a quiet day

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Um 6:00 Uhr klopft Nat an meiner Tür und holt mich wie gewohnt zu unserer morgendlichen Runde ab. Sie merkt von der ersten, dass etwas nicht stimmt. Ob es nun die dunklen Augenringe, mein gezwungenes lächeln oder mein Schweigen ist, irgendetwas verrät mich. Sie lässt mir aber die Zeit, selbst das Wort zu ergreifen. In diesem Punkt sind wir sehr ähnlich, groß nachhaken bringt nichts, wenn die andere Person noch nicht bereit ist zu reden. Ich habe es nach gestern nicht über mich gebracht, ihr davon zu erzählen, dass es Bucky Barnes ist, den ich dort immer in meinen Träumen sehe. Es kommt mir so unfassbar dumm vor. Wer weiß, vielleicht kann ich es ihr irgendwann sagen. Anstatt ihr also zu sagen was los ist, frage ich sie, was sie so über Bucky weiß, sehr unauffällig. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«, fragt sie verwirrt. Ich entgegnete einfach nur, dass ich gestern mit Steve in dieser Ausstellung war und gerne mehr wissen würde. Das kauft sie mir zwar nicht ab, dass wissen wir beide, aber sie fragt auch nicht nach. Leider kann sie mir auch nicht viel mehr sagen, als ich ohnehin schon herausgefunden habe, bis auf den Fakt, dass Bucky eine Ehefrau hatte; ihren Namen kannte Nat jedoch nicht. In dem Punkt wurde ich hellhörig, da nirgends etwas von einer Frau an seiner Seite gestanden hatte, doch dann dachte ich, dass es sicher nur an der untergeordneten Rolle der Frau damals lag und eine einfache Ehefrau nicht weiter erwähnenswert gewesen wäre. Aber das die Frau eines Howling Commandos nicht mal beiläufig erwähnt wird ist dennoch komisch. 

 »Es ist seit Tagen viel zu ruhig hier«, sagt Nat plötzlich und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Ihrem Blick nach zu urteilen war das auch genau ihr Plan. Ich entschließe mich das ganze für den Rest des Morgens aus meinem Kopf zu verbannen und kühle Morgenluft zu genießen. 

 Nat hatte recht, es ist hier seit Tagen viel zu ruhig, es gibt keine plötzlichen Aufträge und ich kann auch nicht 24/7 trainieren. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich gerade brauche, denn seitdem wir zurück sind, gehe ich die ganze Zeit in meinem Zimmer auf und ab, so oft, dass ich wohl das ganze Hauptquartier schon mehrmals hätte durchqueren können. Ich kann heute einfach nicht still sitzen. Gut dann gehen wir eben auf tour. Schnell ziehe ich meine Schuhe an und überlege kurz, mit dem Auto zu fahren, entscheide mich dann aber dazu, dass mir laufen wohl gut tun wird, als hätte ich das die letzten 4 Stunden nicht bereits ausgiebig getan. 

30 Minuten später komme ich beim Zentrum der Veteranen an und gehe durch die offen stehende Tür am Eingang. Schon von weitem höre ich Sams Stimme durch den Flur hallen und bewege mich in die Richtung, aus der auch noch weitere Stimmen kommen. »Das Problem ist, ich glaube es wird schlimmer. Ein Polizist hat mich letzten Woche angehalten, er dachte, ich sei betrunken«, sagt eine Frau aus der Gruppe bedrückt. Ich lehne mich an den Türrahmen und verschränke die Arme vor der Brust. All diese Menschen hier wurden Opfer von Angriffen und tragen die Traumata noch ewig später mit sich herum. Die Gefühle lasten auf ihnen und drohen, sie zu erdrücken. Dieses Gefühl kenne ich selbst leider viel zu gut. »Ich bin einer Plastiktüte ausgewichen, weil ich es für eine Sprengfalle hielt«, erklärt die Frau weiter. Ich kann ihr Leiden förmlich an ihrer Stimme erkennen; das ist nur einer von vielen Steinen im Weg jedes einzelnen von ihnen. »Manche Erlebnisse lässt man dort, andere bringt man mit zurück. Wir wollen herausfinden, wie wir am besten damit umgehen. Wollen wir sie ständig mit uns herumtragen oder sie irgendwann zurücklassen?«, spricht Sam zu ihnen. Dieser Job passt so gut zu ihm. Er hat ein Händchen für die Menschen, und sie fühlen sich bei ihm verstanden, da er selbst nichts Geringeres im Kampf erlebt hat. Auch mir hat er in der Anfangszeit bei S.H.I.E.L.D geholfen. Zwar weiß er nicht allzu viel über meine Träume, dafür aber das meiste aus den Jahren von 2011 bis 2013, bevor Natasha mich gefunden hat, und dafür bin ich ihm unfassbar dankbar. »Das liegt ganz bei euch«, beendet er die Stunde und verabschiedet seine Patienten. 

Danach kommt er auf mich zu. »Na, hallo, was verschafft mir denn die Ehre?«, fragt er mich mit einem Lächeln. »Heute ist nicht viel los auf der Arbeit, nichts eskaliert oder explodiert plötzlich, und da dachte ich mir, ich besuche dich mal hier«, antworte ich ihm. Sams Augenbrauen wandern bis zu seinem Haaransatz. Was habe ich denn jetzt falsches gesagt? »Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der sich das Drama wünscht«, sagt er und sieht mir in die Augen. Ja, da hat er wohl nicht unrecht, und das sollte mir eventuell auch Sorgen bereiten, aber naja, man kann sich ja nicht über alles Gedanken machen. »Ich habe die letzten Minuten mitbekommen. Ziemlich hart.« Ich blicke kurz zum Eingang, aus dem die Gruppe gerade hinausgegangen ist, dann wieder zu Sam. Er sieht mich mit einem Lächeln an, welches seine Augen nicht erreicht. »Ja, wir haben alle die selben Probleme. Schuldgefühle. Bedauern. Das tragen wir wohl alle mit uns herum«, antwortet er mir und klingt dabei sehr bedrückt. »Hast du diese Gefühle auch?«, frage ich ihn, bevor ich mich zurückhalten kann. Sam ist kurz in Gedanken versunken, dann nickt er kaum merklich. »Mein Flügelmann, Ryli. Auf einer Standard-Fallschirm-Rettungsmission, nichts, was wir nicht schon 1000-mal gemacht haben, bis eine Panzerfaust Rylis Hintern vom Himmel geholt hat.« Er musste seinem Kamerad und guten Freund dabei zusehen, wie er starb, und konnte nichts tun. Diesen Schmerz will ich mir gar nicht vorstellen. »Oh, Sam, es tut mir so leid«, sage ich und ziehe ihn in eine Umarmung. Ob diese Bilder ihn wohl sein ganzes Leben lang noch verfolgen werden? »Ich konnte nichts tun, als wäre ich nur zum Zusehen da«, flüstert er mit zusammengepressten Zähnen an mein Ohr. Es ist nicht seine Schuld. »Du hättest nichts tun können, mach dir da selbst keine Vorwürfe«, versuche ich so vorsichtig wie möglich zu sagen. Sam nimmt einen tiefen Atemzug, und wir lösen uns voneinander. 

»Danach war es schwer, einen Grund für mich zu finden, warum ich dort drüben bleiben soll, weißt du.« Der Schmerz in seiner Stimme ist unverkennbar. Er hat dieses Erlebnis von dort mitgebracht, und das wird man wohl auch nie so einfach abschütteln können. »Und wie geht es dir jetzt?«, frage ich ihn und hoffe auf eine positive Antwort. Erschließt die Augen, überlegt kurz und grinst dann. »Die Anzahl der Menschen, die mir Befehle geben, ist zumindest drastisch gesunken. Ich kann mich also nicht beklagen«, antwortet er. Das ist nicht ganz das, was ich gemeint hatte, aber wenigstens etwas.

»Und wie läuft es bei S.H.I.E.L.D?«, fragt er mich, und ich muss lächeln. »Ich kann mich nicht wirklich beschweren. Das Training bringt mich an manchen Tagen zwar fast um, und das viele Drama kann auch mal ganz stressig sein, aber sonst ist es gar nicht so übel. Weg will ich definitiv nicht mehr. Zu lange habe ich mich davor versteckt, wer ich bin und zu was ich fähig sein kann, als dass ich jetzt wieder damit anfangen würde. Ich wüsste wohl auch nicht, was ich den ganzen Tag machen sollte, wenn ich nicht mehr dieses Leben hätte«, antworte ich wahrheitsgemäß. Ich halte es ja kaum mehr einen Tag ohne Action aus, wie man merkt. »Du machst das schon«, entgegnet Sam, und ich nicke. 

Da kommt mir noch eine Frage in den Sinn. Kurz überlege ich, wie ich es am besten formulieren sollte. »Darf ich dich um einen Rat bitten?«, frage ich ihn leicht unsicher. »Ich werde dir einen geben, wenn ich es kann«, antwortet er mir und sieht mich an. Wie mache ich das jetzt am besten? »Mal angenommen man in einer Situation ist, die man nicht ganz versteht, und keine Erklärung findet, was sollte man tun?« Ich sehe an seinem Blick, dass er nur zu gern wissen würde, von welcher Situation ich spreche, jedoch merkt er auch, dass ich das gerade weder erzählen will noch kann. Er presst die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und überlegt sich seine Antwort genau. »Ich sehe da zwei Möglichkeiten. Entweder du akzeptierst es und lässt es dabei beruhen, oder du suchst so lange, bis du die Antworten findest, die dir suchst. Das kommt ganz darauf an, mit was du deinen Seelenfrieden finden kannst«, sagt er dann und er hat recht. In dem Moment weiß ich, dass ich Antworten will. Antworten auf Fragen, von denen ich die meisten selbst noch nicht gestellt habe. »Danke«, sage ich und lächle aufrichtig. 

»Lässt dein Arbeitsalltag heute auch noch Platz für einen Besuch im The Hill Cafe? Vielleicht ist die Lösung für dein Problem vorerst ein Kaffee und etwas zu Essen«, fragt Sam mich und ich muss grinsen. »Solange es auf dich geht, immer.« Er verdreht die Augen, und wir machen uns auf den Weg. 

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Und damit ein kleiner Einblick in die Freundschaft von Sam und Elora. Wie man eventuell merkt, bin ich ein großer Fan von cozy Freundschaften. Wie findet ihr die beiden zusammen?

Und als kleine Info fürs nächste Kapitel: er ist schnell, stark und hat einen Metallarm ;)

bis bald <3

Who the hell am I (german version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt