Kalte Gedanken

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Nachdem die Sonne langsam über den verschneiten Dächern der Stadt aufgegangen war, fuhren Phil und Florentina erschöpft nach Hause. Die Nacht war lang gewesen, und die Belastungen der Weihnachtsfeiertage hatten sie an ihre körperlichen und mentalen Grenzen gebracht. Trotz der festlichen Stimmung auf der Wache und der erfüllenden Arbeit, Menschen in Not geholfen zu haben, war es nun an der Zeit, auszuruhen.Phil parkte das Auto vor ihrer gemeinsamen Wohnung. Beide stiegen müde aus, und der eiskalte Wind, der ihre Gesichter streifte, fühlte sich wie ein bittersüßer Gruß des Winters an. Florentina, die durch den letzten Einsatz wieder Schmerzen in ihrem Arm spürte, legte sich fast mechanisch Phil zuliebe in seine Richtung und lehnte ihren Kopf kurz auf seine Schulter, während sie zur Haustür gingen.„Endlich", murmelte Phil und ließ sich auf das Bett im Schlafzimmer fallen, kaum dass sie die Wohnung betreten hatten. Florentina folgte ihm langsam, zog sich ihre Stiefel aus und schlüpfte neben ihn unter die Decke. Phil war so erschöpft, dass er praktisch sofort in einen tiefen Schlaf fiel. Sein Atem wurde gleichmäßig und ruhig, und sie konnte fast spüren, wie seine Anspannung abfiel.Florentina jedoch fand keinen Schlaf. Sie drehte sich hin und her, versuchte ihre Gedanken zur Ruhe zu bringen, aber es gelang ihr nicht. In der Dunkelheit ihres Schlafzimmers starrte sie zur Decke, während sie den gleichmäßigen Rhythmus von Phils Atmung hörte. Seit Monaten hatte sie keine Albträume mehr gehabt, aber irgendetwas störte sie. Ihr Kopf war voll von Gedanken, die sie nicht loslassen konnte.
Es war merkwürdig. Sie war so erschöpft, und doch war es, als ob ihr Geist in Bewegung war, während ihr Körper nach Ruhe schrie. Florentina konnte nicht genau sagen, was sie wach hielt. Waren es die Erlebnisse der letzten Monate? War es die körperliche Anstrengung der Nacht? Oder war es vielleicht einfach die Reflexion über ihr Leben?Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Foto, das Phil ihr während ihrer Zeit im Krankenhaus gebracht hatte. Es war ein altes Bild von ihr, ihrem Vater und ihrer Katze, die sie als Kind zu Weihnachten bekommen hatte. Das Bild war ein emotionales Ankerstück für sie geworden. Als sie verletzt und schwach im Krankenhaus lag, hatte es ihr Kraft gegeben. Ihr Vater, der sie immer unterstützt hatte, und ihr Kater, der sie als Kind in schwierigen Zeiten getröstet hatte. Sie erinnerte sich noch genau an den Moment, als sie ihn zu Weihnachten als kleines Kätzchen bekommen hatte. Es war ein warmes, beruhigendes Gefühl gewesen, das sie in eine Zeit versetzt hatte, in der alles einfacher und unbeschwerter war.Florentina schloss die Augen und versuchte, sich an die Freude und den Frieden zu erinnern, die sie damals empfunden hatte. Aber es war nicht das Gleiche. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne Phil zu leben, aber der Verlust ihrer Katze war ein tiefer Einschnitt in ihrem Leben gewesen. Sie vermisste ihn, und vielleicht war es diese Erinnerung, die sie heute Nacht so unruhig machte.
Während sie weiter wach lag, begannen sich ihre Gedanken zu drehen. War sie wirklich glücklich? Hatte sie alles erreicht, was sie sich im Leben vorgestellt hatte? Sie liebte Phil, keine Frage. Sie fühlte sich glücklich und erfüllt, wenn sie bei ihm war, und sie wusste, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Doch da war noch etwas anderes, das sie beschäftigte. Etwas, das sie in letzter Zeit immer öfter spürte, aber nicht in Worte fassen konnte.Florentina hatte immer davon geträumt, Notfallsanitäterin zu werden. Sie liebte ihren Beruf und die Möglichkeit, Menschen in Not zu helfen. Es war das, was sie erfüllte, was ihr einen Sinn im Leben gab. Doch nach ihrem Unfall war alles anders geworden. Ihr Körper hatte sich noch nicht vollständig erholt, und obwohl sie ihre Arbeit weiterhin leidenschaftlich ausführte, spürte sie, dass sie körperliche Grenzen hatte, die sie vorher nicht gekannt hatte.„Wird das überhaupt funktionieren?", dachte sie leise und spürte, wie eine leise Angst in ihr aufstieg. Sie wollte mit Phil alt werden, zusammen ein Leben aufbauen, aber was, wenn ihr Körper nicht mehr mitspielte? Was, wenn die Einschränkungen, die sie nach ihrem Unfall immer noch spürte, ihr im Weg stehen würden? Die Nächte, in denen der Schmerz in ihrem Arm sie wach hielt, die Einsätze, die sie körperlich an ihre Grenzen brachten – all das hinterließ Spuren, die sie nicht ignorieren konnte.Florentina atmete tief ein. Sie wusste, dass sie noch lange nicht aufgegeben hatte. Ihr Ziel war es, eines Tages als voll ausgebildete Notfallsanitäterin zu arbeiten. Sie wollte mehr Verantwortung übernehmen, mehr Wissen erlangen und letztlich diejenige sein, die die Entscheidungen in Notfallsituationen trifft. Aber würde ihr Körper das zulassen? Oder war es nur eine Illusion, ein Traum, den sie sich in ihrem jetzigen Zustand nicht erfüllen konnte?
Florentina sah zu Phil hinüber, der immer noch tief schlief. Sein Gesicht war entspannt, und er wirkte so friedlich, dass sie beinahe lächeln musste. Mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich stark und sicher, doch die Unsicherheit in Bezug auf ihre berufliche Zukunft ließ sie nicht los. Sie wollte nicht nur eine gute Partnerin für ihn sein, sondern auch eine starke Frau, die ihre beruflichen Träume verwirklicht.Ein Gedanke durchzuckte sie plötzlich: „Was, wenn ich es nicht schaffe?" Die Vorstellung, dass sie ihren Traum aufgeben müsste, traf sie hart. Sie wollte für Phil stark sein, aber auch für sich selbst. Sie wollte eine Zukunft aufbauen, in der sie beide glücklich sind, zusammen alt werden und eine erfüllte berufliche Karriere haben. Aber würde ihr Körper sie im Stich lassen?Trotz all dieser Zweifel fühlte Florentina tief in ihrem Inneren, dass sie noch nicht bereit war, ihren Traum aufzugeben. Sie hatte schon so viel überwunden, und sie würde auch diese Herausforderung meistern – das wusste sie. Doch die Angst, es nicht zu schaffen, nagte an ihr.

Herzschlag der Stille // ASDS Fanfiction //Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt