avenged

Rätsel

Die dunkle Seite der Macht verführt einen leicht.

Wut eingeschlossen- Und nichts was ich den letzten Tagen empfunden habe war Stärker als Wut. Und gerichtet war diese Wut ausnahmsweise nicht gegen Sean, der immer mehr in den Hintergrund rutscht, sondern gegen Casper Parker. 

Wut ist ein rauschendes Gefühl, das sich wie eine klebrige Flüssigkeit durch deine Adern schleppt und das Blut zum Rasen bringt. Scheußlich langsam und dickflüssig kämpft es sich voran und versucht alles in dir aufzuhetzen, macht dich streitlustig.

Der Plan hätte funktioniert, alles hätte geklappt. Ich verstehe Caspers Argument nicht. Er meinte, er wolle sehen ob er mir vertrauen kann.

Und nun, weiß er jetzt ob er es kann? Jetzt wo er mich verpetzt hat und mir eine lang andauernde gemeinnützige Arbeit aufs Auge gedrückt hat. 

Sean hat die Rache trotzdem bekommen, wenn auch anders als geplant. Er hat ebenso keinen Schulverweis bekommen, Mr. McColden meinte das Ganze sei zu  unübersichtlich, aber er behält uns alle im Auge. 

Also war es umsonst. Ich verrichte umsonst gemeinnützige Arbeit, ich habe umsonst schlaflose Nächste hinter mir und meine langsam entstehende "Freundschaft" mit Casper war umsonst. 

Ich habe ihm nie vertraut, das muss ich dazu sagen. Seit Seans Vertrauensmissbrauch schenke ich den Menschen kaum noch Glauben, abgesehen von Jeremy oder meinem Lieblings-Zwillingsbruder. 

Lydia und meinen Eltern vertraue ich auch. Aber Casper nicht.

Das war eine Nötigung. Aber ich mochte ihn langsam.

Klar er war immer noch ein nerviger Schleimbolzen, aber da  war etwas, dass ich erträglich fand. Ich wollte es nicht darauf beruhen lassen und mich mit ihm aussprechen, doch bis jetzt hatte ich nicht unbedingt genug Zeit gehabt. Stattdessen hänge ich mit Gracen am Rand des Strandes rum und wir spielen unser all-bekanntes Spiel. Entstanden ist die Sache vor längerer Zeit, als uns im Einkaufszentrum langweilig war. 

Wir nennen es liebevoll »Ich kenn wen, den du nicht kennst«

Dabei geht es eigentlich nur darum, dass wir versuchen zu erraten, in welcher Situation einige Passanten gerade in unserem Blickfeld sind. 

»Siehst du den Typen mit den pinken Badeshorts?«

»Der Opa?«

»Ja genau der Opa«, Gracen grinst, »Okay. Er ist siebenundsechzig Jahre alt und heißt Jonathan Miller.   Eigentlich will er nicht an den Strand, aber er konnte seiner Enkelin den Wunsch nicht abschlagen. Er nutzt die Gelegenheit um ein paar hübschen Mädchen im Bikini nachzusehen.«

Ich stoße einen beinahe animalischen Laut aus und schüttle leicht angewidert den Kopf. »Quatsch. Der ist sicher voll nett. Und wo wäre dann bitte seine Enkelin?«

Ich mustere den grauhaarigen Mann und beobachte wie er sich Richtung Wasser dreht und die Arme in die Hüften stellt. Er wirkt fast wie einer dieser Film-Klischee-Bademeister mit diesen peinlichen femininen Unterhosen. 

Man muss dazu sagen, dass Gracen und ich nicht hier sind um zu Baden. Da wir an der Küste wohnen sind hier überall Strände und wir sind einige Minuten gegangen, um hier ein wenig rumzusitzen. Am Rand des Strandes sind ziemlich exotische tiefwachsende Bäume und wir setzen uns oft auf die untersten Äste und spielen dieses Spiel.

»Seine Enkelin ist dort im Wasser. Ups, seine Enkelin ist ein Enkel«, antwortet Gracen auf meine Frage und grinst mich an. Ich verdrehe die Augen.

»Okay, siehst du die Frau mit der riesigen Sonnenbrille, die aussieht wie eine Eule? Sie heißt Isabell Grayson und ist zweiunddreißig Jahre alt. Sie hat sich vor kurzem vor ihren Mann geschieden. Das Kind neben ihr ist ihre Tochter. Sie ist von ihrem Ex-Mann. Nun ist sie hier um diesen mit ihrer Bikini-Figur zurück zu erobern. Dazu hat sie sich eine komischerweise hässliche Sonnenbrille gekauft und vorher noch eine vier Monate lange Diät eingelegt. Gerade in dem Moment stellt sie fest, dass das umsonst war, weil ihr Mann nicht erschienen ist.«