Im Angesicht der Katastrophe

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Die nächsten Stunde verbrachte Jace in einem Zustand aus Panik und Trauer,während er immer noch hartnäckig versuchte,zu verdrängen,was passiert war. Er achtete nicht darauf wohin Jem ihn brachte. Der Mann hatte ihn am Arm genommen und durch New York City bugsiert. Erst wenige Meter vor dem Institut merkte er,wo sie waren. Er riss sich abrupt von dem verdutzten Jem los und weigerte sich weiterzugehen.

"Ich werde da nicht hineingehen",sagte er leise.

"Jace-",begann Jem sanft.

"Nein!",brüllte er. "Ich gehe nicht in dieses Gebäude! Ich gehe nicht da hin, wo...".

Seine Stimme versagte und er merkte entsetzt wie ihm Tränen über das Gesicht liefen. Jem legte ihm vorsichtig seine Hand auf die Schulter. Er hob sanft das Kinn des jüngeren Schattenjägers und zwang ihn,ihm in die Augen zu sehen.

"Hör mir zu,Jace",sagte er eindringlich. "Ich weiß,wie es ist seinen Parabatai zu verlieren. Ich weiß,dass du denkst,es wird und kann nicht ohne ihn weitergehen. Ich weiß,dass es Jahre dauern wird,bis du mit einem Lächeln an ihn zurück denken wirst. Aber ich weiß auch,dass du es schaffen wirst,denn ich habe es geschafft. Und jetzt geh dort hinein und trauere mit deiner Familie".

Jace,der ihm in die dunklen Augen gestarrt hatte,straffte entschlossen die Schultern. Ungeduldig wischte er sich die Tränen vom Gesicht. Isabelle,Maryse,Clary und Robert brauchten ihn.

*

Clary saß wie betäubt im weichen Sessel des blauen Salons im Institut. Sie hatte die Beine angezogen und ihre schlanken Arme darum geschlungen. Robert saß auf dem Fußboden direkt vor dem Kaminfeuer,wo es viel zu heiß für ihn sein musste. Doch der Schmerz verschaffte ihm Erleichterung. Isabelle saß auf dem Sessel gegenüber von Clary und wiegte sich unablässig hin und her,wie um sich selbst zu beruhigen. Ihre Tränen waren seit kurzem versiegt und Clary fragte sie wie ihre Freundin das überstehen sollte. Die einzige,die angesichts der Katastrophe die Nerven bewahrt hatte,war Jocelyn,die jetzt mit einem Tablett Tee das Zimmer betrat. Sie drückte Isabelle eine Tasse in die Hand,die diese wie ein Roboter annahm.

Das Mädchen schielte ins Leere und wirkte wie in Trance. Jocelyn gab Clary eine weitere Tasse und setzte sich dann auf die Lehne von Clarys Sessel,wo sie ihren Arm tröstend um ihre Tochter legte. Clary wäre am liebsten zu Isabelle gegangen,doch die machte einen so verstörten Eindruck,dass sie es nicht wagte,sie zu berühren. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein vertrauter goldblonder Haarschopf schob sich in Clarys Blickfeld. Ehe sie es richtig realisierte war sie schon auf den Beinen und lag in Jaces Armen. Sie bemerkte erst eine Sekunde später,dass Jace nicht allein gekommen war. In ihrer Erleichterung vergaß sie Maryse für einen kurzen Augenblick.

"Hat Jem dich aus dem Verlies befreit?",wollte sie wissen.

Jace nickte knapp und Clary merkte sofort,dass etwas nicht stimmte. Jace hatte aber ebenfalls bemerkt,dass Robert und Isabelle sich merkwürdig verhielten. Isabelle schien geradewegs durch ihren Adoptivbruder hindurchzusehen,während Robert ihm immer noch den Rücken zugekehrt hatte. Clary wechselte einen schnellen Blick mit ihm und er verstand sofort,dass sie alleine mit ihm reden musste. Er nahm sie abwesend am Arm und zog sie sanft aus dem Raum,sodass sie in einem der dunklen Flure des Instituts standen.

"Clary,was ist passiert? Wo ist Maryse?",fragte Jace und als Clary betrübt den Kopf senkte stieß er einen erstickten Laut aus.

"Nein",hauchte er.

Clary erklärte ihm in groben Zügen,was geschehen war und Jaces Miene verfinsterte sich zusehends. Jace ließ sich langsam zu Boden sinken,lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und vergrub sein Gesicht in seinen großen Händen. Dann begann er so jämmerlich zu Schluchzen,dass Clary sofort selbst wieder Tränen in die Augen schossen.

"Es tut mir so leid,Jace",wimmerte sie.

"Zwei an einem Tag",schluchzte Jace hilflos. "Das ist selbst für den stärksten Schattenjäger zu viel".

Schockiert riss Clary die Augen auf.

"Zwei? Was zum Erzengel..?".

Anstatt einer Antwort hob Jace langsam sein Hemd auf,sodass seine Brust mit der verblichenen Rune zum Vorschein kam. Sofort fing Clary hysterisch an zu lachen. Sie raufte sich die Haare und hielt sich den Bauch und innerhalb einer Minute schluchzte sie bitterlich.

"Nein,nein,nein,nein",murmelte Clary.

Immer wieder wiederholte sie dieses eine Wort. Schließlich verstummte sie und Jace zog sie so dicht an sich,wie nur möglich. So saßen sie eine Weile im kalten Flur.

"Du musst es ihr sagen",flüsterte Clary schließlich.

"Nein",sagte Jace heftig. "Ich kann nicht! Es würde sie umbringen!".

"Jace,du musst!",drängte Clary.

"Ich werde einige Tage warten und es ihr dann schonend beibringen",murmelte Jace,der offensichtlich nicht über das Thema reden wollte.

"Du willst ihr schonend beibringen,dass ihr Bruder gestorben ist?",brüllte Clary und erstarrte,als sie Isabelle im Türrahmen stehen sah.

"Verdammte Scheiße",fluchte Clary.

"Alec?",hauchte Isabelle.

*

Tausende Kilometer von New York entfernt schlug Alexander Gideon Lightwood gerade seine Augen auf.

Malec-Eine unsterbliche Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt