Dunkelheit am Morgen

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Der Wecker klingelte laut und durchdringend, ein unangenehmes Geräusch, das die Stille des Zimmers zerriss. Florentina schlug mit einer flachen Hand darauf, um ihn zum Schweigen zu bringen, doch der Klang hallte in ihrem Kopf nach. Sie öffnete die Augen, nur um von der Dunkelheit des Raumes überwältigt zu werden. Die Vorhänge waren zugezogen, und der kalte, trübe Lichtschein des Morgens schlich sich nur zaghaft durch die Ritzen. Es war Herbst, und die kühle Luft schien sich selbst in ihre Träume geschlichen zu haben.

Mit einem seufzenden Aufschrei richtete sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Ihr Körper fühlte sich schwer an, die Glieder schmerzten, und der Gedanke an den bevorstehenden Dienst ließ sie frösteln. Es war nicht nur die Müdigkeit, die sie niederdrückte, es war auch das Gefühl der Einsamkeit, das sich wie eine schwere Decke über sie gelegt hatte. Sie war zwar umgeben von Kollegen, aber oft fühlte es sich so an, als wäre sie in einer anderen Welt gefangen.Als Florentina schließlich aufstand, spürte sie den kalten Fliesenboden unter ihren Füßen. Ein kurzer Blick in den Spiegel zeigte ihr das Spiegelbild einer jungen Frau mit zerzaustem Haar und blassen Wangen. „Du schaffst das", murmelte sie zu sich selbst, auch wenn ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern war. Es war ein Ritual, das sie sich immer wieder vorsprach, um die Müdigkeit und den Schmerz zu vertreiben.

Nach einer schnellen Dusche und einem ausgelassenen Frühstück, zog sie ihre Uniform an. Das frische Weiß der Kleidung ließ sie etwas wacher fühlen, doch der Rest ihrer Seele blieb in der Dunkelheit gefangen. Mit einem letzten Blick in den Spiegel verließ sie die kleine Wohnung.

Draußen war es eiskalt, der Wind blies heftig und ließ die ersten Herbstblätter durch die Luft tanzen. Florentina zog ihren Mantel enger um sich und schloss die Augen für einen Moment, um den kalten Schauer zu ignorieren, der über ihren Rücken lief. Der Weg zum Auto war kurz, und als sie den Motor startete, fühlte sie, wie die Einsamkeit auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Sie ließ die Musik leise im Hintergrund spielen, während sie in die dunkle Nacht hineinfuhr, die Straßen waren fast leer und von Nebel umhüllt.

Die Rettungswache erschien bald am Horizont, beleuchtet von den blauen und roten Lichtern der Fahrzeuge, die wie ein schwacher Puls im Dunkeln leuchteten. Als sie parkte und ausstieg, fiel ihr Blick auf die anderen Sanitäter, die sich unterhielten und lachten. Der Gedanke daran, dass sie unterbesetzt sein würden, nagte an ihr. Das bedeutete mehr Arbeit, mehr Druck und weniger Zeit für einen Moment des Lächelns.„Guten Morgen, Florentina!", rief eine Kollegin und brachte sie aus ihren Gedanken zurück. „Bist du bereit für einen weiteren spannenden Tag?"„Wie immer", erwiderte Florentina mit einem gezwungenen Lächeln. Doch in ihrem Inneren fühlte es sich eher wie ein Kampf an, die eigene Fröhlichkeit aufrechtzuerhalten. „Ich hoffe, wir haben nicht zu viele Einsätze."„Oh, ich habe das Gefühl, heute wird es ruhig", antwortete die Kollegin und zuckte mit den Schultern. Florentina nickte, doch das Gefühl des Unbehagens blieb. Es war schwer, den Optimismus aufrechtzuerhalten, wenn man wusste, dass die Realität oft anders aussah.Sie machte sich daran, ihre Ausrüstung zu überprüfen, als die Tür zur Wache aufgerissen wurde. Phil, der Notarzt, kam herein, und für einen kurzen Moment schien die Zeit stillzustehen. Seine Präsenz erfüllte den Raum mit einer Energie, die Florentina nicht ignorieren konnte. Er war das Gegenteil von ihr, extrovertiert, charmant und voller Leben. Sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren, während er seine Jacke ablegte und die anderen begrüßte.„Morgen, Team!", rief er mit seiner warmen Stimme, die wie Musik in ihren Ohren klang. „Bereit für einen großartigen Tag?" Florentina konnte kaum antworten, ihre Stimme war in ihrem Hals gefangen. Stattdessen lächelte sie schüchtern, als er sich in ihre Richtung umwandte. Er bemerkte sie und sein Lächeln wurde breiter. „Florentina! Gut, dich zu sehen. Bereit für die nächste Herausforderung?"„Ja, immer", murmelte sie, während ihr Herz einen Sprung machte. In diesem kurzen Augenblick, in dem er sie ansah, fühlte sie sich wie im siebten Himmel. Doch die Realität holte sie schnell wieder ein.„Du wirst unser Glücksbringer sein, wie immer!", fügte Phil hinzu und klopfte ihr leicht auf die Schulter. Das kleine, unschuldige Berühren ließ ein wohliges Kribbeln in ihr aufsteigen, das sie sofort wieder zurückdrängte, um ihre Gedanken zu sortieren. Ihr Partner Franco kam kurz darauf herein, und der Moment zwischen Florentina und Phil war vorbei. „Bereit für den Dienst?", fragte Franco mit einem breiten Grinsen.„Klar, immer bereit", antwortete sie, während sie sich mühsam von Phil losriss. Aber ihr Herz schlug schneller, als Franco seine Jacke überzog und die beiden sich auf den Weg zur Rettungswache machten.Der Einsatzwagen war bereits bereit, und als sie einstiegen, konnte Florentina nicht aufhören, an Phil zu denken. Seine Stimme hallte in ihrem Kopf wider, während sie die Sirenen im Hintergrund hören konnte. Der Tag würde anstrengend werden, das wusste sie, doch in diesem Moment war die Vorstellung, Zeit mit Phil zu verbringen, das Einzige, was sie durchhalten ließ.„Bereit?", fragte Franco, während er den Motor startete. Florentina nickte und lächelte, auch wenn das Lächeln nicht die Traurigkeit in ihrem Inneren verbergen konnte. Sie würden alles geben, um die Menschen zu retten. Doch während sie durch die Straßen fuhren, konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass sie noch etwas viel Wichtigeres retten musste – ihre eigene Liebe. Der Tag hatte gerade erst begonnen, und die Dunkelheit, die sie am Morgen empfand, schien sich mit jeder Minute mehr und mehr in das Licht der Hoffnung zu verwandeln. Sie musste nur den Mut finden, sich zu öffnen und die Worte auszusprechen, die tief in ihr verborgen lagen. Aber für jetzt, während sie durch die Stadt fuhren, war es genug, einfach nur an Phil zu denken.

Herzschlag der Stille // ASDS Fanfiction //Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt