Colin Staffel 2 etwas anders

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Nur ein paar Szenen

Ich schaue Colin nach, wie er in die Dunkelheit verschwindet. Auch wenn ich verstehe, dass er viel um die Ohren hat. So verstehe ich nicht, weshalb er mich wegstößt, sobald es schwierig wird und mich nicht in sein Leben einbezieht.
Samuel schleicht sich in meine Gedanken, er wird heiraten. Heißt es da nicht „in guten wie in schlechten Zeiten"? Ist das nicht auch für eine Beziehung wichtig?
Es schnürt mir die Kehle zu, als ich minutenlang auf den Punkt starre, an dem seine Gestalt letztlich verschwand. Zitternd stehe ich im Regen.

Ich habe meinen Job für meine Musikkarriere aufgegeben. Ich sollte mich darauf konzentrieren. Morgen will unser Manager den neuen Drummer hören. Kreuz und quer schießen meine Gedanken in meinem Kopf herum.

Aber wie soll ich noch spielen? Es zerreißt mich. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich sacke auf dem Steg auf meine Knie und beginne laut zu schluchzen.
Die Wellen branden an das Holz und übertönen mich.
Warum tut er mir das an? Er will eine Pause? Er liebt mich, aber er stößt mich weg.
Die Trauer der letzten Tage mischt sich mit Wut und ich schreie das Meer an.
Ja, seine Eltern sind gestorben, das ist schrecklich, aber keine Entschuldigung dafür, dass er mich mit Füßen tritt. Dass er uns wegwirft.
Wer sagt, dass ich auf ihn warte nur, weil er es sich so vorstellt.
Ich liebe diesen scheisskerl mehr als mein Leben, aber deshalb hat er nicht das Recht mich derart mies zu behandeln!
Kein Kerl sollte dir das antun dürfen!
Ich schreie so laut und so lange ich kann. Immer wieder brülle ich gegen den Wind und die Wellen an, bis mir letztenendes meine Stimme versagt.

Ich will nicht zurück zu Malaika. Ich möchte nachhause. Die Tür hinter mir schließen und für mich sein.
Mit meinen Gefühlen, die Achterbahn fahren.

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Am nächsten Tag um 11 Uhr sitzen wir zusammen im Büro des Managers.
Ich trage eine große Sonnenbrille und habe bisher kaum geredet. Meine Stimme ist nur noch ein leises krächzen und meine Augen sind rot unterlaufen.
Lasst uns das Ganze einfach schnell hinter uns bringen.
Mein Hirn hämmert wild gegen meinen Schädel. Ich kann dem Gespräch kaum folgen. Als alle plötzlich aufstehen, ist das dann wohl unser Stichwort. Wir gehen ins Studio, damit der Produzent Derek spielen hört.
„Na, was denn mit dir heute los? So schweigsam? Machst du Colin Konkurrenz?", scherzt Adam.
Bei der Erwähnung seines Namens rümpfe ich die Nase.
„Mhhm, schlecht geschlafen", brumme ich leise.
Ist noch nicht mal gelogen. Denn ich habe kaum geschlafen.

Doris und Derek gehen an die Instrumente. Ich bleibe etwas abseits stehen.
„Braucht die Dame eine extra Einladung?"
„Was ich? Sie wissen doch wie ich spiele", krächze ich.
„Ich will euer Zusammenspiel hören! Was ist mit deiner Stimme."
„Etwas erkältet", lüge ich.
„Dann kannst du heute nicht singen?"
Ich gehe ans Keyboard: „wir werden sehen", sage ich.
Bereits die ersten Töne bereue ich. Mein Kopf explodiert gleich unter schmerzen.
Ich versuche durchzuziehen, aber mein Rhythmus passt nicht.
„Was soll das?", blufft der Produzent ins Mikro.
Doris und Derek sehen mich vorwurfsvoll an.
In diesem Moment würde ich am liebsten alles hinschmeißen.
„Müssen wir es verschieben, wenn du krank bist?"
Ich weiß, dass dies eine rhetorische Frage ist, wir bekommen keine weitere Chance.
Ich schüttel den Kopf und richte meinen Blick auf das Keyboard.
Ich zähle an, bevor wir erneut beginnen.
Konzertiert schaffe ich es eine technisch einwandfreie Performance zu liefern.
Rhythmus und Töne waren korrekt.
Hoffentlich reicht das für heute, mehr schaffe ich echt nicht. Die Erinnerungen, welche sich gerade einen Weg an die Oberfläche Bahnen treiben mir schon wieder die Tränen in die Augen. Ich erinnere mich daran, als ich mit Colin unseren ersten gemeinsamen Song aufgenommen habe. Hier in diesem Studio.
Ich schließe die Augen und drücke die Tränen beiseite.
Balle meine Fäuste um mich auf meine Wut zu konzentrieren. Ich bin lieber wütend als traurig.
Kann ich jetzt endlich gehen?
„Ok, das war ganz gut, aber ihr solltet noch etwas üben", erklärt uns der Produzent.
Ja klar, in Colins Keller, super.
Darauf habe ich echt keinen Bock. Lasst mich doch alle gerade mal bitte in Ruhe.

Ohne mich zu verabschieden presche ich aus dem Studio hinaus durch die Gänge Richtung Ausgang. Ich glaube Doris hat mir noch etwas hinterher gerufen.
Scheiss drauf! Ich will hier einfach raus.

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Endlich fällt meine Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Ich bin noch einigen Fans begegnet, bevor ich endlich wieder in meiner Wohnung angekommen bin.

Jacke und Schuhe landen in einer Ecke. Ich falle einfach auf die Couch und will nichts von dieser bizarren Welt mehr hören.

Als ich die Augen öffne ist es bereits dunkel. Ich bin auf der Couch eingeschlafen.
Verschlafen greife ich zu meinem Handy ein paar verpasste Anrufe, Nachrichten von Lisa, Matt, Malaika, Adam.
Nur den Namen, den ich sehen will ist nicht dabei.

Ich stehe torkelnd auf, gehe ins Bad und ziehe mich um. Meinen Kuschelanzug im Schlabberlook, passt perfekt zu meiner Stimmung.
Ich gehe in die Küche, und mache mir ein riesiges Eis. Mal schauen was die Knabberecke noch so hergibt.
Ein paar Chips, Gummibärchen und Schokolade. Perfekt.
Mit meiner Ausbeute gehe ich zurück auf die Couch und schalte den Fernseher an.
Mein Telefon klingelt erneut.
„Lasst mich doch alle in Ruhe!", brülle ich dem nervigen geklingel entgegen.
Nachdem es endlich sein Gepiepe eingestellt hat, schalte ich es aus.
Auf der Couch schnappe ich mir eine Fernbedienung und scrolle mich durch Netflix.

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Ein dumpfes Hämmern reist mich erneut aus dem Schlaf.
Ich brauche etwas Zeit bis ich mir bewusst werde, dass jemand vor meiner Tür steht und wild darauf einschlägt.

„Ja Moment!", Murmel ich mehr zu mir selbst.
Langsam stehe ich auf und schleppe mich zur Tür. Ich bin total gerädert. Meine Couch ist nicht die bequemste.

„Rachel, los mach auf!"
Matt. Jetzt habe ich keine Lust mehr zu öffnen.
„Was willst du?", frage ich durch die Tür.
„Wir sind verabredet, hast du das vergessen?"
Verabredet? Das bezweifle ich.
„Mittagspause! Nur weil du nicht mehr arbeitest, musst du nicht den ganzen Tag verpennen!"
„Geh wieder arbeiten!"
„Mach auf!"
Ich stehe hinter der Tür und lege meine Stirn an der Wand ab. Ich habe jetzt keine Lust auf sein Dauergrinsen und seine gute Laune kann er sich sonst wo hinstecken.
„Rachel mach auf, ich habe mit Colin geredet. Ich finde, dass er einen Fehler macht."
Ha, nur einen?
„Matt bitte, ich will jetzt alleine sein."
„Wenn du mich nicht reinlässt, setzte ich mich vor deine Tür!"
„Geh nachhause!"

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Mittlerweile sind es drei Monate in denen Colin sich eine Auszeit von uns genommen hat. Ich fühle mich innerlich noch immer leer, aber ich funktioniere. Wir spielen die Songs, nehmen das Album auf und planen die Tour. Auf die nervigen Fragen, wie ich mich fühle, antworte ich mittlerweile mit einem geübt lässigen Lächeln, dass es
Mir gut geht und ich mich auf die Tour und das Album freue.
Irgendwie stimmt das ja auch. Ich will ihnen nicht erklären, dass nichts mehr Sinn ergibt.

Als wir die letzten Töne des letzten Songs eingespielt haben, fallen wir uns alle erleichtert um den Hals.

„Das war großartig", verkündet unser Manager.
„So, in 6 Wochen erscheint das Album, dann geht es auf Tour quer durch die Staaten."

Es sollte sich gut anfühlen, oder?Das 2. Album, wir sind fertig. Monatelange Arbeit hat sich endlich ausgezahlt. Woher kommt dieses leere Gefühl im Magen.
„Hey,Täubchen, mach nicht so ein Gesicht!"
Adam klopft mir auf die Schulter. „Bis zur Tour bin ich fit und kann wieder spielen."
Das breiteste Grinsen ziert mein Gesicht. Den Kopf bette ich auf seiner Schulter. „Das klingt gut. Wir starten wieder durch." Ich versuche euphorisch zu klingen.
Nach Adams zufriedenen Gesichtsausdruck scheine ich dies geschafft zu haben.

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Der Rausch, der Bühne hatte mich schon längst wieder in seinen Fängen. Auch wenn die ersten Auftritte vielleicht etwas holprig verliefen, so haben wir mittlerweile einen guten Flow gefunden.

In den letzten 8 Monaten habe ich wieder zu mir selbst gefunden. Mit Hilfe meiner Freunde habe ich mir mein Leben ohne Colin eingerichtet.
Lisa möchte mich mit ihren Bekanntschaften verkuppeln, aber dafür bin ich noch nicht bereit. Colin war meine große Liebe! Auch wenn ich jetzt wieder ohne Heulkrämpfe durch den Tag komme, möchte ich mich auf keinen Fall erneut binden. Ich will nicht von der einen toxischen Beziehung in die nächste stürzen.
Jetzt gehört meine ganze Aufmerksamkeit der Musik!
Und vielleicht dem Fan, der sich neben mir im Bett räkelt... nur weil ich nichts festes suche, heißt es ja nicht, dass ich nicht ab und an etwas Spaß haben darf.

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