Trauer

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Ich, Hydra Conner, bin der festen Überzeugung, dass es unter Freunden, so wie auch unter Geschwistern, eine Art Ehrencodex gibt. Dieser setzt sich aus drei Punkten zusammen, die der eindeutige Beweis für eine wahre Freundschaft mit mir sind.

Erstens, habe immer ein offenes Ohr für Probleme und verrate sie nicht weiter.

Zweitens, stehe zu der Freundschaft, auch wenn andere über den Freund oder die Freundin lästern und tue alles, was in deiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass die Freundschaft nicht zerbricht.

Und drittens, was ich persönlich sehr wichtig finde ist- und ich wiederhole, dieser Punkt ist auf jeden Fall ein akzeptabler Anfang für eine gute Freundschaft, finde nie, wirklich niemals, den Erzfeind deiner besten Freundin, oder deines besten Freundes, sympathisch.

Und von diesen drei Punkten müssen sich so gut wie alle Menschen in meinem Umfeld den dritten aussuchen, gegen genau die dritte Regel verstoßen.

Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass ich Melanie Edwards schon jemals leiden konnte, vielleicht habe ich auch einfach gute Menschenkenntnisse, und jedes verdammte Mal, wenn ich einen herablassenden Kommentar über sie loswerde, gibt die Person, egal ob Mutter oder Bruder, Freundin oder Fremder, immer wieder ein Schnauben von sich und erwiedert etwas wie "Sie ist doch total nett."

Und das, meine Freunde, zerstört Punkt drei des Codes wie die eingerollte Zeitung die Wespe, die mich neulich tyrannisiert hat.

Irgendwie sieht einfach niemand das was ich sehe, niemand sieht in Melanie die Schlampe, die ich schon von Anfang an erkannt habe.

Melanie war am Anfang des Schuljahres neu auf meine High-School gekommen und seit sie da war hatte sich einiges verändert. Der erste Eindruck von ihr, den ich persönlich hatte, war leer. Dieses Mädchen schien wie jedes andere in meinem Alter, also sechzehn.

Normal, es war fast langweilig. Braunes Haar, welches, wie in den meisten Fällen, lang war und einfache braune Augen mit einigen vereinzelten Sommersprossen. Make-Up trug sie, allerdings clever aufgetragen, so, dass sie beinahe ungeschminkt aussah.

War sie aber nicht, das wusste ich, nein, das sah ich.

Für die Jungs, die sich mit Make-Up nicht im Entferntesten auskennen, sah sie, und sieht sie immer noch, ungeschminkt aus. Ihre Sommersprossen waren durch das viele Puder nur noch leicht schimmernd, fast gar nicht zu erkennen, nur ein Mädchen, mit scharfen Augen konnte sehen, dass sie welche hatte.

Sie wirkte leer und nett. Normal und langweilig. Durchschnittlich einfach.

Natürlich, sie war hübsch, aber das wars dann auch.

Ich hatte einfach keine Ahnung wie viel sie verändern würde.

Alles begann damit, dass sie sich schon am ersten Schultag im Cheerleader-Team bewarb und sofort genommen wurde. Am Basketballspiel darauf, bei uns an der Schule spielen sie statt Football Basketball, stellte sich dann heraus, dass sie einen sehr "heißen" Körper hat.

Und dann wars das. Mir war das alles egal, ich ignorierte, wie die Hälfte aller Jungs meiner Schule ihr langsam verfiel und sogar Norman Oden, der Loser aus dem Schachclub sie anschmachtete, immerhin hatte ich den tollsten Freund der Welt, Sean Owen.

Das ist allerdings Vergangenheit. Liebe macht ja bekanntlich blind und was soll ich sagen, mich hat sie scheinbar blind-taub-stumm gemacht. Natürlich habe ich gesehen, wie er Melanie, oder Melly, wie er sie seit Neustem nennt, hinterhergesehen hat, aber ich habe es mir ausgeredet und geschwiegen.

Ich hätte es ahnen können, wollte es aber nicht wahrhaben, dabei war es so klar.

Melanie betreibt Sport. Viel Sport. Nicht nur Cheerleading, nein, ich spreche von Matratzensport.

avenged Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt