dir in den Arsch zu treten."

"Atlantik." Verbesserte ich sie und konnte sie schon augenverdrehend vor mir sehen. "Nordatlantik, um genau zu sein."

"Prahl nicht so mit deinen geographischen Kenntnissen, Nerd steht dir nicht." Zischte sie nun leicht genervt und ich seufzte resigniert.
"Sag schon, was ist passiert."

Ich holte tief Luft und erzählte ihr die grauenvolle Geschichte von A bis Z. Sie gab währenddessen keinen Mucks von sich und schließlich bekam ich ein Seufzen nach dem anderen.

"Wow." Hauchte Elena. "Das hätte ich jetzt echt nicht erwartet."

"Ich hab echt so verschissen, oder?" Murmelte ich und ließ mich wieder auf mein Bett fallen.

"Hey, wehe du versinkst jetzt in Selbstmitleid! Reiß dich zusammen und ruf sie an." Ordnete sie mir an und ich konnte diesmal kein Stückchen Euphorie oder Ironie in ihrer Stimme hören. Da war nur purer Ernst, der mir von ihr gar nicht bekannt war.

"Ich kann ihr das nicht antun, sie hat schon Logan verloren. Sie kann nicht auch noch mich verlieren."

"Das bedeutet aber auch nicht, dass du ihr irgendetwas vorspielen sollst, schließlich ist sie dir doch wichtig, oder?"

"Mehr als alles andere, und das macht mir Angst. Ich will sie nicht verlieren, Elena... Ich kann sie nicht verlieren." Die Verzweiflung in meiner Stimme überraschte mich selber und Elena schwieg für einen Moment, bevor sie wieder das Wort ergriff.

"Du wirst sie nicht verlieren, sie liebt dich. Sie wird dich nicht so einfach aufgeben. Und sie wird einen Weg suchen, um eure angebliche Verwandtschaft zunichte zu machen. Und ich hoffe, nein ich verlange von dir, dass du das gleiche tust."

"Aber ich habe schon alle Papiere und so durchgelesen, die leider dafür sprechen."

"Kann es nicht sein, dass deine Mutter sich das alles nur ausdenkt? Ich meine, die Frau hatte sie noch nie alle beisammen..."

"Hey, so verkorkst ist sie nun auch wieder nicht." Widersprach ich ihr mit einem Schmunzeln.

"Schweif nicht vom Thema ab, O'Brien. Also, denkst du nicht auch, dass das alles viel zu gut passt? Ich meine, du kommst aus England zurück und sie taucht auf, versucht den einzigen Menschen, der dich wirklich glücklich macht, aus deinem Leben zu schubsen? Dein Dad hat doch immer gesagt, dass sie die Eifersucht in Person ist, und eine derartige Person wäre dann auch zu so einer gewaltigen Lüge bereit, nur um die Menschen bei sich zu behalten, die sie liebt."

"Aber die Schwangerschaft war doch der Grund, weshalb sie damals gegangen ist."

Ich hörte ein Seufzen von der anderen Seite der Leitung und setzte mich wieder auf.

"Wie alt ist Kira?"

"16."

"Richtig, und wie alt bist du?"

"17, aber -"

"Großartig, und in welchem Monat bist du geboren?"

"August." Antwortete ich zögernd, war mir nicht sicher, was sie von mir wollte.

"Und Kira ist in welchem Monat geboren?"

"März."

"Dann zähl eins und eins zusammen und sag mir Bescheid, wenn du soweit bist."

Ich klappte meinen Mund zu, der bist gerade offen gestanden hatte.

Also, ich war im August geboren und Kira im März. Da ich älter war, war sie in dem Jahr geboren, das auf mein Geburtsjahr folgte. Meine Mutter hatte uns verlassen, als ich ein Jahr alt war... Demnach müsste Kira aber zwei Jahre jünger sein als ich.

Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn und verfluchte mich selbst für meine Dummheit.

"Es kann gar nicht stimmen. Es sei denn, Kira ist erst fünfzehn."

"Woah. Du Blitzmerker, ich hab dir eigentlich länger als ne halbe Minute gegeben."

"Oh mein Gott."

"Das nächste mal denkst du erst nach, bevor du so ne Welle machst."

"Ich werd's mir merken." Erwiderte ich und ließ mich vor Erleichterung wieder mit dem Rücken auf mein Bett fallen.

Der Albtraum war vorbei.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 03, 2017 ⏰

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