Jagdausflug 1 (Stella&Adam)

35 4 2
                                    

Tom Crawford sitzt am Kopf der Familientafel und trinkt gerade einen Schluck aus seinem Glas Wein als Chen-Lu den heutigen Hauptgang serviert.
„Ente im Speckmantel", lässt der kleine Mann sie wissen.
„Das riecht köstlich", stellt Erik fest. „Für dich riecht alles köstlich", kommentiert Joe.
„Da ist was dran", amüsiert sich Adam.
Schmunzelnd lädt sich Stella etwas von dem Kartoffelbrei auf ihren Teller und nimmt sich ein wenig Fleisch.

„Ich habe heute einen Brief von meinem alten Freund George aus New York erhalten. Er und seine Frau Anita werden uns in den nächsten Tagen besuchen. Er möchte sich einige Immobilen in der Gegend ansehen. Ich helfe ihm dabei etwas. Vielleicht könntet ihr euch um seine Frau kümmern."
Es wurde kurz still und alle Augenpaare richten sich auf Stella. Sie hat zwar zugehört, fühlte sich jetzt aber nicht unbedingt angesprochen.
Nach einigen Augenblick der Stille hebt sie den Blick von ihrem Teller: „Was? Ich?"
„Abby ist diese Woche bei ihrer Tante in New Orleans", erinnert Erik.
„Nur weil ich eine Frau bin, richtig?"
Die betretenen Gesichter in die sie starrt, sind Antwort genug.
„Ihr wisst, dass ich mich hier nicht auskenne und uns sowieso immer jemand von euch begleiten muss?"
Plötzlich sind ihre Teller wieder interessant und jeder stochert in seinem Essen herum.
„Stella hat recht, einer von euch wird die beiden begleiten müssen", bestimmt Tom.
„Ich denke, das sollte Joseph übernehmen", beschließt Adam.
Überrascht schaut Stella zu ihrem Mann, der weiterhin den Blickkontakt zu ihr meidet.
„Ich? Ich denke, du stehst bei ihr höher im Kurs!"
Die Dunkelhaarige runzelt ihre Stirn. Irgendwas hat sie verpasst.
„Würde mich jemand aufklären?"
Mit einem breiten Grinsen setzt Joseph an, wird aber von Adam unterbrochen.
„Bevor Joe hier wieder etwas lostritt und ich am Ende ein blaues Auge habe, werde ich es dir erzählen. Anita stammt hier aus der Gegend und bevor sie George kennenlernte, war sie..." er bricht ab und scheint nach den richtigen Worten zu suchen.
„...sehr begeistert von Adam. Ich bin mir sogar sicher, sie hat bereits eure Hochzeit geplant", scherzt der Jüngste.
„Er verschwand tagelang, wenn sie mal wieder mit ihren Eltern zu Besuch war. Ehrlich gesagt, war es ganz lustig mit anzusehen."
„Ich fand es weniger amüsant!", knurrt Adam.
Sie muss zugeben, mit diesem Wissen, findet sie es nun ebenfalls weniger spaßig.
„Sie ist jetzt verheiratet", erinnert Erik. „Ihr Mann ist schließlich auch dabei. Da wird sie sich doch bestimmt nicht diese Blöße geben."
Stella beobachtet die Drei, besonders Adam scheint das nicht zu glauben.
Seufzend beschließt sie, das Ganze auf sich zukommen zu lassen.

*********************************

Einige Wochen später fährt die Kutsche mitsamt den Passagieren vor. Erik war das Los zugefallen, die Gäste in Virginia City abzuholen. Stella steht vor der Tür und wartet. Die wenigen Details, die Adam ihr von Anita und deren Verhalten berichtet hatte, trugen nicht dazu bei, dass sie diese Frau mochte. Dennoch nahm sie sich vor davon nicht beeinflussen zu lassen.
Von hinten schiebt sich ein Arm um ihre Hüfte. Ihr Mann tritt neben sie. Den Blick auf den Wagen gerichtet, beginnt er ihren Hals zu küssen.
„Was tust du denn da?"
„Ich würde sagen, mein Revier markieren, aber in diesem Fall, markiere ich deines."
„Was?"
Mit zwei Fingern unter ihrem Kinn dreht er Stellas Kopf zu sich und verschließt ihre Lippen mit den seinen. Die Hände auf ihren Schultern, dreht er sie in seine Arme. Ihre Finger legen sich auf seine Brust und krallen sich an seinem Hemd fest. Sanft streicht er über ihren Rücken, bis zu ihrem Hintern. Er schafft es immer wieder, dass sie alles um sich herum vergisst. Sie fährt in seinen Nacken und greift ins Haar. Der schwarze Cowboyhut rutscht dabei von seinem Kopf und landet im Staub. Ihre Atmung beschleunigt sich schlagartig, als er sie fester an seinen Körper presst.

Ein Räuspern direkt neben ihnen lässt die beiden Innehalten und den Kuss lösen.
„Dies hier ist der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt", brummt Tom.
„Nein! Es ist der perfekte Ort und die richtige Zeit!", widerspricht Adam.
Stella senkt ihren Kopf, sie versucht nur wieder zu Atem zu kommen.
„Willst du mir verbieten, meine Frau zu küssen?"
„Nein, jedoch was du hier gerade vollführt hast, gehört in euer Schlafzimmer und nicht auf die Veranda unseres Hauses!"
Da kann Stella nur schwer widersprechen, ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals. Die Beine zittern.
„Entschuldige." Hört man ein leises Murmeln.
„Du musst dich nicht entschuldigen, ich kenne meinen Sohn. Und so etwas wächst nur auf seinem Mist."
Das freche Grinsen auf Adams Lippen zeigt, dass er den Tadel von seinem Vater nicht wirklich ernst nimmt.
Die junge Frau strafft ihre Schultern und richtet sich wieder auf.
„Du siehst bezaubernd aus", stellt Adam fest.
„Ok, hör auf mit den Schmeicheleien, wir haben Besuch!"
„Stella hat recht, du solltest dich jetzt um unseren Besuch kümmern!"
Seufzend wendet er sich nun der Kutsche zu. Joseph und Erik haben bereits das Gepäck abgeladen und den beiden vom Wagen geholfen.
Tom geht mit ausgebreiteten Armen auf seinen Freund zu und begrüßt diesen überschwänglich.
Adam greift nach Stellas Hand, als sei er ein ertrinkender, der sich an einem Rettungsboot festkrallt. Verwirrt blickt sie zu ihrem Mann, es muss ihn wirklich schwerer belasten, als sie dies angenommen hatte. Sie drückt ihm noch schnell einen Kuss auf die Wange und erhält ein dankbares Lächeln.

KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt