Stille Begleitung

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Es war ein ruhiger Moment in der Wache, als Phil, Florentina, Paula und Jacky sich in der kleinen Pausenecke eingefunden hatten. Die Schicht war bis jetzt zäh, und es war klar, dass eine lange Nacht vor ihnen lag. Während Thomas erzählte, wie er Weihnachten verbracht hatte, schweiften Phil und Florentina in Gedanken ab und lächelten bei der Vorstellung, bald wieder gemeinsam frei zu haben. Die Feiertage schienen so weit entfernt, aber der Gedanke daran, dass sie dann endlich Zeit für sich haben würden, war beruhigend.„Wann zieht ihr eigentlich zusammen?" kam plötzlich die Frage von Franco, der sich gerade zu ihnen gesellt hatte. Phil setzte an, etwas zu sagen, aber der Alarm unterbrach ihn. Die ruhige Nacht war vorbei.„Schlechter Allgemeinzustand", ertönte es durch den Lautsprecher, und Florentina sowie Thomas machten sich auf den Weg. Phil seufzte leicht und schüttelte den Kopf, als sie davonfuhren. „Wird wohl eine lange Nacht für die beiden", meinte Franco.„Verschrei es nicht", warnte Phil ihn und musste trotz der ernsten Lage leicht schmunzeln. „Florentina und ich lassen uns mit allem Zeit. Wir machen uns keinen Stress, und jetzt, wo eh so viel zu tun ist, haben wir sowieso keine Zeit für einen Umzug." Er zuckte mit den Schultern. Trotz der Herausforderungen des Berufs liebte er diese Art von Alltag mit Florentina.Franco lächelte verständnisvoll. „Ich finde es schön, dass es ihr so viel besser geht, seitdem sie mit dir zusammen ist."Phil nickte nachdenklich. „Ja, das stimmt. Sie ist stark, aber manchmal frage ich mich, wie lange sie das Tempo noch durchhält." Während Phil und Franco noch miteinander sprachen, hatten Florentina und Thomas bereits ihren nächsten Einsatzort erreicht. 


Sie wurden von einer besorgten Frau erwartet, die vor dem kleinen Häuschen bereits auf sie wartete. Ihre Hände zitterten, und ihre Augen waren von Sorge gezeichnet.

„Es geht um meinen Mann", erklärte die Frau hektisch, während sie die Sanitäter ins Haus führte. „Er atmet ganz schwer im Bett."Florentina und Thomas warfen sich einen kurzen Blick zu, beide ahnend, dass sie hier keine gewöhnliche Situation erwartete. Als sie das Schlafzimmer betraten, fanden sie kein Doppelbett vor, sondern ein Pflegebett. Darin lag ein älterer Mann, dessen Atmung flach und röchelnd war. Sein Gesicht war eingefallen, seine Haut blass. Es war sofort klar, dass es ihm nicht gut ging.„Thomas, machst du schon mal alles dran?", wies Florentina an, während sie sich der Frau zuwandte. „Wie lange ist Ihr Mann schon in diesem Zustand?"„Seit ein paar Stunden", antwortete die Frau mit bebender Stimme. „Er schläft viel und ist kaum mehr zu wecken. Er isst auch fast nichts mehr, und trinken tut er kaum noch."Florentina nickte verständnisvoll. „Haben Sie vielleicht einen aktuellen Arztbrief, den ich mir ansehen kann? Und wissen Sie, ob Ihr Mann eine Patientenverfügung hat?"Die Frau wirkte unsicher, aber sie holte die Dokumente hervor. Ein Blick in den Arztbrief bestätigte, was Florentina bereits vermutet hatte. Der Begriff „Palliativ" stach ihr ins Auge.„Hat Ihnen niemand erklärt, was eine Therapiezieländerung bedeutet?" fragte Florentina behutsam. Die Frau schüttelte den Kopf und kämpfte mit den Tränen.Florentina setzte sich mit ihr ins Wohnzimmer auf die Couch und sprach in einem sanften, verständnisvollen Ton. „Was denken Sie, was das bedeutet?" fragte sie einfühlsam.„Dass er eine andere Therapie bekommt", flüsterte die Frau.Florentina legte ihr eine Hand auf den Rücken. „Eine Therapiezieländerung bedeutet, dass man die Krankheit – in seinem Fall den Blutkrebs – nicht mehr behandeln kann. Stattdessen konzentriert man sich nur noch darauf, ihm die Schmerzen zu lindern. Palliativ bedeutet, dass er sich im Sterbeprozess befindet. Er hat keine Schmerzen, das ist wichtig zu wissen. Sein Atemgeräusch, das Sie hören, ist normal und zeigt, dass der Sterbeprozess begonnen hat. Es wird nicht mehr lange dauern."Die Frau begann zu weinen, und Florentina blieb ruhig an ihrer Seite, während sie ihr die Hand auf die Schulter legte. „Wenn Sie möchten, kann ich jetzt jemanden für Sie holen, der Ihnen in den letzten Stunden zur Seite steht. Sie müssen das nicht allein durchstehen. Wir lassen Sie nicht alleine."Die Frau nickte nur, unfähig, Worte zu finden. Thomas, der im Türrahmen stand, sah zu Florentina und gab ihr ein stummes Zeichen. Florentina entschuldigte sich kurz und ging nach draußen, um das mobile Hospizteam zu rufen. Es dauerte nur kurze Zeit, bis sie jemanden erreicht hatte und die Situation erklärte.Zurück im Haus warteten Florentina und Thomas geduldig bei der Frau, bis das Hospizteam ankam. Es verging eine halbe Stunde, die still und schwer war, bevor es schließlich an der Tür klingelte. Eine Frau vom Hospiz stellte sich vor und begab sich direkt ins Schlafzimmer, um den Zustand des Patienten zu überprüfen. Danach widmete sie sich der weinenden Ehefrau und bot ihr Trost und Unterstützung.Florentina und Thomas verabschiedeten sich respektvoll, drückten der Frau ihr Beileid aus und machten sich auf den Weg zurück zum RTW. Es war eine stille Fahrt zurück zur Wache. Niemand sprach ein Wort, und das einzige Geräusch war das sanfte Brummen des Motors und der Straßen unter den Rädern. In solchen Momenten, dachte Florentina, war es nicht die Medizin oder die Technik, die zählte. Es war die menschliche Nähe, das Zuhören, das Aushalten der Stille. Manchmal war das alles, was sie tun konnten – und manchmal war das genug.Als sie auf die Wache zurückkehrten, war der Rest der Nacht noch vor ihnen, aber die Stille dieser Begegnung würde ihnen im Gedächtnis bleiben.

Herzschlag der Stille // ASDS Fanfiction //Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt