Vorbei

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Der bäulich schimmernde Flammenkreis tanzte und flackerte im Halbdunkel und stieß immer wieder Funken aus. Das mit schnellen,präzisen Kreidestrichen auf den Steinboden gezeichnete Pentagramm schimmerte und leuchtete. Tessa war gerade dabei die letzte der fremdartigen Runen an eine Ecke des Fünfsterns zu zeichnen. Als sie fertig war,stand sie langsam auf,klopfte sich den Staub vom Kleid und begutachtete kritisch ihr Werk. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben,wenn sie diese zwei Personen nicht auf dem Gewissen haben wollte. Sie spürte wie ihr Herz in ihrem Brustkorb auf und ab sprang und polterte und versuchte sich zu beruhigen. Im Kopf ging sie immer und immer wieder die einfache Formel durch. Auf einem der Betten saßen Magnus und Alec eng aneinander gedrängt. Magnus hatte angespannt die Lippen aufeinander gepresst,während Alec kaum bei Bewusstsein zu sein schien. Tessa kannte den entstellten Jungen Mann kaum,doch sie wünschte sich nichts mehr,als dass er am Leben bleiben würde.

Für seine Schwester Isabelle,die sie kennengelernt hatte. Für den mutigen Jace und die tapfere Clary. Und für Magnus. Sie nickte Magnus kurz zu und versuchte dabei ihre zitternden Hände unter Kontrolle zu bringen. Magnus,der selbst schon sehr wacklig auf den Beinen war,zog Alec auf die Füße und führte ihn quälend langsam zu dem Pentagramm. Als sie den Flammenkreis durchschritten flackerte er kurz grün auf,während er in die Höhe schoss und an die Decke züngelte. Die Spannung im Raum war beinahe greifbar. Tessa wusste,dass sie noch nie etwas so wichtiges getan hatte. Hinten im Raum waren ganz still weitere Hexen und Hexenmeister versammelt. Tessa wusste nicht genau warum,denn wenn etwas schiefgehen würde,würde nicht einmal der mächtigste Hexenmeister ihr mehr helfen können. Zur Sicherheit griff sie nach dem schweren Buch und senkte ihren Blick auf die vertrauten Worte. Sie spürte zwei Dutzend stechender Augenpaare auf sich und spürte wie ihre Sicherheit unter den vernichtenden Blicken zu Staub zerfiel. Jemand räusperte sich ungeduldig hinter ihr. Sie musste beginnen. Ihre Stimme zitterte bei den ersten Worten so sehr,dass sie sich selbst kaum verstand. Doch dann ging es plötzlich wie von selbst. Ihre Stimme wurde fest und die Worte flossen nur so über ihre Lippen. Während die sprach änderte das Feuer mehrmals seine Farbe.

Von blau zu grün,von grün zu schwarz,von schwarz zu weiß. Tessa wusste,dass das noch öfter geschehen würde und sie wusste,dass sie auf eine bestimmte Farbe warten musste um den Zauber zu vollenden. Gelb. Alec war zusammengesackt,während Magnus,der offensichtlich schmerzen hatte die Zähne fest zusammengebissen hatte,um nicht zu schreien. Violett. Er krallte seine Hände so fest in die Oberschenkel,dass seine Knöchel weiß hervortraten. Rot. Tessa reagierte sofort. Sie warf eine Handvoll Staub in das Feuer und rief die Formel,die alles zuende bringen würde. Für einen Augenblick schien das Feuer zu gefrieren und die Welt still zu stehen. Dann explodierte alles um sie herum in gleißend helles Licht. Sie warf sich zu Boden und schützte sich mit ihren Armen. Als sie aufblickte erstarrte sie. Alec und Magnus lagen reglos in der Mitte des Pentagramms.

*

Jace starrte wachsam in die Dunkelheit der muffig-kalten Zelle. Seine Augen hatte sich an das Fehlen des Lichts gewöhnt und er konnte inzwischen grobe Umrisse ausmachen,wenn er sich bemühte. Die Person,die jetzt leicht an seinem Zellengitter rüttelte,hatte er aber erst in letzter Sekunde bemerkt. Zuerst hatte er die in schwarze Gewänder gehüllte Gestalt für einen Stillen Bruder gehalten,doch diese Vermutung stellte sich als falsch heraus,als die Person mit einer menschlichen Stimme zu flüstern begann.

"Jace,ich werde dich herausholen".

Mit diesen Worten öffnete sich die Tür mit einem leisen Klicken.

"Was bei Raziel..?",fragte Jace,doch die fremde Stimme unterbrach ihn.

"Stell keine Fragen und komm einfach mit",sagte der Fremde und schien keinerlei Angst zu haben,entdeckt zu werden. "Keine Sorge,man wird uns nicht aufhalten",sagte der Mann,als hätte er Jaces Gedanken gelesen.

Er zögerte. Was,wenn es eine Falle wäre?

"Kommst du oder willst du lieber hierbleiben?",fragte die Stimme,die überraschend jung klang.

Er entschied sich mitzukommen. Vorsichtig folgte er der schlanken,aber kräftigen Person durch die Gänge der Stillen Stadt. Sie kamen gerade an den Grabmälern der verstorbenen Schattenjäger vorbei,als Jace die Stimme erhob.

"Wer bist du?",fragte er.

"Ich gebe mich zu erkennen,wenn wir oben sind",sagte der junge Mann knapp und setzte schweigend seinen Weg fort.

Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie die Pforte zum Friedhof erreicht. Als sie hinaustraten regnete es in Strömen,doch Jace hatte schon lange nicht mehr solch ein Glücksgefühl empfunden. Er sog die kalte,feuchte Luft mit dem schalen Benzingeruch,der von der wenige hundert Meter entfernten Straße herüber wehte tief in seine Lungen. Als sie die Straße erreichten blieb Jaces Befreier abrupt stehen und drehte sich um. Mit einer geschmeidigen Handbewegung setzte er die Kapuze des schwarzen Mantels ab. Vor ihm stand ein junger Mann mit einem fein geschnittenen Gesicht und mandelförmigen Augen,das von dichtem schwarzem Haar umrahmt wurde. Auf seinen hohen Wangenknochen prangten die dicken Narben einer verblassten Schweigerune.

"Bruder Zacharia?",fragte Jace überrascht.

"Jem",verbesserte der Mann ihn und lächelte dabei. "Man hat mir die Erlaubnis erteilt,dich auf meine Verwantwortung aus der Stadt der Stille zu holen",erklärte er.

Jace nickte abwesend und während er das Gefühl der Freiheit genoss. Er war nur einige Stunden Tag in der düsteren Zelle gewesen,doch es war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Plötzlich fuhr ihm ein stechender Schmerz durch die Brust. Er schrie heftig auf,da er so überrascht war. Seine Haut fühlte sich an,als würde sie verätzt werden und es kam ihm vor als würde ihm ein Teil seines Herzens herausgerissen werden. Jem war alarmiert herumgewirbelt und begriff das,wozu Jace erst wenige Augenblicke später in der Lage war. Jaces Hand wanderte instinktiv zu seiner Parabatai-Rune,die jetzt glühte und pochte,während sie immer mehr verblasste. Fassungslos starrte Jace auf das Mal und die unausweichliche Wahrheit,die sich brutal in sein Bewusstsein drängte. Er hatte keinen Parabatai mehr.

"Es tut mir leid",flüsterte Jem.

Malec-Eine unsterbliche Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt