Farblosigkeit umgibt mich, beinahe so, als wäre ich in einem endlosen weiten Raum ohne Grenzen gefangen, weiß, ohne Türen und unmöglich zu verlassen. Mit einem so grellen Licht, dass es mich blendet und der Stille, die mich umgibt.
Ist das der Tod?
Meine Frage bleibt offen stehen, in diesem weißen endlosen Raum, löst sich in Luft auf und verblasst, als hätte sie nie existiert. So wie ich.
Sollte dies der Tod sein und ich hätte die Chance irgendetwas zu ändern, meine letzten Worte in den Weltraum zu schicken, was würde ich sagen?
Wahrscheinlich, dass es mir leid tut. Das ich vergeben hätte sollen, dass meine Ignoranz die beste Rache gewesen wäre.
Ich nenne es immer Rache, aber eigentlich war es keine Rache. Also stimmen meine Worte nicht. Der Grund, warum ich Sean nicht einfach vergeben konnte war, weil es mir nie um Rache ging. Ich wollte Vergeltung.
Und Vergeltung ist nicht Rache, Vergeltung ist Gerechtigkeit schaffen und das Karma ausgleichen.
Also was würde ich sagen? Was würde ich ändern?
Klar, Casper ist womöglich das verlogenste Arschloch der Welt, aber dennoch hatte er in einem Punkt Recht. Ich hätte Leben sollen.
Ich bin sechzehn und verkrieche mich zuhause, wo ich lerne oder Serien schaue. Ich lese Bücher und schaue Filme oder beides gleichzeitig und klar, dadurch lebe ich tausende Leben, aber keines davon ist meines.
Wenn ich eines ändern könnte, dann das ja sagen. Ich habe zu oft nein gesagt, mir zu oft Ausreden ausgedacht.
Wie oft hat mich Lydia gefragt, ob wir irgendetwas unternehmen wollen oder wie oft wollte mich Gracen schon mit zu einer Party nehmen?
Und wie oft habe ich nein gesagt, nur um mich daraufhin in mein Bett zu verkrümeln?
Hunderte Male.
All die Erfahrungen haben da draußen auf mich gewartet und ich habe es einfach nicht auf die Reihe gekriegt sie zu begreifen. Und nun stehe ich hier in diesem weißen leeren Raum der Farblosigkeit, womöglich für immer.
Dieser Raum ist wie eine Leinwand, die mein Leben symbolisiert. Und sie ist leer.
Ich wünschte ich hätte mehr erlebt. Anstatt eine Episode nach der Anderen zu schauen, hätte ich etwas erleben können. Anstatt mich auf die Rache bezüglich Sean festzuklammern und zu versuchen sein Glück zu zerstören, hätte ich mein eigenes finden müssen.
Und dieser Raum zeigt es. Diese farblose Unendlichkeit zeigt mich.
Ich lausche also der Stille mit dem Gedanken, dass ich, wenn das der Tod ist, ich diese für immer ertragen muss, als das Schweigen unterbrochen wird.
Immer wieder höre ich Stimmen, ich merke wie mein Umfeld verschwimmt, wie der weiße Raum und die vor mir tanzenden so hell leuchtenden Flecken verblassen.
Anfangs ist alles verzerrt, aber nach und nach wird es lauter und deutlicher.
»Hydra, wach auf. Alles ist gut. Atme. Immer schön atmen. In welchem Zustand befindet sie sich?«, Mom. Ganz sicher. Ihre Stimme klingt müde und mitgenommen. Ich versuche meine Augen zu öffnen, blinzle mehrmals und blicke direkt in das grelle Licht der Deckenlampe.
»Was ist passiert?«, ich starre um mich und als ich das Gesicht meines Bruders erblicke, der total verzweifelt neben mir sitzt, erinnere ich mich. Ich wusste nie was Leute damit meinen, wenn sie sagen sie sehen ihr Leben wie in einem Film, als wären sie kein Teil davon, aber das ist mir passiert.

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avenged
Novela Juvenil»Ist es nicht seltsam, dass sich Tag für Tag nichts ändert, aber wenn man in die Vergangenheit schaut, alles anders ist?« _____ Copyright by @letzteEinhorn Cover by @letzteEinhorn