Kapitel 27- Geständnisse

5.3K 383 13
                                    

Ich schaute Christian an, als wäre er gerade einmal zum Mars und zurück geflogen. Von Lavabändigen hatte ich ja noch nie was gehört. Klar, vor ein paar Monaten hatte ich noch nicht einmal gewusst, dass ich ein Element bändigen konnte. Aber das war es nicht. Ich würde mich gar nicht aufregen, wenn ich wüsste, dass Coral auch keine Ahnung hatte, was Christian mit Lavabändigen meinte. Das Dumme war nur, dass sie es tatsächlich wusste, was ich an ihrem leichenblassen Gesicht erkannte. Obwohl wir gleichzeitig erfahren hatten, dass wir ein Element bändigen konnten, ahnte sie schon mehr von der Sache als ich, sodass ich mich fragen musste, ob meine Freundinnen heimlich in unserer persönlichen Bibliothek rumschnüffelten.
"Vielleicht hört sich das jetzt seltsam an, aber... wieso bin ich ausgerechnet die, die am wenigsten über diesen magischen Kram Bescheid weiß?", fragte ich leicht eingeschnappt. Coral blickte zu mir.
"Du willst mir doch nicht ernsthaft sagen, dass du nicht weißt, was Lava bändigen ist?", wollte Coral wissen und ich schüttelte den Kopf.
"Na das kann man sich doch denken", trat Christian ihr bei. Skeptisch betrachtete er mich und fügte hinzu: "Ein Lavabändiger kann Lava, Magma und heiße Gesteinsbrocken kontrollieren. Er hat sogar die Fähigkeit die Erde aufzureißen und dabei bis zur nächsten Erdschicht vorzudringen. Glaub mir, diese Gabe ist sehr selten." Ich stöhnte. Naja, so ungefähr hatte ich mir das auch vorgestellt. Fragen war doch nicht verboten.
"Ist ja auch egal. Wir müssen Drew von hier wegbringen. Ich kann sowas nicht heilen", sagte ich und beäugte unseren bewusstlosen Freund. Coral nickte heftig.
"Aber wie bringen, wir ihn von hier weg?", fragte sie und sah sich um. Ich wandte mich an sie.
"Wir müssen ihn nicht tragen. Hat jemand sein Handy dabei?" Coral schüttelte den Kopf.
"Naja, ich hatte es bei mir, aber vorhin, als mich dieser Schattenbaum gepackt hat, habe ich es fallen gelassen. Jetzt ist es bestimmt nur noch ein Haufen an Schrottteilen, falls ich es je wiederfinden sollte. Und meine Eltern werden mir sicher auch kein neues kaufen. Das müsste ich schon mit meinem Taschengeld bezahlen, und da ich im Monat nur fünf Euro bekomme, wird das wohl kaum für ein Handy..."
"Jaja, lange Rede, kurzer Sinn", stoppte ich meine Freundin. Ich stand auf und packte Drews Bein. "Los, helft mir", kommandierte ich. Coral schnappte sich Drews andere Bein und Christian Drews Oberkörper, wobei er höllisch bei den Wunden aufpassen musste. Drew keuchte kurz auf und brachte einen schmerzhaften Laut hervor. Erschrocken sah ich zu seinem linken Bein, welches Coral hielt und stellte entsetzt fest, dass es energisch zuckte, aber das Bein das ich festhielt ganz ruhig blieb. Oh nein. Beinahe hätte ich mir gegen die Stirn geklatscht, würde ich nicht gerade ein Bein halten.
"Wir müssten uns dann mal beeilen", riet Christian und wir schleppten Drew ein Stück durch den Wald bis wir wieder auf der Wiese standen.
"Wenn wir nur noch etwas weiter kommen, sieht uns vielleicht jemand vom Hof aus und hilft uns", hoffte Coral. Ich konnte ihr nur zustimmen und wir trugen den Jungen so weit es ging. Irgendwann blieb Coral stehen.
"Wartet mal, ich habe das Gefühl er wird immer schwerer", glaubte sie und ließ das Bein sinken. Christian wischte sich den Schweiß von der Stirn. Coral hatte Recht. Drew schein immer schwerer zu werden. Ich legte meine Last ebenfalls ab um kurz zu verschnaufen.
"Es ist noch ein ganzes Stück", meinte Christian. Ich stützte mich auf den Knien ab und ließ hörbar die Luft entweichen. So schnell würden wir nicht beim Internat ankommen.
"Ich renne los und hol jemanden", schlug ich vor und richtete mich auf. Christian betrachtete mich eingehend. "Ich schaffe das", versprach ich und rollte mit den Augen, obwohl ich mir da selbst nicht so sicher war, ob ich es wirklich schaffen würde. Bevor irgendjemand einen Kommentar abgeben konnte, sprintete ich los.

Eine Stunde später standen wir alle drei um Drew herum. Er lag in einem großen Krankenbett und hatte oben auf dem Kopf ein riesiges Pflaster. Sein Bein hing in einer Schlinge, während die Heilerin seine rechte Hand unter die Lupe nahm.
"Sieht geprellt aus. Also eins ist klar. So schnell werden wir ihn nicht gehen lassen können. Wir haben jetzt erstmal die Blutung gestoppt und hoffen das sein Bein schnell heilt. Was ist eigentlich passiert, dass sich dieser Junge so schwer verletzt hat?", hakte die Heilerin nach. Ihr kritischer Blick entging mit nicht. Coral schluckte heftig.
"Er ist gegen einen Baum geschleudert worden. Wird er wieder gesund?", versuchte Coral die Krankenscbwester abzulenken. Ich biss mir auf die Unterlippe. Coral hatte schon zu viel verraten. Misstrauisch hob die Heilerin eine Augenbraue.
"Gegen einen Baum?", wiederholte sie, wobei sie stark das Wort "Baum" betonte. Erschrocken warf Coral einen Blick zu mir. Was nun?
"Er... ähm... wurde von einem Schatten angegriffen", log Coral und ich nickte bekräftigend. Ob uns die Krankenschwester glaubte?
"Das kann gar nicht sein, denn die Schatten dürfen nicht aufs Schulgelände, so lautet unser Deal", erklärte sie uns und ihr Blick verfinsterte sich schlagartig. Coral zuckte mit den Schultern. Hoffentlich sagte sie jtzt nichts falsches.
"Tja", murmelte Coral und sah hilfesuchend wieder zu mir. "Dann haben sie den Deal wohl gebrochen", meinte meine Freundin. Die Krankenschwester richtete sich auf.
"Darüber muss die Schulleitung dringend informiert werden." Sie wandte sich zum Gehen. "Fürs Erste könnt ihr bei ihm bleiben, aber wir wissen nicht, wann er zu sich kommt." Und mit diesen Worten rauschte sie davon. Ich stellte mich neben Coral.
"Ich hab das Gefühl das wird Ärger geben", spürte ich und stellte mich zu Coral. Diese war immernoch leichenblass.
"Mir ist nichts besseres eingefallen", gestand sie und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Krankenbett. Ich wusste sie würde bei ihm bleiben wollen. Christian schwieg weiterhin. Er hatte seit wir neben Drews Bett standen noch gar nichts gesagt.
"Ist irgendwas? Du bist so ruhig", stellte ich fest. Christian wich meinem Blick aus.
"Ich hätte Drew das alles ersparen können", flüsterte er, damit Coral uns nicht hörte. Ich runzelte die Stirn. Was meinte er bloß? Ich rückte ein Stückchen näher. Er fuhr fort.
"Wäre ich nur eher darauf gekommen Blitze zu bändigen, wäre all das nicht passiert. Ich weiß, was du metzt denkst. Wieso hat Drew es dann nicht gemacht? Es ist nämlich so, dass Drew es nicht kann. Er konnte nie Blitzebändigen und deshalb überrascht es mich auch nicht, dass er plötzlich anfängt Lava zu bändigen. Nur fühle ich mich schuldig, dass ihm das alles passiert ist". Fast glaubte ich einen kleinen Aufschluchzer von ihm gehört zu haben. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Es ist nicht deine Schuld. Und falls du es vergessen hast, Drew hat uns gerettet. Es war seine Entscheidung. Und mal ganz ehrlich, du hättest das gleiche für ihn getan", beruhigte ich ihn. Christian senkte erneut den Blick und zögerte. Vorsichtig schob er meine Hand weg.
"Hättest du doch, oder?" Rasch entschied Christian sich für einen Themawechsel.
"Ist ja auch egal. Du hast mir versprochen das Buch zu geben", erinnerte er mich. Enttäuscht seufzte ich, nickte aber. Für einen kurzen Moment hatte ich geglaubt, dass Christian es bestätigen würde. Dass er bestätigen würde, dass er Drews Leben ebenfalls über sein eigenes gestellt hätte. Doch er sagte es nicht. Ich führte ihn zu unserem Zimmer und ließ mir so viel Zeit wie möglich. Auch wenn sich Christian hinter mir ziemlich genervt anhörte, behielt ich mein lahmes Tempo bei und ließ ihn denken, dass ich noch zu erschöpft vom ganzen hin und her rennen war. Ich lief zu unserer Zimmertür jn den vierten Stock und öffnete langsam die Tür. Christian stürzte an mir vorbei.
"Also wo ist es?", fragte er gierig, als würde er damit eine riesige Beute machen. Ich ging zu meinem Nachtisch und schob die Schublade auf. Entrüstet stand ich auf.
"Christian?", sagte ich zittrig.
"Wer hat das Fenster offen gelassen?", wollte er wissen.
"Christian", schrie ich nun fast. "Es... es ist weg", teilte ich ihm mit. Christian riss die Augen auf. "Was?"
"Es ist weg", rief ich aus und stieß die Schublade auf. Christian trat heran und blickte zu mir.
"Das kann nicht sein", wisperte er leise und lief im Zimmer umher. Ich zitterte am ganzen Körper.
"Ich weiß. Hier kann niemand rein. Die Zimmertür war abgeschlossen. Aber... das Fenster steht ja offen. Irgendjemand ist hier eingebrochen", fiel mir auf. Christian blieb stehen und kniete sich auf dem Boden. Ich ging zu ihm. Er hatte eine feine Staubspur entdeckt, die von meinem Nachtschrank bis zum Fenster verlief. Dann erhob er sich.
"Mads? Coral hat nicht gelogen. Sie waren hier. Die Schatten!"

School of Elements Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt