Kapitel 38- Verrat

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Ich blinzelte ein paar Mal, um mir sicher zu sein, dass ich noch lebte. Zugegeben wäre das etwas unwahrscheinlich bei einen winzigen Scherbenregen zu sterben, aber irgendwie überrollte mich eine Welle der Angst, weil ich vor meinen Augen nur eine Farbe sah: weiß. Ich fröstelte leicht und wollte mir die Hände auf die Oberarme legen, damit ich mich wärmen konnte. Nur hing mein Arm an irgendeiner Schnur fest. Ruckartig setzte ich mich auf. Tatsächlich hatte sich ein durchsichtiger Schlauch um mein Handgelenk gewickelt. Mein Blick glitt umher, zu einem offenen Fenster und in der Wand rechts von mir war eine Tür. Die weiße Farbe gehörte also nur zur Decke des Zimmers. Neben dem Fenster stand ein Stuhl an einem Tisch und auf dem Tisch stand ein kleiner Blumenstrauß und eine Obstschale. An der Wand, die mir gegenüber lag, hing ein riesiges Poster, mit einem roten Kreuz darauf. Okay, dann musste ich mich im Krankenzimmer befinden. Aber wozu war diese Schnur gedacht? Ich wickelte sie ab und betrachtete das Gerät, an dem sie endete. Im Gegensatz zum Fenster wirkte es riesig. Ich kannte mich ja nicht unbedingt mit den ganzen Geräten in Krankenzimmern aus, aber ich war mir sicher, dass ich nicht so schwer verletzt war, dass ich dieses Ding brauchte. Ich langweilte mich eine Weile und dachte an den armen Drew, der es in so einem Zimmer mehrere Monate hatte aushalten müssen. Ich fragte mich immer noch, warum die Heilerinnen so lange für seine Gesundheit gebraucht hatten.
In diesem Moment ging die Tür auf und eine kleine, dünne Heilerin betrat den Raum. In meinen Augen sah sie etwas streng aus, so wie sie die Augen zusammenkniff. Ihre kurzen Haare wirkten beinahe zerfilzt, als hätte sie seit zwei Jahren keine Bürste mehr benutzt. Unwillkürlich musste ich schlucken. Kälte breitete sich in mir aus, als sie sich langsam meinem Bett näherte. Warum hatte ich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte?
"Du sollst den Schlauch dranlassen", krächzte die Frau. Beim Klang ihrer Stimme blieb mir fast das Herz stehen und ich zuckte automatisch zusammen. Obwohl sie wie eine Frau aussah, hörte sich ihre Stimme so männlich an und sie erinnerte mich an einen sprechenden Raben. Sie hörte sich ja beinahe heiser an. Und ihre Augen erst. Haselnussbraun, diese Augen würde ich überall wiedererkennen. Doch bevor ich hier irgendjemanden beschuldigen konnte, brauchte ich Beweise. In der Zeit, die ich brauchte um über diese Frau nachzudenken, hatte sich die Heilerin den durchsichtigen Schlauch geschnappt, und ihn wieder um mein Handgelenk gewickelt. Kam es mir nur so vor oder wurde mein Handgelnk gerade von diesem Schnurteil angesogen?
"Ich brauche das aber nicht! Mir geht es gut", wiedersprach ich und verengte die Augen. Die Heilerin hob ihre linke Augenbraue und beäugte mich kritisch.
"Bei deinem Zustand würde ich dir das "Schnurteil" dringend empfehlen." Das reichte mir. Länger hielt ich diesen kalten Blick nicht aus. Ich probierte es mit einem Ablenkungsmanöver, damit ich heimlich diesen grässlichen Schlauch entfernen konnte.
"Interessant, dass Sie Gedanken lesen können. Ist das für einen Elementbändiger normal?", fragte ich prüfend. Leider rutschte meine Hand, nicht so gut am Schlauch vorbei. Eher hatte ich das Gefühl, dass sie wie ein Lolli im Gefrierfach festklebte. Die Miene der Frau verhärtete sich, doch sie bemühte sich um einen unschuldigen Gesichtsausdruck. Wie lange starrte sie mich jetzt eigentlich schon an?
"Ich würde mal sagen, dass ein kleines Kind wie du, nicht so viel Erfahrung hat, wie ich", stieß die angebliche Heilerin hervor und machte noch einen Schritt auf mein Bett zu, falls es überhaupt noch näher ging.
