8. Verdacht

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Ich konnte mich auch irren, aber dass er auf Rache sann konnte nur bedeuten, dass wir uns kannten oder dass er sich für jemand anderen an mir zu rächen versuchte. Da er offensichtlich eine Verbindung zu den Schatten besaß, hatte ich vielleicht im Kampf jemanden umgebracht, dem er sehr nahe stand, denn bei dem Zusammentreffen an der Schattengrenze überlebte nicht ein einziger dieses Schattenbundes. Er stammte nicht aus dem gleichen Clan, aber er hatte jemanden dort gekannt, für dessen Tod ich büßen sollte. Die Fäden des Netzes brannten sich tief in meine Haut. Ich musste etwas dagegen tun. Das Netz konnte ich nicht zerstören, dafür sorgte die Magieblockade, die man über das Netz verbreitet hatte. Meinen Händen fehlte die Energie, sodass sie sich auf eine merkwürdige Weise taub anfühlten. Mein Körper jedoch war aktiv. Wenn ich es richtig anstellte, würde ich vielleicht etwas Energie aus meinem Körper verwenden können, um eine Selbstheilung zu starten.
Irgendwie musste ich seinen Plan verhindern, was auch immer es war. Für den Moment reichte es, wenn ich ein wenig Zeit schinden konnte.
"Wieso bist du hier? Kennen wir uns?", fragte ich mit scharfer Stimme und zuckte zusammen, als mich sein stechender Blick traf.
"Stell keine dummen Fragen! Du hast es bald hinter dir", versprach er und seine Augen funkelten gefährlich, bevor er sie schloss. Das wäre ein guter Moment zum Angreifen gewesen. Fast war mir, als hätte ich diese Augen doch schon einmal gesehen, allerdings wollte mir nicht einfallen, wo.
In mir sammelte sich die Energie und die übliche Wärme schoss in meinen Körper. Ein Kribbeln breitete sich auf meiner Haut aus, als die Energie auf die Stellen traf, an denen sich die glühenden Fäden in meine Haut fraßen. Ein leises Zischen erklang. Alarmiert sah ich auf, doch der Schattentyp hielt die Augen geschlossen und schien es nicht bemerkt zu haben, sondern ließ seine Hände mit flüssigen Bewegungen in der Luft kreisen. Mir graute schon vor dem was passieren würde, denn im Moment sah es tatsächlich so aus, als hätte ich keine Chance zu entkommen. Wenigstens linderten sich die Schmerzen ein wenig. Ich spürte zwar noch die Hitze, doch nun war sie größtenteils ertragbar. Ich hob meine Hand an und versuchte, sie durch das Netz zu zwängen. Meine Konzentration ließ für einen Moment nach und ich zog die Hand schnell zurück. Die Stelle, an der ich das Netz berührt hatte, prickelte unangenehm. Ich nahm die Energie wieder auf und tastete am Boden nach einer Ritze oder einer Öffnung, damit ich die Hand frei bekam, doch das Netz haftete am Boden wie ein Magnet am Kühlschrank.
Mein Blick glitt erneut zu dem Schatten, dessen Hände sich nun wild im Kreis drehten. Die Schattenmasse wirbelte in Kreisen vor ihm durch die Luft und materialisierten sich zu einer schwarzen Kugeln, so ähnlich, wie ich sie schon kannte, nur mit dem kleinen Unterschied, dass eine runde Öffnung darin blieb. Ein Stöhnen entfuhr meinen Lippen.
