Kapitel 17- Elterntag

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Am nächsten Tag wurde uns in der Schule beim Lateinunterricht vom Elterntag erzählt und ich rief gleich am Nachmittag meine Mutter über mein Handy an. Sie ging schneller ran, als ich dachte. Wegen ihrer strssigen Arbeit dürften sie sich eigentlich keine Pause erlauben. Ich fragte meine Mutter ob sie am Samstag kommen könnte und war enttäuscht wegen ihrer Absage. Im Hintergrund hörte man jedoch Dad und der hatte gesagt, das ginge schon ok. Schließlich sagte Mum doch ja. Ich hätte ja gern weitertelefoniert, aber meine Mutter meinte noch, sie müsste sich um etwas überaus wichtiges kümmern. Ich wüsste nicht was einem wichtiger sein könnte als sein eigenes Kind. Im Hintergrund konnte ich seltsamerweise irgendwas von einem Schnuller verstehen und als ich nachfragte erzählte mir Mum von der neuen Nachbarin, die noch beim Einkaufen war und deshalb mussten meine Eltern auf das Baby aufpassen, weil der Mann noch beim Arbeite zu sein schien. Ich seufzte nur und legte auf. Christian tauchte auch bald wieder zum Essen im Speisesaal auf und ich war irgendwie auch glücklich. Erstens musste ich dann nicht mehr denken, dass er dann mit irgendwelchen Schatten Insektenpüreé aß (wie in einem Traum, meinem Traum) und Zweitens, weil ich ihn nun öfters zu Gesicht bekam. Am Morgen sah er immer am besten aus, mit den noch mehr verwuscheltem Haar als sonst und den braunen Augen die so verschlafen aussahen. Aber am Nachmittag sah er so trainiert aus und... ähm ja. Am Samstag zum Elterntag gingen alle Schüler zum Empfangsplatz vor der Schule, außer die, deren Eltern nicht kommen konnten oder halt nicht mehr da, gestorben... Ich dachte es lieber nicht zu Ende. Alices Eltern drängten sich durch die Menge auf ihre Tochter zu. Ich war überrascht, dass sich die Familie nicht umarmte. Wir taten das immer, wenn wir uns zu Hause nach einer langen Zeit wiedersahen. Die Mutter von ihr kümmerte sich nicht groß um Alice und der Vater fragte, in welchen Fächern sie die Beste sei. Als Alice ihm mit Die Zweitbeste in Chinesisch antwortete, zog er sie mit sich und ich hoffte doch, dass es keinen Tadel bei ihr gab. Kikis Vater war auch gekommen. Ihre Mutter hatte Krebs gehabt, wie sie uns mal eines Abends nach einem Telefonat mit ihrem Vater berichtete und deswegen war sie gestorben. Cats Eltern liebten sich über alles und denoch zog ihre Mutter irgendwann in eine Einzelwohnung aus, weil sie die Unordnung im Haus tierisch nervte. Cat machte das jedoch nichts aus.
"Soll mir doch egal sein, so lange sie sich trotzdem noch lieben", sagte sie immer. Ich bewunderte ihre Einstellung, weil sie so positiv zu sein schien. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn sich meine Eltern in verschiedenen Wohnungen leben würden. Sicherlich wäre bei uns schon längst ein Streit ausgebrochen, denn auf wenn sie manchmal so täten als würden sie sich um mich kümmern, tun sie es nicht immer. Der Streit zwischen ihnen würde allerdings darum gehen, wer mich zuerst "beaufsichtigen" sollte. Die beiden würden mich jeweils zum anderen Elternteil abschieben wollen, garantiert. Meine Eltern ließen sich ganz schön viel Zeit beim Kommen, währrend die anderen schon gemùtlich mit ihren Eltern plauderten. Coral hatte nicht hier unten bei uns gestanden. Ihre Eltern hatten sich, soweit ich von Kiki weiß, getrennt und scherten sich icht um ihre einzige Tochter, weil Coral eine jüngere Schwester hatte und diese die volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Das musste vermutlich auch der Grund sein, warum Coral aufs Internat gehen sollte.
Ich reckte meinen Hals und hielt nach dem blauen Bus Ausschau, mit dem wir zum Schulanfang hergefahren wurden. Den Bus sah ich leider nicht. Ich stöhnte. Pünktlich war ein Wort was sie überhaupt nicht kannten. Zu meinem Bedauern. Ich lief auf und ab um mich in Bewegung zu halten. Irgendwann wollte ich es nicht mehr und setzte mich in die volle Cafeteria an den kleinen Tisch in der hinteren Ecke, damit ich meinen Dad anrufen konnte. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Mum wieder fuhr. Vielleicht saßen sie aber auch schon im Bus. Ich wählte in meinem Kontaktbuch Dads Handynummer und lauschte in den Hörer.
"Ja Schatz, was gibts?", vernahm ich Dads Stimme aus dem Hörer.
"Dad, wo seid ihr denn? Ihr wolltet doch schon längst hier sein", erinnerte ich ihn. Dad seufzte und wenn er das tat raufte er sich meistens die Haare. Ein flaues Gefühl bildete sich in meinem Magen.
"Ähm Liebling, , eine Sorge, wir sind auf dem Weg, aber... wir haben gerade den nächsten Bus verpasst und müssen jetzt erst mal warten."
Erleichtert atmete ich aus und meinte: "Puh, ich dachte schon ihr habt mich vergessen."
"Würden wir niemals", gab Dad zurück. "Mach es dir noch einmal bequem, mit dem nächsten Bus kommen wir." Ich lachte.
"Na hoffentlich", sagte ich und legte auf.

Eine Stunde später begrüßte ich unten meine Eltern und sie folgten mir in den Speisesaal, wo wir uns alle ein Eis holten. Wir unterhielten uns ein wenig und bei der ganzen Sache fiel mir etwas sehr merkwürdiges auf. Mum musste zugenommen haben.
"Mum, mit was hat dich Dad denn verwöhnt, du hast ja einen, naja...", fing ich an.
"Runden Bauch?", beendete Mum meinen Satz fragend. Ich nickte und schob mir einen Löffel Stracciatella in den Mund. Mir entging nicht, was für einen vielsagenden Blick Mum und Dad wechselten.
"Wir waren öfters beim Griechen", antwortete Dad und ich fragte mich wie sie nur die Zeit dafür haben konnten, bei ihrer achso stressigen Arbeit. Aber viel mehr regte ich mich darüber auf, dass sie mich nicht mitgenommen hatten. Früher waren wir oft beim Griechen essen und jetzt zogen sie vor es ohne mich zu tun. Ich verschrenkte die Arme vor der Brust.
"Wisst ihr was? Ihr denkt nicht ein Mal an mich, nicht ein einziges Mal. Ihr schiebt mich auf ein Internat ab, damit ihr die ganzen coolen Dinge ohne mich machen könnt. Vielleicht weil ich euch nerve oder weiß ich nicht was. Ihr glaubt nicht, wie mies es ist, wenn einen die eigenen Eltern hintergehen. Ihr wolltet sogar den heutigen gemeinsamen Tag wegen einem Baby absagen, wobei ich das Gefühl habe, dass ihr auf gar kein Baby aufpassen musstet. Ihr seit zu feige um mir die Wahrheit direkt ins Gesicht zu sagen, dabei solltet ihr ehrlich zu mir sein. Ich hab mir euch nicht ausgesucht, aber ihr habt ausgesucht mich zu bekommen. Hättet ihr es lieber nicht getan! Dann bliebe euch das hier jetzt erspart. Ihr könnt jetzt gehen", schrie ich laut. Meine Stimme hallte im leisen Saal nider. Man hätte eine Stecknadel fallen lassen hören. Die Leute schauten zu unserem Tisch, selbst die Küchenfrau unterbrach ihre Arbeit für diesen Moment und gaffte mich sprachlos an. Ich stapfte wutentbrannt aus dem Speisesaal und warf auch keinen Blick mehr über meine Schulter. Sie hatten das verdient und meinen Auftritt hatten sie sich zuzuschreiben. Ab jetzt waren sie mir völlig egal. Und es würde wahrscheinlich lange anhalten, vielleicht sogar für immer.

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