Nach Christians Kuss war ich so überwältigt, dass ich während der Strafarbeit einfach nicht anders konnte, als an ihn zu denken. Seine Lippen hatten sich so weich angefühlt, obwohl wir uns nur so flüchtig berührten. Cat grinste mich von der Seite her immer an, wenn ich mal den "verliebten Blick" aufsetzte. Diese Bezeichnung war noch nicht einmal richtig. So verliebt starrte ich ihn nun auch wieder nicht an. Weil es mich irgendwann nervte, grinste ich einfach zurück und guckte zu Chris. Cats eifersüchtiger Blick entging mir nicht. Immer wenn sie von Chris angesehen wurde, errötete sie und drehte sich schnell weg. Ihr Kichern hörte man danach trotzdem noch. Und Chris? Der pustete sich bei Cats sehnsüchtigen Blicken jedes Mal die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich fragte mich wann sich die beiden endlich näher kommen würden. Drew kehrte neben Coral die Blätter zu einem Haufen. Coral blickte ihn nicht einmal an, aber er beäugte sie, als wäre sie das schönste Mädchen auf dem ganzen Planeten. Zweifellos war Coral hübsch, nur leider beachtete sie Drew kein bischen und als sie sich dann doch umdrehte meinte sie nur: "Was glotzt du?"
Augenblicklich wandte sie sich wieder den Blättern zu und der enttäuschte Drew blickte sie leicht entzürnt an. Das Coral aber auch so gar nichts wahrnahm.Die Schulwochen vergingen schneller als das Kiki "Sebastian" rufen konnte. Wir vier schlichen uns vor jedem Test in unser neues Versteck, natürlich erst, sobald Alice aus dem Zimmer war. Kiki behielt bei unseren Besuchen die Uhr in den Augen. Man konnte bei Alice nie wissen, wie lange sie weg sein würde. Die nächsten Arbeiten bestanden wir alle mit 1. In den Ferien fuhren meine Freundinnen fast alle ab. Nur Coral zog es vor zu bleiben, so wie ich. Ihre Eltern flogen mit ihrer kleinen Schwester in den Urlaub. Ich wusste, dass es Coral, fertig machte und dass sie ihre harte Seite einfach nicht zeigen wollte. Nachdem ich Cat aus dem Zimmer begleitet hatte, hörten wir schon das erste Schluchzen.
"Meinst du sie kommt klar?", wollte ich von Cat wissen. Sie legte den Kopf schief, so dass ihr Sonnenhut beinahe runtergerutscht wäre.
"Nicht wenn du ihr ein bischen hilfst. Obwohl du mir gesagt hast, dass du nicht wirklich gut im Trösten bist, weiß ich, dass du es hinbekommst. Sie braucht dich jetzt. Du wirst sie ganz sicher nicht enttäuschen", versprach Cat. Ich lächelte. Cat hatte das Talent ihre Gedanken sehr gut in Sätze zu fassen. Und aus diesem Grund glaubte ich ihr. Wir gingen die Treppen hinunter auf den Hof, wo sich noch viele andere Schüler tummelten. Unten umarmte ich Cat noch einmal.
"Ich wünsche dir schöne Herbstferien in Italien. Wenn du was auf dem Herzen hast, dann schreib mir!", riet ich ihr und lachte.
"Ich werde dir auch so schon schreiben. Und ich wünsche dir natürlich auch schöne Herbstferien. Ach ja und wenn ich wiederkomme will ich jedes kleinste Detail hören, was du und Christian gemacht habt", befahl sie und fing ebenfalls an zu lachen. Christian fuhr nicht in die Ferien und würde wie ich im Internat bleiben. Meine Eltern hatten keine Zeit für mich, als ich sie nach einer Erklärung fragte. Daraufhin wäre ich am liebsten zusammengebrochen, weil das meine Vermutung bestätigte, dass sie mich los werden wollten.
"Christian und ich sind aber nicht zusammen, glaube ich", erzählte ich und sah sie mit großen Augen an.
"Ach nein? Welches Zeichen wollte dir Christian dann mit dem Kuss geben?" Ich zuckte zusammen. So ein Mist. Die anderen hatten es wohl doch gesehen. Oh mein Gott, schlimmer ging immer. Ich senkte den Blick. Irgendwie war es mir unangenehm, dass man uns in einem privaten "Nichtgespräch" beobachtet hatte.
"Ach was, das war doch gar nichts", winkte ich ab und sah auf, doch Cat drängelte sich vorne schon durch die Menge zum Bus. Die Türen schlossen sich hinter ihr, wobei sich viele beschwerten, weil sie nun auf den nächsten Bus warten mussten. Ich fragte mich, wie ich die Ferien nur ohne Cat an meiner Seite überstehen sollte. Ohne sie wäre es nicht das Gleiche. Der Bus setzte sich in Bewegung und ich begann zu winken, ohne zu wissen, ob mich Cat noch sah oder nicht. Ich hörte auch nicht auf zu winken, als der Bus hinter der Alleé verschwand. Der Hügel verschluckte den Bus quasi und ich wollte Cat am liebsten sofort wiederholen, denn ich vermisste sie jetzt schon. Als der nächste Bus nach zwanzig Minuten eintrudelte lief ich zurück ins Schulgebäude. Immerhin brauchte mich jetzt erstmal Coral und weil sie meine Freundin war, durfte sie sich genug Zeit lassen, so viel wie sie wollte. Oben angekommen riss ich die Zimmertür auf. Coral lag wie noch vor einer halben Stunde schluchzend auf ihrem Bett und versuchte die Geräusche in mit Hilfe ihres Kissens zu ersticken. Ich ging näher an sie heran und setzte mich sanft neben sie. Das Bett quietschte, so als würde es unter meinem kleinen Gewicht im nächsten Moment zusammenbrechen. Coral sah mich nicht an, sondern schluchzte weiter. Ich streichelte ihr langsam über den Rücken, weil auch meine Großmutter das immer tat, wenn ich traurig war. Meistens half es auch, aber manchmal konnte es in mir nur noch mehr Wut entfachen und das passierte auch bei Coral.
"Lass das!", hauchte sie plötzlich neben mir. "Lass mich allein!." Ihre Bitte kam so kalt, dass es mir fast meine zitternde Hand einfror. Ich hörte auf Corals Rücken zu tätscheln und entfernte mich von ihrem Bett. Also wirklich, trösten war einfach nicht mein Ding. Dabei vertraute mir Cat doch. Betreten ließ ich mich auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich jede Menge Zeit für mich hatte. Es schwebte nur eine Frage in der Luft: Was tun? Vor Langeweile würde ich sicher bald einschlafen. Deswegen entschied ich mich an meinem Bändigen zu arbeiten und schlüpfte durch die kleine Geheimtür auf die Treppe. Dieses Mal rutschte ich zum Glück nicht aus. Der Gang fühlte sich auf einmal länger an, als bei den anderen Malen. Vielleicht kam es mir so vor, weil ich mich das erste Mal allein zu unserem Versteck wagte. Irgendwann erreichte ich die Holztür und stieß sie auf. Es wurde eine Menge Staub aufgewirbelt, auch wenn wir die Tür denoch öfters benutzten. Ich öffnete die Tür zum Übungsraum. Er lag noch genauso da, wie wir ihn das letzte Mal vorgefunden hatten. Aufgeräumt und sauber, als käme jeden Abend ein Reiniger hier her und würde jedes noch so kleine Staubkörnchen hochkant aus dem Zimmer werfen. Ich betätigte die Schalter am Kasten und schlug erbarmungslos mit meinen Wasserkräften auf die Puppe ein. Ich ließ all meinen Frust raus, alles was mich ärgerte durchströhmte meinen Körper und wurde zu flüssigem Wasser, das sich in Kugeln in die Richtung der Holzpuppe bewegte. Erschöpft sank ich nach zehn Minuten zu Boden. Warum hatte ich mir keine Wasserflasche mitgenommen? Ich fiel nach hinten und seufzte. Vielleicht sollte ich das Training ein anderes Mal fortsetzen. Ein anderes Mal, wenn meine Wut auf meine Eltern geringer wurde. Frustriert stützte ich mich mit meinen Händen am Boden ab und zog mich hoch. Mein Blick richtete sich auf und begegnete zwei anderen Augen, die mich warm ansahen. Die Mundwinkel der unbekannten Person zogen sich nach oben.
"Mach nur weiter! Du darfst deinen Frust ruhig rauslassen, hier kannst du nichts schlimmes anrichten", erklärte die Frauenstimme mir. Ihre langen scnwarzen Haare fielen ihr glatt über die Schultern und die karamellfarbenen Augen strahlten Vertrauen aus. Sie hatte Vertrauen zu mir.
"Ähmm... sollte ich Sie kennen?", fragte ich und kratzte mir verwirrt am Kopf. Die Frau sah aus, wie ein Geist. Sehr durchsichtig und ihr langes Gewand schimmerte grau, als käme sie aus einer Zeit in der Farben unerwünscht wären. Ich schluckte, als sie anfing zu lächeln.
"Nun ja. Ich denke schon. Du musst mich kennen. Jedenfalls später", meinte die Frau. Hä, was sollte das denn heißen. Ich verstand nur Bahnhof.
"Ok, das Problem ist nur, dass ich nicht weiß wer Sie sind und ich glaube nicht, dass ich Sie kenne", gab ich zurück. Die Geisterfrau nickte.
"Nun ja, ein Geist bin ich jedenfalls nicht", antwortete sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Sie schritt durch den Raum, wobei ich schwören könnte, dass ihre Füße nicht den Boden berührten.
"Ist ja alles schön und gut, aber was meinten sie gerade? Dass ich all meinen Frust rauslassen soll?", stellte ich die nächste Frage. Ihr Gesicht blieb normal, so dass ich nicht einordnen konnte, ob ich sie mit meinen Fragen vielleicht nervte.
"Also zu allererst kann ich dir verraten, dass du meinen Namen bestimmt schon mal gehört hast. Und du kennst mich auch. Aber du erinnerst dich nicht mehr richtig an mich. Und das ist dein Problem. Madline, beim Bändigen spielen Gefühle eine wichtige Rolle, verstehst du? Frust bedeutet Wut und je mehr Wut du hast, desto mehr Energie wirst du entladen. Nur leider bringt es dir nichts, wenn du ziellos irgendwelche Bälle nach Puppen schmeißt, die noch nicht mal leben. Du könntest natürlich auch, den grünen Knopf drücken, um die Puppe wenigstens lebendig zu machen, doch das würde dir genauso wenig nützen. Was du brauchst, sind echte Gefühle und du musst lernen sie zu kontrollieren", endete die Frau. Ok, angesichts der Tatsache, dass sie meinen Namen kannte vertraute ich ihr einfach auch mal. Außerdem schien sie etwas vom Bändigen zu verstehen und genau das konnte ich jetzt gebrauchen. Ich trat vor.
"Vielleicht hört es sich jetzt komisch an, aber... würden Sie mir beim Bändigen helfen?"
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School of Elements
Fantasy~ Zwei Bände in einem Buch ~ ◆ School of Elements I - Ruf der Elemente ◆ School of Elements II - Nacht der Elemente ◆ School of Elements III - ? Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, jemand anderes zu sein. Ein komplett anderes Leben zu leben, a...