Plötzlich gab es einen Ruck an der Schnur und nein, ich hatte mich nicht etwa aus der Umklammerung des Schlauchs befreien können. Das Schnurteil zog noch stärker an meinem Handgelenk. In diesen paar Sekunden kam es mir vor, als würde man mich über insgesamt vierzehn Baumstämme schleifen. Ich durfte keine Schwäche zeigen, doch gerade jetzt fiel es mir schwer. Ich schnappte nach Luft, mein Atem rasselte. Die Frau verbarg ihr Grinsen nicht. Ich zitterte leicht. Als ich erneut aufsah, schien die Frau Mitleid mit mir zu haben. Es war, als wäre sie eine völlig andere Person oder war es doch nur Einbildung? Ihre braunen Augen funkelten gefährlich. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Vielleicht hatte ich wirklich Halluzinationen, aber das könnten auch echte, schwarze Energiekugeln sein, die sich Stück für Stück um ihre Fäuste verteilten. Furcht stieg in mir auf. An meinem Krankenbett stand ein Schatten!
Auf einmal sprang die Tür auf und eine andere Frau rollte einen Putzwagen herein. Zuerst blickte sie in mein erschrockenes Gesicht, dann auf die Heilerin und schließlich auf die Hände der Frau. Also bildete ich mir diese schwarzen Energiebälle doch nicht ein. Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, welcher mir fast die Luft raubte. Ich atmete schneller und schnappte zum wiederholten Male nach Luft. Es fiel mir schwer zu atmen. Was machte diese Schnur mit mir? Die Umrisse der dunklen Frau flackerten. Nur kurz sah man ihre braunen Augen in der Luft aufleuchten, danach stand Christian vor mir. Nur zur Info, das Fenster stand immer noch offen und zerzauste seine wunderschönen Haare, die im Licht der Sonne glänzten. Noch dazu war er oberkörperfrei und dass ich mich ermahnte, ihn nicht anzustarren, half auch nicht viel. Auf seinem muskulösen Körper zeichneten sich merkwürdige Zeichen ab. Ich hätte schwören können, dass sie schwarz waren, aber irgendwie sahen die Zeichen eher aus wie Narben. Sicher braucht kein Mensch bei diesem Anblick zu erwähnen, dass er wie ein Gott aussah. Fast hätte ich vergessen, dass er mich angelogen hatte und zur dunklen Seite gehörte und überhaupt all seine Fehler. Aber nur fast.
Die haselnussbraunen Augen weit aufgerissen wandte sich Christian zur Putzfrau um. Dieser Augenblick reichte mir, um meine letzte Kraft aufzubringen und mein Bein über die Bettkante schnellen zu lassen. Ich trat nach Christian, zwar nicht doll, doch er geriet dennoch ins schwanken. Bevor ich noch irgendeinen fiesen Kommentar abgeben oder dem Typen meine Meinung geigen konnte (worauf ich mich schon so gefreut hatte), stürzte er sich aus dem Fesnter und war verschwunden, zumindest aus meinem Sichtfeld. Die Putzfrau eilte auf mich zu, fühlte meinen Puls und verließ dann das Zimmer. Wie konnte sie mich jetzt alleine lassen. Und schon mein Gehirn ab und ich sank in die Kissen.

"Sollten wir sie einweihen? Immerhin ist sie diejenige, bei der wir es geschafft haben, ihn zu ertappen und es wäre das Mindeste ihr eine Erklärung zu liefern", vernahm ich eine Stimme von weit her. Ich konzentrierte mich nicht richtig darauf, was sie sagte. Ich hörte die Stimme nur. Die Worte kamen auf jeden Fall aus dem Mund einer Frau. Mein Gehirn wollte sich aber nicht mit dem Gedanken beschäftigen, wer nun gesprochen hatte. Zumindest klang die Stimme sehr melodisch.
"Meinen Sie nicht, dass die Schule dieses Jahr schon zu viele Gefahren verarbeiten musste? Ich finde, wir sollten es ihr nicht sagen. Wer weiß wer alles noch davon erfährt. Schlimmstenfalls die ganze Schule und dann bricht hier eine Massenpanik aus, auf die ich gut und gerne verzichten kann." Eine männliche Stimme. Glasklar drang sie zu mir durch.
"Wir müssen die Schüler dennoch warnen. Wenn sie dem Feind in die Arme laufen, könnten sie ihn womöglich noch für einen Freund halten. Dazu darf es nicht kommen. Fakt ist, dass Christian mit den Schatten im Bunde steht und diese planen höchstwahrscheinlich einen Anschlag auf unsere Schule. Die Schatten müssen aufgehalten werden. Die Oberstufenschüler gehen schon zum Kampftraining und trotzdem sollten wir auf Nummer sicher gehen." Beim Klang von Christians Namen wurde ich wieder in die Wirklichkeit geholt und zuckte zusammen, so heftig, dass ich gegen die hintere Bettkante stieß. Kennt ihr diese Zeichentrickfilme, in denen Sternchenkreise über den Köpfen von Personen kreisen? So ähnlich musste das bei mir aussehen. Ich blickte zum Tisch neben dem geschlossenen Fenster. Dort saßen die Gründer und schienen sich zu beratschlagen. Ich setzte ein entschuldigendes Lächeln auf.
"Hab ich was verpasst?", kam es aus meinem Mund, ohne das ich beabsichtigt hatte, es zu sagen. Die Gründer warfen mir skeptische Blicke zu.
"Ich glaube, sie sollte diese Nacht noch hier bleiben", meinte Mr Gaster und die anderen Gründer stimmten ihm nickend zu. Bevor noch jemand etwas einwenden konnte, platzte ich mit der ersten Frage heraus: "Was ist passiert?"
Sehr einfallsreich! Teotzdem bekam ich eine ausführliche Antwort von Mrs Crumber, jedoch erst nach einem langen Seufzer.
"Christian, der Feuerbändiger aus dem zweiten Jahrgang ist ein Anhänger der Schatten. Wir wissen nicht wie lange er schon hier spioniert und wir haben Glück, dass seine Deckung aufgeflogen ist. Seit einiger Zeit hat er kranke Schüler mit einem starken Gift versehen. Dieses Gift schwächt die Kräft des betroffenen Elementbändigers und sollten die Schüler nicht gegen das Gift ankommen können, kann es zu einem langen Kräftverlust, manchmal auch für immer, und zum Tod führen."
Die Gründer hatten ernste Mienen aufgesetzt und auch ich war mir nicht ganz sicher, was ich von diesem Gift halten sollte. Wenn das alles wirklich stimmte, könnte Drew einer der betroffenen Schüler gewesen sein. Das würde erklären, warum der Heilprozess bei ihm so langsam verlaufen war.
"Hat das Gift meinen Körper auch erreicht?", wollte ich wissen. Mrs Chatfield sah auf.
"Ja, das hat es. Allerdings hat sich dein Körper fast erfolgreich gegen das Gift gewehrt, sodass es dich nur wenig geschwächt hat", berichtete sie. Ein wenig wunderte ich mich schon, zumal ich ja nicht mal wusste, wie man sich gegen ein solches Gift währen konnte. Ich hatte es wohl einfach getan, ohne groß darüber nachzudenken. Und nun hatte Christian mich auch noch vergiften wollen. Hatte ich dem Typen je was getan? Aber mich beschäftigte nicht nur diese Frage, denn wenn Christian Schüler vergiftete, dann galt das nicht nur zum spionieren. Es musste definitiv eine Bedeutung haben, dass er Schüler vergiftet hatte, irgendeinen bestimmten Grund. Nur welchen?
"Wissen Sie was das für ein Gift war?", fragte ich vorsichtshalber. Die Gründer wechselten veilsagende Blicke. Ja, sie wussten es. Und meine anderen Fragen würden dann wohl auch unbeantwortet bleiben oder?
Die Gründer erhoben sich. Anscheinend wollten sie es mir nicht sagen. So langsam hatte ich diese Heimlichtuerei echt satt.
"Und wie lange habe ich geschlafen?" Letzteres war mir so rausgerutscht. Mr Corner ging als letztes durch die Tür und drehte sich nocheinmal zu mir um.
"Seit der Feuerbändigerspion hier war, vier Stunden", antwortete er und schloss die Tür hinter sich. Was vier Stunden? Ich stöhnte. Nicht nur, weil ich diesen Tag auch weiterhin mit Langweilen verbringen musste, sondern weil ich das Training mit Szu verpasste. Hoffentlich ließen wir kein wichtiges Element aus. Und hoffentlich enthielt dieses Gift keine schädlichen Nebenwirkungen...

Hi Leute :D
Ich freue mich, dass ihr bis hier hin gelesen habt. Vielen, vielen Dank für all die Votes und Kommentare. Und auch die, die sonst keine Kommentare schreiben können mir in diesem Kapi mal ein Feedback geben. Wie gefällt es euch bis jetzt und habt ihr eine Ahnung, wie das Buch ausgehen könnte? Lg EmFantasybook

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