9. Schlüssel zur Geheimtür

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In dieser Nacht schlief ich besonders schlecht. Man könnte meinen, sie zog sich bis zur Unendlichkeit dahin, während ich einfach nur darauf wartete, dass diese Schlaflosigkeit und das Herumwälzen von einer Seite auf die andere endlich ein Ende hatte. Das Klingeln von Kikis Wecker war daher fast wie eine Erlösung von der stundenlangen Qual, vergleichbar mit der Pausenglocke, die uns auch über das Ende der Stunde benachrichtigte. Kiki hatte den schrillen, unertragbaren Ton zum Glück gegen eine sanfte Melodie getauscht und ich blieb solange liegen, bis das Lied endete. Obwohl ich einfach nicht hatte einschlafen können, fiel meinem Körper dennoch auf, dass ihm die nötige Energie, um diesen Tag zu überstehen, fehlte. Wie eine Welle überrollte mich die Müdigkeit, sodass ich regungslos unter meiner Decke verharrte.

Coral schlug heute seltsamerweise als Erste die Decke zur Seite und zog mit einem Ruck die Vorhänge auf, sodass unser Zimmer von der aufgehenden Sonne in warmes Licht getaucht wurde. Ich stöhnte, weil ich mich vollkommen bewegungsunfähig fühlte. Die ganze Nacht hatte ich nachgedacht über zwei Dinge: Christians Geheimnis und die Stimmen hinter der Geheimtür. Unglücklicherweise war es auch noch mein Bett, dass dieser unheimlichen Tür am nächsten stand und das nur deswegen, weil mich die Gründer als vorletzte aufgerufen hatten, um mich auf mein Element zu testen. Dadurch hatte ich natürlich das Bett abbekommen, das niemand haben wollte und somit übrig geblieben war und das Schlimmste, ich war noch nicht einmal selbst Schuld daran. Ich hatte dieses Mal nicht getrödelt oder Ewigkeiten damit verbracht zu tagträumen, wie es sonst immer der Fall gewesen war.

Ich quälte mich mühsam aus dem Bett unsch schlurfte zum Kleiderschrank. Cat rekelte sich noch in ihrem Bett, schien jedoch ebenfalls keine Lust auf den heutigen Tag zu haben. Weder ich noch Coral kommentierten das, wobei es sowieso den Anschein machte, dass Coral uns gegenüber sehr verschlossen wirkte. Wahrscheinlich musste ich davon ausgehen, dass in diesem Zimmer jeder von uns ein Geheimnis verbarg, von mir einmal abgesehen. Anscheinend wollte jedoch niemand von seinen Problemen erzählen und Coral schon gar nicht.

"Guten Morgen, gut geschlafen?", fragte Kiki, als sie schließlich aufstand. Sie blickte mich etwas verschlafen an und runzelte die Stirn. "Mads, du siehst heute ganz schön blass aus", teilte sie mir mit. Ich tat diese Aussage mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. "Halb so wild, ich hatte schon schlechtere Nächte", log ich sehr unglaubwürdig, doch Kiki schien das gar nicht aufzufallen. Gähnend schielte sie auf den Stundenplan, den sie auf einem Stapel Bücher platziert hatte, der sich auf ihrem Nachtschrank häufte.

"In den ersten beiden Stunden haben wir heute alle Englisch, außer...", unterbrach sie sich selbst und warf einen abwartenden Blick zu Alice, die ihre pinke Schlafmaske trug und es wieder einmal vorzog, länger zu schlafen. Doch es passierte etwas ganz seltsames: Sie redete.

"Sag es! Na los, ich höre dich trotzdem, egal wie leise du sprichst." Wir zuckten ruckartig zusammen beim Klang ihrer hohen Stimme. Vielleicht war dies ein fieser Gedanke, aber die Art, wie sie sprach, erinnerte mich ein bisschen an die sprechende Barbiepuppe, mit der Jes' kleine Schwester immer gespielt hatte, wenn ich zum Lernen vorbeigekommen war.

"Wow, kein Grund uns anzuschreien", grinste Coral. Es war das erste Mal, dass ich sie lächeln sah. Ich kicherte, aber ihr Blick wurde so schnell betrübt, wie ihr Grinsen gekommen war. Ich seufzte. Bis wir uns alle einigermaßen vetrugen, würde es wohl noch etwas länger dauern.

Nach dem Frühstück versammelten sich alle Untersekundaner für den Englischkurs im ersten Obergeschoss. Unser Lehrer, Mr Dole, bestand am Anfang der Stunde sofort auf eine Wiederholung, weil er glaubte, wir hätten alles aus dem Vorjahr schon wieder vergessen, was bei mir eindeutig nicht der Fall war, da ich gut vorbereitet in das neue Schuljahr starten wollte.

Wir schlugen unsere Bücher auf der Seite 114 auf und wiederholten soeben die berühmte Ringparabel, die wahrscheinlich schon jeder Schüler etliche Male zuvor in den unteren Klassenstufen analysiert hatte. Ich nestelte abwesend an der Ecke meines Buchumschlags herum, in Gedanken vertieft. Ich hatte vorgehabt, noch einmal mit Christian zu reden, doch er war leider nicht zum Essen erschienen und hatte wohl besseres zu tun gehabt, als erneut in ein Gespräch mit mir zu geraten. Plötzlich stupste mich Cat von der Seite leicht mit dem Ellenbogen an.

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