15. Die Flucht

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Mein Körper reagierte blitzschnell, setzte sich wie auf Kommando in Bewegung, noch bevor der oberste Schatten den Mitgliedern das Signal zum Angriff gegeben hatte. Allerdings hatte ich gerade mal den Treppenabsatz erreicht, bis mich der hohe Rat von allen Seiten umzingelt hatte. Drei Schatten versperrten mir den Treppenaufgang zu den Gängen und positionierten sich direkt vor mir, sodass ich unmöglich an ihnen vorbei gelangen konnte. Die anderen sieben Schatten bildeten mit vor Wut glimmenden Augen einen engen Kreis um mich, begierig, ihre langen Finger nach mir auszustrecken, als könne schon dies allein das Heilen einer Wunde bewirken.

Der Schattenherr schritt geduldig auf den Kreis zu und klatschte abfällig in die Hände, um zu unterstreichen, dass ihn meine Reaktionsgeschwindigkeit keinesfalls beeindruckt hatte.

"Junger Avatar, wie unhöflich, ohne unsere Genehmigung den Saal zu verlassen. Normalerweise besitzen unsere Besucher durchaus Manieren, was ich von dir nicht behaupten kann." Sein siegessicheres Grinsen verflüchtigte sich und ließ nur noch eine kalte Maske auf seinem Gesicht zurück. Währenddessen wog ich meine Möglichkeiten ab und blickte verzweifelt an den Schatten vorbei, die Treppe hinauf. Ich würde es niemals ohne Hilfe an ihnen vorbei schaffen, ich wäre tot, ehe ich das Ende der Treppe erreicht hätte. Es musste noch einen anderen Weg geben. Das verächtliche Schnauben des höchsten Schattenmitglieds erregte erneut meine Aufmerksamkeit.

"Törichtes Mädchen, du bist eine Schande für jeden Elementbändiger. Sie erwarten einen heldenhaften Avatar, der stets überlegt und klug handelt, der ihnen ein Gefühl von Schutz und Sicherheit vermittelt und dazu bereit ist, Opfer zu bringen. Wie kann jemand so unerfahrenes eine Hoffnung für die Elementbändiger sein. Eigentlich sollte ich dir danken, wenn es nicht meine Aufgabe wäre, dich eigenhändig dem Tod auszuliefern", zischte er und spuckte mir förmlich das Wort "Schutz" entgegen. Meine Gedanken rasten und seine Worte trafen wie ein Messer in mein Herz. Er hatte recht, ich war nicht bereit für diese Herausforderung, hatte in meinen Pflichten als Avatar versagt und an einem Tag über 200 Leben auf's Spiel gesetzt, von denen einige tatsächlich nicht länger existierten. Ich war ein Risiko für meine Freunde, Eltern und für jeden einzelnen Elementbändiger dieser Welt. Aber ich durfte nicht einmal ans Versagen denken und mich von meinen Selbstzweifeln besiegen lassen, denn sonst hatte der Schattenrat längst gewonnen. Mich in die Knie zu zwingen, war genau das, was die Worte des Schattenmeisters bezwecken sollten. Und es ärgerte mich, dass es ihm beinahe gelungen wäre, mich damit zu manipulieren.

"Sie haben recht, vielleicht handle ich unerfahren und unüberlegt, aber ich bin dennoch bereit, ein Risiko einzugehen, um meine Pflichten so gut wie möglich zu erfüllen. Ich habe im vergangenen Schuljahr einiges dazu gelernt und weiß jetzt, was es heißt Verantwortung zu tragen. Im Gegensatz zu Ihnen. Sie scheint es gar nicht zu interessieren, ob Ihr Volk auf Hilfe angewiesen ist. Sie garantieren ihnen Schutz? Dann geben Sie ihnen Schutz. Ich bin dazu im Stande jeden Schattenstamm von einer Sekunde auf die andere in Schutt und Asche zu legen, wenn ich so kaltblütig wäre, wie Sie. Und glauben Sie mir, unkontrollierbare Kräfte können in einem winzigen Clan so einiges anrichten", schrie ich ihm entgegen und machte mir erst gar keine Mühe, den drohenden Unterton in meiner Stimme zu verbergen. Feindselig starrte ich ihn an, hielt dann jedoch für einen winzigen Moment inne, als ich erkannte, was ich so eben getan hatte. Ich wollte es nicht darauf anlegen, doch ich hatte gerade genau das Gegenteil bewirkt, von dem, was ich eigentlich erreichen wollte. Die ausgesprochene Drohung hing wie eine Warnung in der Luft und bohrte sich ungehindert in meine Gedanken.

Unkontrollierbare Kräfte können in einem winzigen Clan so einiges anrichten...

Damals erklärten die Schatten uns den Krieg, weil wir ihnen ihre Bitte verweigerten, den Avatar auszuliefern. Die Elementbändiger kämpften schon immer für den Frieden zwischen den Völkern und mit diesem einen Satz hatte ich ihre Bemühungen wahrscheinlich zu Nichte gemacht. Ihnen zu drohen war eine andere Art, ihnen den Krieg zu erklären

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