"Lauf, lauf Mads, du musst sofort zurück zur Schule. Wenn sie uns kriegen sind wir Brei. Sie dürfen nicht wissen, dass wir uns getroffen haben", wisperte Christian neben mir. Ich konnte meine Angst nicht vor ihm verbergen. Ich hatte das Gefühl, dass er sie spürte. Ich hörte Christians gleichmäßigen Atem und er schien meinen ebenfalls zu spüren. Er wollte mich beschützen.
"Vergiss es, ich lass dich doch jetzt nicht allein", wehrte ich ab. Eigentlich wollte ich angriffslustig klingen, aber irgendwie klang meine Stimme wie die eines kleinen Mäusschens. Von irgendwo her vernahm ich das abgefallene Laub der Bäume unter Schuhen. Zum Glück war Herbst. Anhand dieses Geräusches wusste ich so ungefähr, wo sich der Schatten befand.
"Du kannst dein Wasser noch nicht gut genug trainieren. Ich übernehme das. Ich kann mit meinen Elementen besser umgehen", sagte er und zog mich hinter den dicksten Baum, den er finden konnte. Die Bäume warfen gespenstische Schatten auf dem Waldboden, da die untergehende Sonne den Himmel in ein herrliches Rot tauchte.
"Christian es wird gleich dunkel. Wir müssen hier schleunigst verschwinden, sonst werden sie uns noch..."
"Nein, sie haben ein besseres Gehör als jedes Tier. Wenn sie sich uns nähern werden sie unser Flüstern hören. Also sei still", befahl Christian.
Ich hielt den Mund und schwieg. Die Schritte kamen uns immer näher und näher. Die Haare auf meinen Armen stelltennsich auf, als wären sie elektrisch geladen. Mich wunderte, dass Christian so gar keine Angst zeigte. Ich machte mir vor Angst ja fast in die Hosen. Also versuchte ich mir im stillen Mut zuzusprechen.
Madline, sei kein Angsthase, sei kein Angsthase. Denk an etwas Schönes. Oder nein, denk am besten daran, wie du mit vier Jahren Angst vor der kleinen Achterbahn im Freizeitpark hattest und sich überwunden hast. Das gab mir neue Kraft. Die Schritte hörten nun auf. Die Schattengestalt musste neben uns stehen. Ich machte mich hinter dem Baum klein und duckte mich. Und tollpatschig wie ich war trat ich auch gleich auf den nächstbesten Zweig, der von dem morschen Baum abgefallen sein musste. Der Zweig sah verkohl aus, auf jeden Fall Totholz. Aber warum war er abgefackelt. Ich schaute mich um, doch eine Feuerstelle entdeckte ich nicht. Es musste einen anderen Grund geben. Ich sah zu Christian und erst da fiel mir auf, was ich soeben getan hatte.
"Renn Madline, halt nicht an", kommandierte Christian leise und sprang hinter dem Baum hervor. Seltsamerweise sah ich zwei Schatten, als ich hinter dem Baum vorsichtig hervorlugte. Ich hatte eigentlich nur eine Gestalt vernommen. Egal, ich setzte mich in Bewegung, sprang über einen umgefallenen Baumstamm und schaute auch nicht zurück. Ich rannte immer weiter. Aber mit einem Mal wurde mir klar, dass ich dieses Waldgebiet nicht mehr kannte. Hatte ich mich verirrt, ich wechselte die Richtung, kam den Schreien immer näher, lief an ihnen vorbei. Oh nein, was tun? Da kam mir ein Einfall. Ich streckte meine Hand aus um einen Wasserblitz zu erschaffen und konzentrierte mich. Ein Kribbeln blieb dieses Mal aus und auch kein Wasserblitz schoss aus meinen Fingerspitzen. Nochmal probierte ich es. Esmfunktionierte nicht. Irgendeine Art Barrikade verbarrikadierte meine Kräfte. Ich sah mich um und stand in diesem Moment einer Schattengestalt gegenüber. Christian musste noch immer kämpfen. Am Schatten vorbei sah ich nämlich ein helles Licht. Wahrscheinlich bändigte er nun Feuer, weil Schatten ja bekanntlich das Licht hassen. Ich stand dem Schatten gegenüber. Er trug eine bedrohliche schwarze Maske. Und seine Augen blitzten gefährlich auf. Ausgerechnet jetzt, wo meine Wasserkräfte nicht funktionierten. Und warum funktionierten Christians Kräfte dann? Vielleicht weil er der Avatar war. Mir blieb nur die Flucht, also drehte ich mich um und wollte weiterrennen, doch mitte in der Bewegung umklammerte mich eine große schwarze Hand. Vor Schreck schnappte ich nach Luft. Sollte ich Christian rufen? Nein, lieber nicht, er hatte genug zu tun und wenn er versuchte mich zu retten würden sie ihn kriegen. Die Hand unklammerte mich fester. Bald würde ich keine Luft mehr bekommen. Ich schnappte erneut nach Luft.
Sag tschüss Welt, dachte ich und kniff die Augen fest zusammen. Meine Kehle schnürte sich zu. Ich hustete auf die schwarze Hand. War das Blut? Omg, ich musste doch irgendwas tun können. Mein Sichtfeld verdunkelte sich. Meine Augen waren feucht, eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel.
In diesem Moment fing ich an zu leuchten. Mein Körper fing an zu leuchten. Die Hand löste ihre Umklammerung und stieß Rauchschwaden aus. Das Licht verbrannte die Hand des Schattens. Er ließ mich fallen, doch kurz über dem Boden begann ich zu schweben. Vor meinen Augen wurde es wieder klar. Ich landete sanft auf den Füßen. Ich schloss meine Augen vor Wut und streckte die Arme zum Himmel. Dann stampfte ich mkt meinem rechten Fuß auf und schrie mir die Seele aus dem Leib. Es war ein Machtschrei der im ganzen Wald widerhallte. Eine Energiewelle breitete sich von meinem Fuß in Kreisen aus. Die Schattengestalt wurde von den Füßen gerissen und zerfiel zu schwarzem Staub, genauer gesagt zu Asche. Ich musste ihr irgendwie mit Hilfe von Licht verbrannt haben. Das Leuchten zwischen den Bäumen hörte auf. Die Welle aus Licht hatte seinen Schattengegner ebenfalls verbrannt. Ich atmete schneller und rannte zu Christian. Das Adrenalin schoss mir beim Renne in den Kopf.
"Alles ok?", fragte ich meinen Freund, als ich erschöpft bei ihm ankam. Er nickte benommen.
"Ja, aber diese blaue Welle aus Energie hat mich von den Füßen gerissen. Warst du das?", wollte er wissen, während ich ihm aufhalf. Himmel, mir wurde klar, dass ich Christian fast ernsthaft verletzt hatte. Ich musste ihm ja nicht unbedingt die Wahrheit sagen. Ich wollte meinen neuen Freund nicht schon nach ein paar Minuten verlieren.
"Nein, den Schatten hat irgendwie ein Lichtstrahl getroffen und dann zerfiel er zu Staub", log ich, hoffentlich überzeugend. Christian beäugte mich kritisch.
"Von wo aus kam der Lichtstrahl denn?", fragte er genauer nach.
"Aus dem Himmel", antwortete ich schnell und er sah mich üngläubig an, schien mir aber zu glauben. "Dann muss uns wohl die Göttin geholfen haben", meinte er und fuhr sich durch seine zerstrubbelten Haare.
"Die Göttin? Und... wer ist das jetzt schon wieder?"
"So eine Art Mutter der Elementbändiger", gab er zurück und ich runzelte die Stirn.
"Aha, davon wusste ich bis jetzt noch gar nichts", erwiderte ich und freute mich, dass meine Lüge glaubwùrdiger erschien als gedacht. Wir schlugen den Weg zum Schulgebäude ein, schwiegen aber die ganze Zeit über bis Christian anfing über den Elterntag zu reden.
"Den Eltertag?" Ahnungslos sah ich ihn an. "Warum erfahre ich davon jetzt erst. Ich rufe meine Eltern noch schnell an vor dem Samstag, dann können sie noch kommen. Kommen deine Eltern?" Christian zögerte.
"Nein, meine Eltern... sind tot", entgegnete er und mir tat es sofort leid nachgefragt zu haben. Deswegen ließ ich es auch dabei bleiben und fragte nicht noch nach der Ursache des Todes.Oben im Zimmer 275 angekommen sank ich erschöpft in meine Kissen. Dieses Erlebnis heute Nacht solte erst einmal verdaut werden. Meine Hausaufgaben lagen unvollendet auf meinem Schreibtisch. Seltsamerweise schliefen meine Zimmermitbewohnerinnen alle, obwohl ich mich gar nicht erinnern konnte, wann sie das letzte Mal so früh ins Bett gegangen waren. Aber ich hatte keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment übermahnte mich der Schlaf.
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School of Elements
Fantasy~ Zwei Bände in einem Buch ~ ◆ School of Elements I - Ruf der Elemente ◆ School of Elements II - Nacht der Elemente ◆ School of Elements III - ? Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, jemand anderes zu sein. Ein komplett anderes Leben zu leben, a...