"Warum muss die Schattenessenz denn auch immer schwarz sein? Kann sie nicht mal grün sein?", beschwerte ich mich augenrollend, um den Jungen von seiner Konzentration abzubringen. Allerdings ignorierte er meinen Kommentar geflissentlich und brachte die Kugel mit weiteren Handbewegungen zum Wachsen. Ohne Zweifel musste dieser Typ ein Gelehrter sein, denn in Wassertraining hatte uns Mrs Bluelight einmal erklärt, dass jede Art von Wesen in unserer Welt ausgebildet wurde und die Ausbildung erst dann als abgeschlossen galt, wenn man ein gewisses Maß an Konzentration aufbringen konnte. Somit ließ sich also nur erahnen, in welchem Alter sich dieser Schatten befand. Auf Anfang 20 schätzte ich ihn schon, was aber auch nur daran liegen konnte, dass mir seine Augen so vertraut schienen. Die Kugel erreichte nun fast die Breite von einem Meter und drehte sich, ähnlich wie ein Globus, sodass ich ab und zu einen Blick auf die Öffnung erhaschte. Der Schatten (oder eben nicht Schatten?) trat einen Schritt auf mich zu. Die schwarze Masse manifestierte sich und verwandelte sich somit in eine schwarze Hülle.
Angestrengt hielt ich den Heilungsprozess aufrecht, aber mir wurde schlagartig bewusst, dass ich mich aus eigener Kraft nicht würde befreien können. Ich benötigte dringend Hilfe. Zu dumm auch, dass wir noch keine Gedankennachrichten behandelt hatten. Würde Cat in meiner Lage stecken, könnte sie mit Hilfe ihrer Visionen Hilfe verständigen, dennoch wäre es genauso schlimm, wenn sie in diesem Schlamassel sitzen würde. Leise seufzte ich. Das durfte doch nicht wahr sein. Was für eine blöde Idee, den Genger zu unterschätzen und einfach allein in diesen bescheuerten Wald zu laufen!
Der Junge trat nun ein paar Schritte auf mich zu und kniete sich zu meinen Füßen hin. Ich hielt den Heilungsprozess noch immer aufrecht, doch das würde mir gleich nichts mehr nützen. Er beugte sich über mich, sodass die Kugel nun direkt über mir schwebte und ich mitten in die Öffnung starrte, die sich vor meinen Augen als schwarzer Schlund auftat. Wozu war dieses Teil gut? Mir gingen die seltsamsten Theorien durch den Kopf, dass dieses Ding mir die Lebenskraft entsaugen würde und soetwas. Mal ehrlich, ich las zu viele Bücher. Außerdem wäre das diesem Schatten nicht groß von Nutzen, mein Leben in einer schwarzen Kugel mit sich herumzutragen, oder? Mich störte es, dass ich anscheinend gar nichts unternehmen konnte und bewegungsunfähig wie ein Insekt im Spinnennetz auf den Untergang wartete.
Die Schattenessenz schwebte nun direkt über meinem Kopf. Ich behielt sie genau im Blick, denn je näher sie mir kam, desto mehr zitterte ich. Zum Teil lag es auch an der Kälte. Dicht vor meiner Stirn blieb die Kugel stehen und im gleichen Moment fühlte ich mich, als hätte man mir ein Brett vor den Kopf geschlagen, so als gehörte dieser Körper gar nicht mehr mir. Meine Augen schlossen sich wie von selbst.
Gleich darauf vernahm ich einen dumpfen Schrei und das Geräusch von fließendem Wasser. Cat? Hatte ich ihr einen Hilferuf gesendet, während ich an sie dachte? Nein, zum Wald zu laufen und mich aufzuspüren hätte niemals ein paar Minuten gedauert. Mein Kopf dröhnte und schon bald konnte ich das Dröhnen nicht mehr von den dumpfen Geräuschen unterscheiden. In mir schrie alles nach Luft. Ich wollte schreien, doch stattdessen mischte sich nur ein erstickter Laut in das Dröhnen, welches sich anhörte, als fahre ich auf einem Zug mit voller Geschwindigkeit durch einen Tunnel. Irgenetwas brannte auf meiner Haut, aber ich konnte nicht zuordnen, woher das Brennen kam. Mein Herz klopte wie ein Presslufthammer. Dann verstummte das Dröhnen und als das Brennen abnahm, fühlte ich mich, als hätte man mir eine schwere Last abgenommen. Zurück blieb nur ein durchgängiges Piepen.

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