Das Erste was ich sah, als ich die Augen aufschlug, war mal wieder die Farbe weiß. Wie ich diese Farbe inzwischen verabscheute. So oft hatte ich sie jetzt schon gesehen und wusste nie, wo ich mich wirklich befand, ob ich tot war oder mich doch im Avatarzustand befand. So langsam ging mir diese Farbe wirklich auf die Palme.
Von weit her drangen nun auch Stimmen an meine Ohren, aber ich konnte nicht verstehen, worrüber sie sprachen oder wie viele es genau waren. Eine Welle des Schwindels überrollte mich und promt meldete sich mal wieder der Brechreiz. Am liebsten hätte ich mich jetzt und hier vor den Personen übergeben, doch ich versuchte, mich zurückzuhalten. Irgendwie erinnerte ich mich nicht mehr richtig daran, was geschehen war, bevor ich ohnmächtig geworden oder sogar gestorben war. Meine Augenlider wurden immer schwerer und schwerer und die Personen schienen noch nicht wirklich Notiz von mir ergriffen zu haben. Zumindest nicht, bis ich anfing, wie eine Erkältete zu husten.
Ruckartig senkte sich ein Kopf über mich. Eigentlich nicht nur einer, sondern drei, die aber seltsamerweise alle gleich aussahen und dessen Umrisse ineinander übergingen. Ich schluckte und kniff die Augen fest zusammen, doch dadurch wurde es noch schlimmer.
In diesem Moment pikste mir jemand mit etwas kleinem, spitzem in den Arm. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und holte tief Luft, weil ich befürchtete, dass ich sonst ersticken würde. Allmählich klärte sich mein Blickfeld und ich sah deutlich eine Krankenschwester neben dem Bett stehen, auf dem ich lag. Mrs Chatfield saß auf einem Stuhl neben der Heizung unter dem Fenster. Auf dem Tisch vor ihr stand eine dampfende Tasse, in der ich Tee oder Coffee vermutete. Mein Blick glitt hinüber zu der Wand mir gegenüber. Dort hing noch das weiße Poster mit dem Hilfekreuz darauf. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass ich genau in dem Raum lag, in dem ich damals nach dem Unfall mit Cats Spiegel behandelt worden war. Ich seufzte, als ich daran zurückdachte. Christian hatte mich vergiften wollen und...
Himmel, wie konnte ich nur immer vergessen, dass Christian nicht mehr lebte. Meine Erinnerungen an die letzten Stunden und Tage trafen mich wie der Blitz, dem ich die Energie entzogen hatte. Mein Puls raste und ich setzte mich blitzschnell auf. Kälte umspielte meine Beine."Ich muss zu Christian", rief ich den beiden Frauen eilig zu und schlug die Bettdecke zur Seite. Wackelig rutschte ich an die Bettkante, doch die Krankenschwester hielt mich zurück.
"Keine Sorge, deine Freunde haben uns informiert, dass du und Christian dringend Hilfe braucht und da sind wir so schnell gekommen, wie es ging", erklärte mir Mrs Chatfield ruhig. Ich hob verwirrt eine Augenbraue.
"Was heißt hier benachrichtigt? Soll das heißen, sie sind den ganzen Weg zurück zum Internat gelaufen und haben so Hilfe geholt?", fragte ich sie misstrauisch. Die Direktorin schüttelte den Kopf und hob ihre Teetasse an. Nach drei Schlucken stellte sie die Tasse schließlich wieder ab und wandte sich wieder mir zu.
"Deine Freundin, Cat, hat in letzter Zeit schlecht geträumt, nicht wahr?" Sie setzte ein beruhigendes Lächeln auf, obwohl ich noch überhaupt nicht verstand wieso? "Weißt du, unter den Elementbändigern können besondere Gaben an Personen verliehen werden, wenn der Göttin jemand besonders aufgefallen ist oder die Fähigkeit wird vererbt. Cats Großmutter hat eine dieser besonderen Gaben erhalten und sie nach ihrem Tod an Cat weitergereicht. Sie hatte die Gabe der Visionen. Visionen sind sehr hilfreich, um einen kurzen Ausschnitt auf die Zukunft zu erhaschen", berichtete sie mir. Irgendwie kam ich da noch nicht so richtig mit.
"Cats schlechte Träume haben aber schon vor dem Tod ihrer Großmutter angefangen. Waren das etwa auch Visionen?", wollte ich wissen.
Die Schulleiterin schüttelte den Kopf und setzte sich noch aufrechter hin, als sie ohnehin schon saß. Die Krankenschwester stupste mich leicht zurück und breitete die Decke über mir aus, damit ich es schön warm hatte. Ich sank entspannt in die Kissen.
"Das was Cat da gesehen hat, waren keine richtigen Visionen. Es waren Vorahnungen. Manche Visionen lassen sich verhindern und deshalb nennt man sie Vorahnungen. Die richtige Gabe wurde erst auf sie übertragen, als ihre Großmutter starb", informierte sie mich. "Wennman seine Gabe nicht kontrollieren kann, treten sie meist in Träumen auf, um die Person zu warnen. Cat hat mir vorhin erzählt, dass sie ein Buch darüber gefunden hat, als ihre "schlechten Träume" sich vermehrt haben. Sie hat versucht, ihre Fähigkeit zu kontrollieren und gelernt, wie sie einem eine Nachricht mit Hilfe ihrer Visionen schicken kann. So hat sie es mit mir gemacht. Die Nachricht war nicht besonders lang, da unsere Verbindung durch den Schattenwald eher geschwächt wurde, aber es reichte, um mir ihren Standort und den Hilferuf mittzuteilen."
Ich lächelte in mich hinein, als sie das sagte. Wieso hatte ich nicht früher erkannt, was Cats schlechte Träume zu bedeuten hatten? Es hätte mir spätestens dann klar werden müssen, als sie mich warnen wollte. Mein Herz machte einen Satz.
"Und wo ist sie jetzt?", stellte ich die nächste Frage. Dieses Mal antwortete mir die Krankenschwester.
"Du wirst dich jetzt erstmal erholen müssen und etwas essen und wenn es dir besser geht, wirst du heute Abend draußen sein. Du wirst auch deine normalen Sache anziehen dürfen", versicherte sie mir. Sie bemerkte, dass ich stutzte. So schnell schon? Da hatte wohl jemand Heilmagie eingesetzt. Ich nickte brav und die Krankenschwester rollte hinter dem Schrank neben dem Bett einen Wagen hervor, auf dem ein riesiges Tablet stand, das mit Toasts, Marmelade, Salat, Eiern, Gemüse und Obst beladen war. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Zu recht, den schließlich hatte ich mehr als einen Tag nichts gegessen und es wunderte mich schon, dass ich überhaupt nicht verhungert zu sein schien. Mein Magen stimmte der Heilerin zu.
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School of Elements
Fantasy~ Zwei Bände in einem Buch ~ ◆ School of Elements I - Ruf der Elemente ◆ School of Elements II - Nacht der Elemente ◆ School of Elements III - ? Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, jemand anderes zu sein. Ein komplett anderes Leben zu leben, a...