Tiefer Schmerz

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Die Finsternis breitete sich um mich herum und umschloss mich wie in einen Boxring ein ebenso wie meinen Vater, der einen Dämonen auf der Schulter sitzen hatte. Sobald ich meinen Bauern in der Mitte des Brettes abgestellt hatte verfinsterte sich nicht nur die Umgebung um mich herum sondern auch die gegnerische Hälfte des Brettes. Ich konnte also die Hälfte meines Vaters sehen und wusste nicht was er vorhatte, aber was war das. Zwei parallele Felder Diagonal vom gezogenen Bauer waren nicht im Nebel. Was hatte das zu bedeuten?

„Dir ist was aufgefallen, Tochter? Aber du wirst noch drauf kommen. Die Macht die ich besitze ist stark, aber ich musste dafür dir eine Möglichkeit geben um es für die Regeln der Finsternis noch zu erlauben. Aber ich mache nun einen Zug und du bist dran."

Während er mit mir sprach konnte ich das Gesicht erkennen, dass nicht mehr meinem Vater glich. Er war mehr ein Wesen bestehend aus nebligen Rauch und spitzen Zähnen, das violette Augen hatte. Unheimlich und Furchterregend. Dann verschwand das Wesen wieder und wurde eins mit der schwarzen Schattenwand.

„Ich spiele meinen Bauern noch ein Feld vor!"

„Das wird nicht möglich sein. Der Weg ist versperrt und Bauern können laut den Regeln so nicht schlagen nur immer ein Feld schräg. Du darfst ausnahmsweise einen anderen Zug machen, da wir mit der Berührt Regel spielen."

Ich hatte in dem Moment Glück gehabt. Die Berührt Regel war etwas besonders und musste beachtet werden. Wenn man eine Schachfigur anfasste, dann musste man diese auch ziehen und wenn man selbst die berührte Dame einstellt, da man ein Schach abwehren musste. Das machte das ganze Spiel hier noch schwieriger, aber es half mir in diesem Moment auch ein wenig, da ich wusste, dass etwas auf dem Feld stand.

„Da steht dein Bauer. Habe ich recht?"

Die violetten Augen wurden größer und schauten mich mit Angst an.

„Woher weißt du das?"

„Ist doch logisch. Der Königsbauer kann nur mit einem Doppelschritt vor und da wir den ersten Zug gemacht haben gibt es nur einen Stein, der da hin kann."

„Gut. Ich sehe du hast in meinem Unterricht aufgepasst und auf deiner Reise viel gelernt und gesehen, aber es wird nicht so einfach sein für dich. Mit jedem Zug wird die Stellung komplizierter."

Da hatte mein Vater leider recht und ich nickte nur schwach mit meinem Kopf, aber ich musste diese Prüfung bestehen. Schon wenn ich diesen tiefen Schmerz in meiner Brust besiegen wollte. Nachdem ich mich sehr lange passiv aufgebaut hatte um alle möglichen Angriffen auszuweichen, die aus dem Nebel wie geschossene Pfeile, die im Nachthimmel auf einen zuflogen und damit kaum zu sehen war, merkte ich, dass ich etwas tun musste. Mutig zog ich meine Dame ein wenig weiter ins gegnerische Lager, da diese wie Läufer und Turm zieht konnte ich damit viel aufdecken. Somit konnte ich mehr sehen und entdeckte eine gemeine Drohung, die mein Vater geplant hatte. Er versuchte mit Dame und Turm einen Angriff auf meinen König zu starten, denn ich wegen dem Nebel nicht sehen konnte. Aber endlich konnte ich viel mehr von seiner Bretthälfte sehen. Ich hatte somit gute Chancen seine Pläne zu durchkreuzen. Bewusst tauschte ich dann die Damen ab, da ich damit die stärkste Angriffsfigur geschlagen hatte im Schach. Beide Seiten hatten nun ein weniger Angriffsmöglichkeiten, aber das war mir nur recht. Ich musste schließlich mit nur meiner Bretthälfte fertig werden.

„Gut gespielt. Aber ich werde trotzdem siegreich sein, Tochter. Mein Dämon auf der Schulter hat schon den nächsten teuflischen Zug für mich und du hast wohl vergessen, dass das Schachbrett nun wieder vom Nebel gefressen wird, wenn ich deine Dame schlage."

Ich biss mir auf die Zunge als meine Dame vom Brett genommen wurde und ich konnte die lauten Schreie von ihr in meinen Ohren hören. Die Nebelwand schloss sich wieder, dass tragische Ende der Dame brachte auch meine Undurchsichtigkeit wieder mit. Dieses Spiel war echt wie verhext! In diesem Moment bildete sich ein bitterer Geschmack in meinem Mund, der die Tatsache realisierte wie ich denn überhaupt gewinnen konnte in dieser Partie? Zwar hatte ich jetzt die Möglichkeit ein wenig länger zu überleben, aber was hatte ich schon gegen diesen Fluch auszurichten, der das Spielfeld belagerte. Der Schmerz in meiner Brust vermischte sich mit der Hitze der Wut, die sich angesammelt hatte und brannte sich in mein Herz wie ein Brenneisen.

„Wie ich sehe verstehst du es, dass du keine Chance hast. Ich weiß das du schlau bist! Also gib auf und reiche mir die Hand zur Aufgabe."

Mein gesenkter Blick wanderte vom Schachbrett zu der nebligen Schattenfigur, die meinen Vater darstellt. Der kleine Schelm saß auf seiner Schulter und flüsterte wieder ihm etwas ins Ohr.

„Niemals! Ich gebe mich nicht kampflos geschlagen", versuchte ich ihm mutig zu antworten, aber der Mut kam nicht wirklich über meine Lippen. Ich schluckte am Ende und merkte wie feucht meine Fingerspitzen geworden waren. Was sollte ich nur tun? Aber bis dahin musst ich mich einfach weiter verteidigen bis ich eine Lösung gefunden hatte für das Problem. Falls es dafür überhaupt eine Lösung gab. Was mir aber auf alle Fälle bewusst war, dass diese Schachpartie die schwierigste meines Lebens sein werden würde.


Die Abenteuer der SchachhexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt