Sehnsucht und Realität

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Der Tag hatte gerade erst begonnen, aber sie fühlte sich bereits ausgelaugt, als hätte die Last der letzten Monate sie völlig erschöpft. Franco, ihr Kollege und erfahrener Rettungssanitäter, steuerte den Rettungswagen routiniert durch die Straßen, während Florentina still neben ihm saß und den Blick aus dem Fenster schweifen ließ.

„Lust auf ein schnelles Frühstück?", fragte Franco schließlich, als sie am Bäcker ankamen.

Florentina nickte leicht, auch wenn ihr der Appetit fehlte. Ihre Gedanken schwirrten immer wieder zu Phil, dem Mann, der ihr in letzter Zeit so viel durch den Kopf ging. Sie hatte nicht erwartet, dass er solche Spuren bei ihr hinterlassen würde. Es war nur ein kurzer Moment gewesen, als sie seine Berührung gespürt hatte, doch dieser Augenblick hatte sich tief in ihr Herz gebrannt. Er war warm, sanft und vollkommen.

Franco parkte den Wagen und zusammen gingen sie in die kleine Bäckerei. Die Glocke über der Tür bimmelte, als sie den Laden betraten, und der Duft von frisch gebackenen Brötchen und Kaffee umhüllte sie. Vor ihnen war nur eine ältere Dame, die eine Tüte mit Brötchen entgegennahm. Florentina ließ den Blick durch den Raum schweifen und blieb schließlich an einem Paar hängen, das draußen auf der Straße vorbeiging. Sie sahen glücklich aus, ihre Hände fest ineinander verschlungen, während sie miteinander lachten. Eine Welle der Sehnsucht durchflutete sie.

Wie lange hatte sie so etwas nicht mehr erlebt? War sie überhaupt jemals in einer Beziehung gewesen, die sie wirklich glücklich gemacht hatte? Florentina war sich plötzlich nicht mehr sicher. Die letzten Jahre waren ein wirrer Strudel aus Arbeit, kurzen Bekanntschaften und Enttäuschungen gewesen. Und jetzt... jetzt war da Phil. Der Gedanke an ihn ließ ihr Herz schneller schlagen, aber es war keine einfache Situation. Er war schließlich vergeben.

„Und, was möchtest du?", fragte Franco, der ihre Abwesenheit bemerkt hatte und sie aus ihren Gedanken riss. Sie blinzelte verwirrt und sah ihn an.

„Oh, nichts für mich, danke", sagte sie höflich und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich habe keinen Hunger."

Franco zuckte nur mit den Schultern und bestellte sich ein belegtes Brötchen und einen Kaffee. Sie warteten an der Theke, während die Bäckereifachverkäuferin das Frühstück vorbereitete. Franco war der Typ Mensch, der stets gut gelaunt schien, egal wie anstrengend oder düster der Arbeitstag war. Florentina bewunderte das an ihm, aber heute konnte sie sich einfach nicht dazu aufraffen, in dieselbe positive Stimmung zu kommen.

Kurz darauf saßen sie wieder im Rettungswagen. Franco packte sein Brötchen aus und biss herzhaft hinein. „Du solltest echt was essen", meinte er mit vollem Mund. „Es wird ein langer Tag."

„Später vielleicht", murmelte Florentina und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Sie starrte hinaus auf die Straße, wo die ersten Sonnenstrahlen des Tages durch die Wolken brachen. Doch ihre Gedanken waren woanders. Sie dachte an Phil. An seine Stimme, seine Berührungen, seine Anwesenheit, die sie wie eine warme Decke umhüllt hatte. Es war nur ein kurzer Moment gewesen, aber dieser Moment hatte ausgereicht, um ein Feuer in ihr zu entfachen, das sie nicht mehr ignorieren konnte.

Sie erinnerte sich an den Morgen, als sie sich zufällig begegnet waren. Sie wusste nicht, was es war, aber seitdem konnte sie kaum an etwas anderes denken. Jede Nacht lag sie wach, dachte an ihn, an sein Lächeln, an die Wärme seiner Haut. Es war absurd. Er war vergeben, das wusste sie. Aber konnte man sich wirklich aussuchen, in wen man sich verliebte?

„Und dann", begann Franco plötzlich laut zu lachen und riss sie erneut aus ihren Gedanken, „hat mein Kleiner den Ball einfach über den Zaun geschossen! Du kannst dir das Chaos nicht vorstellen. Die Nachbarn waren fassungslos."

Florentina lächelte schwach, versuchte, der Geschichte zu folgen, aber es fiel ihr schwer. Franco sprach oft über seine Kinder, seine Frau und das Leben zu Hause. Es war schön zu hören, wie glücklich er war, aber gleichzeitig spürte Florentina, wie sehr ihr das alles fehlte. Sie wollte das auch – eine Familie, jemanden, der sie liebte, bedingungslos.

„Klingt, als hätte er einen starken Schuss", antwortete sie schließlich und hoffte, dass sie passend reagiert hatte.

Franco grinste. „Oh ja, das hat er. Ich sag dir, vielleicht wird er eines Tages ein großer Fußballspieler. Wäre doch was, oder?"

Florentina nickte, doch ihre Gedanken drifteten erneut ab. Sie dachte an Phil, an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Es war nicht viel, aber jede noch so kurze Begegnung hatte sie mit einem seltsamen Gefühl zurückgelassen. Es war keine Liebe, zumindest nicht so, wie sie sich Liebe vorstellte. Es war mehr wie ein unerfülltes Verlangen, eine Sehnsucht nach etwas, das sie nicht haben konnte.

Plötzlich unterbrach das laute Piepen des Funkgeräts ihre Gedanken. Eine Alarmierung. Florentina setzte sich aufrecht hin, und auch Franco legte sofort sein Brötchen zur Seite. Es war ein unklarer Notruf, der alles bedeuten konnte. Ihre Arbeit als Rettungssanitäter war oft unvorhersehbar, und sie mussten jederzeit bereit sein, zu handeln.

„Das kann alles sein", murmelte Franco, während er den Motor startete und aufs Gaspedal drückte. Der Rettungswagen heulte auf, und die Sirenen begannen zu heulen. Florentina spürte, wie die Anspannung in ihr wuchs. Sie liebte ihre Arbeit, auch wenn sie sie oft emotional auslaugte. Es war ihre Berufung, Menschen in ihren schwersten Momenten zu helfen, aber manchmal fragte sie sich, wer für sie da war, wenn sie selbst Hilfe brauchte.

Während sie durch die Straßen rasten, spürte sie, wie ihre Gedanken erneut zu Phil zurückkehrten. Es war sinnlos, sich in diesen Träumereien zu verlieren, das wusste sie. Doch der Gedanke an ihn gab ihr für einen kurzen Moment das Gefühl, dass da draußen vielleicht doch etwas für sie war – etwas, das sie hoffen ließ. Aber jetzt zählte nur der bevorstehende Einsatz.

Herzschlag der Stille // ASDS Fanfiction //Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt