10. Hartes Training

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Die Woche neigte sich langsam dem Ende zu und mir kam es vor, als hätte ich eine Ewigkeit auf den Tag gewartet, an dem ich zum ersten Mal seit langem wieder ausschlafen konnte. Statt pünktlich um halb zehn mit den anderen zu frühstücken, blieb ich im Bett und las mein Buch zu Ende, was eine willkommene Abwechslung von den letzten Schultagen war. Das hatte zur Folge, dass ich nun auf mein nächstes Buch warten musste. Ich checkte mein Handy nach Nachrichten ab. Mum schrieb mir, dass sie mein Taschengeld für diesen Monat in mein Buch investierte, aber sonst hatte mir niemand geschrieben. Schließlich waren all meine Freundinnen hier.
Am Sonntag wiederholte sich die gesamte Prozedur, nur dass ich nicht las, sondern einfach weiter döste und nachdem Kiki, Coral und Cat das Frühstück beendet und ich mich angezogen hatte, konnte ich sie zu einem kleinen Wasserbändigertraining im Trainingsraum überreden.
"Sag bloß, du weißt nicht mehr wie man Eisscheiben formt", regte sich Cat auf, als wir uns durch den schmalen, dunklen Gang quetschten. Kiki ging voraus und leuchtete mit der Taschenlampe den Boden ab, als wäre letztens jemand vorbeigekommen, um uns irgendwelche Hindernisse in den Weg zu räumen. Niemand kannte sich hier unten so gut aus wie wir, was daran lag, dass wir die einzigen waren, die diesen Geheimgang regelmäßig benutzten. Nur Mrs. Chatfield wusste von diesem Gang und sie hatte mir ausdrücklich eingeschärft, ihn nicht zu betreten, aber Neugier war etwas, wogegen es bei mir kein Heilmittel gab. Und außerdem waren Regeln da, um sie zu brechen.
Ich zuckte nach kurzem Zögern mit den Schultern. "Eisscheiben haben wir letztes Schuljahr im Frühjahr behandelt", entgegnete ich ihr ruhig. Der kurze Gang endete an einer hölzernen Tür über unseren Köpfen, die nicht größer war, als die Vorderseite einer Waschmaschine. Nacheinander stiegen wir auf die dreistufige Treppe, damit wir uns am Boden neben der Falltür hochstemmen konnten. Coral schloss die Holzklappe hinter uns. Hier oben befand sich eine kleine Bibliothek mit so manchen Lösungsseiten für Tests.
Ich gab zu, dass wir schon ein paar Mal geschummelt hatten und irgendwie schämte ich mich schon ein wenig dafür, doch ich hatte es nur einmal gemacht. Nicht mal meine Freundinnen wussten davon und wahrscheinlich wollte ich sie auch nicht allzu schnell darüber in Kenntnis setzen.
Wir durchquerten den kleinen Raum und betraten den Übungssaal. Das einladende Licht der Sonne fiel durch die breiten Fenster herein und erhellte den Saal bis in die kleinsten Ecken. Von außen konnte man die Fenster zwar sehen, aber bisher hatte sich noch nie jemand gefragt, zu welchem Raum sie gehörten. Instinktiv glaubte ich ja, dass Mrs. Chatfield sich noch genau an diesen Ort erinnerte, doch von außen ließ sie sich nichts anmerken.
"Womit fangen wir an?", wollte Cat wissen uns stellte sich kampfbereit in die Mitte des Raumes, als erwartete sie den ersten Angreifer. Der Trainingsraum verfügte über die neuste, moderne Technik, auch wenn mir nicht bekannt war, wieso. Soweit ich von Mrs. Chatfield wusste, existierte dieser Raum schon ziemlich lange und war zu einer Zeit errichtet worden, in der man von Computern und Smartphones nur träumen konnte. Einige Dinge sollten wohl lieber Geheimnisse bleiben.
"Da du ja voller Tatendrang bist, schlage ich vor, dass du anfängst", entschied Coral und trat auf den braunen Kasten an der linken Wand zu. Ein einziger Knopfdruck reichte aus, um den Raum für einen Kampf bereit zu machen. Coral betätigte den blauen und einen kleinen schwarzen Knopf. "Mal sehen, was du aus dem letzten Jahr gelernt hast."
Kaum hatte sie das gesagt, schob sich die Bodenplatte an der gegenüberliegenden Wand der Fenster zur Seite und Wasserkrüge erhoben sich aus dem Boden. Vor Kiki, Coral und mir baute sich eine stabile Schutzwand auf, um uns vor den Angriffen abzuschirmen. Cats erster Gegner manifestierte sich im Raum. Schwarzer Staub wirbelte auf, als sich das Geschöpf mit einem Knurren auf meine Freundin warf. Unsere Schwierigkeitsstufe war wie immer auf Mittel eingestellt, denn wir wollten es uns nicht zu leicht machen.
Meine Freundin wich dem Ungeheuer gekonnt aus und rettete sich mit einem Sprung zur Seite, nur um gleich darauf erneut angegriffen zu werden. Das Tier schien eine Mischung aus Hyäne, Löwe und Greif zu bilden. Es trug einen wild umher peitschenden Schwanz und lange, schwarfe Krallen an Vorder- und Hinterpfoten. Der Körperbau erinnerte mich an die Hyäne. Es warf den Löwenkopf herum und kreischte Cat an. Mit ausgebreiteten Schwingen warf es sich erneut auf Cat.
Natürlich konnten uns die Gegner in diesem Raum nichts anhaben. Sie sahen echt aus und hatten, wie in der Realität, die Fähigkeiten, für die sie bekannt waren. Doch hier im Trainingsraum wirkten sie wie Hologramme, nur eben mit einem festen Körperbau.
Cat erschuf mit einer flinken Handbewegung einen Schutzschild aus Eis, bevor der Löwengreif sie erreichte. Sie vollführte eine Drehung und sammelte die Energie aus allen umliegenden Himmelsrichtungen, um das Wasser auf das Tier loszulassen. Eine riesige Flutwelle verschluckte das Tier und schleuderte es von innen gegen die Schutzwand. Der Greif breitete die Flügel aus und erhob sich aus dem Wasser, um sich erneut mit ausgefahrenen Krallen auf meine Freundin zu stürzen. Er fegte haarscharf über ihren Kopf hinweg, da sie sich gerade noch ducken konnte, aber ich hörte ihr Fluchen klar und deutlich. Für einen Moment glaubte ich einen Funken Mordlust in ihren Augen gesehen zu haben, aber der Funke verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war. Außerdem würde ich Cat niemals zutrauen, dass sie Mordluat verspürte.
Sie wirbelte ihre Arme in Kreisen vor ihrem Körper herum und schickte dem Löwengreif eine Wasserblase hinterher. Schneller als ich denken konnte, ließ Cat die Blase zu Eis gefrieren und die Hände sinken. Mit einem ohrenbetäubendem Krachen fiel die Eiskugel zu Boden und zerschmetterte zu tausenden von Eissplittern. Cat wob eine Schutzblase, als die Splitter herabregneten. Erst als die Trennwand vor unseren Augen verschwand, löste sie den Schutzschild auf.
"Na,... was haltet ihr... davon?", fragte sie atemlos und grinste uns an. Sprachlos starrten wir sie an. Es waren nicht einmal drei Minuten vergangen, bis sie den Greif ausgeschaltet hatte. Cat war eben ein Naturtalent was das Bändigen anging. Schade, dass sie nicht auch die anderen Elemente beherrschte. Sicherlich hätte ich von ihr noch einiges lernen können.
"Das... war ja der Wahnsinn", schallte Kikis Stimme im Raum wieder. "Deine Bewegungen sins fließend, aber trotzdem schnell. So schnell, dass ich echt Mühe hatte, ihnen zu folgen. Wie zum Geier schaffst du das?", fragte sie begeistert. Ich stimmte ihr vollkommen hinzu. Auch mich interessierte ihre Technik. Sie ähnelte nicht annährend der von Mrs Bluelight, unserer Lehrerin im Wassertraining. Womöglich hatte sie das Talent von ihrer verstorbenen Großmutter geerbt, genauso wie die Fähigkeit mithilfe von Visionen in die Zukunft zu sehen.
"Ich glaube, das Denken ist ein entscheidender Faktor. Ich habe in den ersten Unterrichtsstunden auch zu oft nachgedacht, wie ich etwas mache. Man sollte es einfach tun und die Risiken einfach mal über Bord werfen, weil der Instinkt mir genau sagt, wie ich etwas machen muss", erklärte sie uns lächelnd und ging auf den braunen Kasten an der Wand zu.
"Okay, dann bin wohl ich jetzt dran", sagte Kiki verwirrt und stellte sich in die Mitte des Raumes. "Irgendwie seltsam. Nachdenken ist das, was ich immer mache, es passiert automatisch. Der Gedanke, es nicht zu tun, ist mir noch nie gekommen", gestand sie und gegab sich in Kampfhaltung. Ihr Gegner entpuppte sich als ein Werwolf. Angriffslustig riss er den Kopf herum und starrte sie aus gelben, feindseligen Schlitzaugen an. Cat gesellte sich zu uns und augenblicklich materialisierte sich die Schutzwand vor uns. Der Werwolf riss das Maul auf und entblößte seine spitzen, gelben Eckzähne, bevor er einen gewaltigen Sprung in Kikis Richtung vollführte. Diese zögerte nicht lange und hetzte ihm zwei Eiszapfen entgegen, denen das Tier flink auswich. Mit einem Satz sprang er auf Kiki zu, welche noch rechtzeitig ein Schutzschild über sich erschaffen konnte. Mit gebleckten Zähnen landete der Werwolf auf ihr, grub seine Krallen tief in das Schutzschild und drückte meine Freundin gewaltsam zu Boden.
"Es klappt nicht", presste Kiki hervor und wagte einen hilflosen Blick zu Cat. Verzweifelt hielt sie das Schutzschild stabil und versuchte mit aller Kraft den Werwolf von sich herunter zu stemmen. Doch er gab nicht so leicht auf und grub auch seine Eckzähne in das Schutzschild.
"Du denkst zu viel nach", rief Cat beunruhigt. "Verwende die erste Angriffstechnik die die einfällt und lass deine Hände arbeiten, nicht deinen Kopf. Du musst dich entspannen."
In diesem Moment zerbarst Kikis Schutzschild. Blitzschnell rollte sie sich zur Seite weg, bevor der Werwolf sie mit seinem Gewicht erdrückt hätte. Er erwischte sie mit seiner Pranke an der Schulter, aber wir wussten, dass sie keinen Schmerz verspürte. Die Hologramme waren nicht dafür konstruiert uns körperliche Schmerzen zuzufügen.
"Du hast leicht reden", keuchte Kiki und wich ein paar Schritte vor der Kreatur zurück. Lauernd näherte er sich wieder und seine Augen blitzten gefährlich im Sonnenlicht, das durch die großen Fenster hereinfiel. "Ich meine, du stehst ja hinter der Schutzmauer und nicht vor diesem Ding", fügte sie hinzu. Dann blieb sie jedoch stehen und atmete tief durch. Die Anspannung fiel von ihr ab und ihre Hände bewegten sich konzentriert nach links, anschließend nach rechts und schließlich nach oben und nach unten. Fast gleichzeitig bildeten sich Wassertentakel aus ihren Händen, die sich in der Mitte trafen und sich langsam nach vorne wanden. Geschmeidig hielten sie auf den Werwolf zu. Neben mir hielt Coral den Atem an.
Der Werwolf zog den Schwanz ein, blieb jedoch tapfer an Ort und Stelle, ohne sich zu rühren. Sein Blick lag auf den Wassertentakeln, als würden sie ihn hypnotisieren, während ich Kiki fassungslos anstarrte. Da war sie. In ihren Augen blitzte die Mordlust auf, von der ich noch eben gedacht hatte, sie mir bei Cat eingebildet zu haben, aber jetzt war sie klar und deutlich erkennbar. Ihre rechte Hand glitt vorsichtig nach hinten, die linke bewegte sich nach vorn. Einen kurzen Moment lang verharrte sie in dieser Position. Keine Sekunde später schoss ihr rechter Arm nach vorn, womit sie dem Werwolf die Wassertentakel auf den Hals hetzte. Die Kreatur wich vor ihnen zurück, als sie sich um seinen Körper wanden und schlug mit den Pfoten um sich. Einer der Tentakeln glitt hinauf zu seinem Kopf und schlang sich um den Hals des Werwesens. Der Tentakel wand sich mit jeder von Kikis Handbewegung fester um das Werwesen und raubten ihm die Atemluft. Mit einem Fingerschnippen meiner Freundin zogen sich die Wassertentakel zurück und der Wolf kippte erstickt zur Seite. Auf der Stelle löste sich sein Körper auf.
Angesichts dieser grausamen und kaltblütigen Mordmethode wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder geschockt sein sollte. Kiki hatte nicht gewusst, was sie da tat und dem Hologramm auf brutalste Weise das (mehr oder weniger imaginäre) Leben geraubt. Ich konnte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn dieses Wesen tatsächlich gelebt hätte. Klar mussten wir kämpfen, um uns zu verteidigen, aber das brutale, Töten machte uns nicht besser, als unsere Gegner. Es machte uns zu Monstern und ich wollte kein Monster sein.
"Madline, willst du es ausprobieren?", fragte mich Cat vorsichtig. Ihre glasigen Augen streiften meinen Blick. Wütend schüttelte ich den Kopf.
"Nein. Nein, das können wir nicht machen", entfuhr es mir und starrte Cat entgeistert an. Meine Freundin starrte mindestens genauso entgeistert zurück, obwohl ich in ihren Augen ablas, dass sie genau wusste, was ich meinte. Coral warf mir einen fragenden Blick zu, doch ich ignorierte ihn.
"Cat, ich habe graunsam getötet, ohne mit der Wimper zu zucken, das ist nichts neues. Ich habe es nicht gewollt, ich habe es unabsichtlich getan, weil ich wusste, dass die Tode im Schattenreich unsere Schule oder mich nicht außer Gefahr bringen. Es gibt wahrscheinlich viele Schatten, die sich dafür an mir rächen möchten, weil ich ihnen jemanden genommen habe, der ihnen etwas bedeutet hat", brach es aus mir hervor. Meine Freundinnen starrten mich unverwandt an, wagten es jedoch nicht, mich zu unterbrechen.
"Ich weiß was ihr denkt. Ihr gaubt, dass Schatten keine Gefühle haben, dass sie durch und durch kaltblütige Mörder sind, aber auch sie müssen sich verteidigen, wie alle Lebewesen. Sie sehen keine andere Möglichkeit als den Mord. Sie morden, weil wir es tun. Wir sind kein Vorbild, für niemanden. Cat, ich weiß nicht, wer dir von dieser Technik erzählt hat, aber wenn Kiki sie einsetzt, ist sie genauso wie die Schatten. Wir müssen damit aufhören. Ich bin mir sicher, dass sie es uns gleich tun werden. Es muss eine Technik geben, bei der wir unseren Gegner nicht gewaltsam töten und trotzdem gegen ihn gewinnen können, denn ich will keine Mörderin sein und ich bin mir sicher, dass ihr es auch nicht sein wollt."
Drei ungläubige Augenpaare ruhten auf mir. Die Erkenntnis, dass ich vielleicht etwas zu voreilig gewesen war, traf mich kurz darauf. Cat löste sich als Erste aus der Starre und versuchte die richtigen Worte zu finden. Doch Kiki war schneller.
"Ist das dein ernst?" Ihre blau-grauen Augen waren geweitet und betrachteten mich, als würde ich mit einem Teller auf den Kopf durch das Schulhaus rennen. Mir entfuhr ein Stöhnen, weil ich genau wusste, was jetzt kommen würde.
"Madline, was sagst du denn da? Schatten haben keine Gefühle. Sie sind kaltblütige Mörder, nicht wir. Wir müssen uns doch auch verteidigen oder sollen wir vor ihnen auf die Knie gehen und um Gnade betteln. Hast du dich schon mal gefragt, was sie uns angetan haben? Sie haben den Krieg erst begonnen. Sie haben die Regeln gebrochen und an der Grenze Schüler ermordet", kam ihr Cat zuvor. Ich konnte ihren Ärger gut nachvollziehen. Es war vollkommen klar, dass sie darauf so reagieren würde, denn sie hatte mich nicht verstanden, nicht verstanden, was ich ihr versuchte zu sagen. Nach kurzem Schweigen fuhr sie fort.
"Es gibt keine Möglichkeit zu siegen, wenn wir sie nicht töten. Sie werden nicht aufhören gegen uns zu kämpfen, nicht bis sie den letzten unserer Art ausgelöscht haben."
"Sie haben sich durch uns bedroht gefühlt", platzte es aus mir heraus, womit ich Cat zum Schweigen brachte. Aber nicht lange. Ihr stechender Blick brannte auf meiner Haut, ich wollte nicht zulassen, dass sie weiterhin gnadenlos tötete. "Merkt ihr es denn nicht? Mord ist verdammt nochmal keine Lösung", schmetterte ich ihnen entgegen, woraufhin Coral und Kiki erschrocken zusammenzuckten. Cat interessierte das jedoch wenig.
"Sie haben Chris ermordet", flüsterte sie leise. In ihrer Stimme bemerkte ich die kochende Wut, die kurz vor dem ausbrechen stand. "Christian hat ihn umgebracht", schleuderte sie mir nun entgegen. In ihren Augen sammelten sich die Tränen, die sie nicht zurückhalten konnte. "Ich hätte ihn längst umgebracht, wenn du ihn nicht zu deinen Freunden zählen würdest. Ich bin im Kopf tausendmal eine Rache durchgegangen, weil er mir jemanden genommen hat, der auch mir sehr nahe stand. Du hast getötet, um die Schule zu beschützen, weil es deine Pflicht als Avatar ist und weil es nun mal in der Natur der Dinge liegt. Daran lässt sich auch nichts ändern." Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und rannte schluchzend aus dem Trainingsraum. Natürlich wusste ich selbst, was Christian getan hatte und wie unverzeihlich es war, aber sie musste einsehen, dass Wut und Mord keine Rache sein konnten, denn dadurch kam Chris auch nicht zurück. Mit klopfendem Herzen lehnte ich mich an die Wand und glitt daran hinunter.
"Bei allem Respekt", meldete sich Kiki zu Wort," aber Cat hat Recht. Die Schatten haben es schon länger auf uns abgesehen. Sie haben deinen Tod geplant und wenn du meinst, dass sie sich dafür geschämt hätten, drückst du damit aus, dass es dir egal ist, dass sie gemordet haben, dass du ihnen den ganzen Krieg verzeihst. Sie werden uns jederzeit wieder angreifen und wir müssen darauf vorbereitet sein."
Ihre Empörung wuchs ins Unermessliche und ihr kalter Blick schmerzte ebenso, wie der von Cat es getan hatte. Zweifellos erwartete sie eine Antwort von mir. Viel mehr eine Entschuldigung oder ein Einsehen, dass ich etwas falsches gesagt hatte. Stattdessen antwortete ich nur lahm: "Ihr versteht mich nicht."
Kiki schnaubte. "Stimmt, ich verstehe dich nicht." Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihr niemals zugetraut hätte, drehte sie sich um und rannte hinter Cat her. Stumm blickte ich zu Boden und wünschte, ich könnte vor Coral im Erdboden versinken. Anders als erwartet, verließ sie nicht wie die anderen den Raum, sondern kniete sich vor mich hin. Als ich aufsah, stand in ihren Augen ein großes Fragezeichen. Sie wollte wissen, warum ich so dachte und ich fand, dass ich ihr eine Erklärung schuldig war.
"Schau mich bitte nicht so an!", bat ich sie, aber sie senkte nicht den Blick.
"Ich habe es verstanden. Ich weiß genau was du meinst. Aber dir ist klar, dass Cat nicht zu unrecht sauer auf dich ist." Ich nickte langsam und schlang die Arme um die Beine, weil eine plötzliche Kälte an mir nagte und sich eine unangenehme Gänsehaut auf meiner Haut ausbreitete.
"Du hast es auch gesehen, nicht wahr? Diese Mordlust in ihren Augen, als würden sie von etwas bösem kontrolliert werden. Cat hat zuvor noch nie so eine Technik angewandt. Sie ist neu und ich muss wissen, wo sie herkommt."
Coral hob verwundert eine Augenbraue. "An unserer Schule ist Mord doch nichts ungewöhnliches", meinte sie und bedachte mich mit einem gleichgültigen Blick. Mir gefror das Blut in den Adern. An dieser Schule nicht. Unser Leben hatte vor einem Jahr eine ganz andere Richtung engeschlagen und neben den Vorteilen, zeichneten sich nun ganz deutlich die Nachteile ab.
"Aber für Cat und Kiki ist es ungewöhnlich. An dieser Technik stimmt etwas nicht. Wie oft denn noch! Sie hatten den Willen zu töten! Bei dem Kampf im letzten Schuljahr wollten sie nichts anderes als sich zu verteidigen, jetzt wollen sie nichts anderes als den Gegner leiden zu sehen."
Kikis Miene wurde langsam nachdenklich. "Du meinst also es liegt an der Technik?", fragte sie unsicher. Mit einem Nicken bestätigte ich ihre Frage. Ich merkte deutlich, dass auch sie skeptisch wurde und dass sie verstand, was ich meinte.
"Wir sollten das auf jeden Fall überprüfen", stellte sie fest und stand auf. Zögernd schaute sie zur Tür. "Wollen wir zurückgehen?"
Ich erhob mich ebenfalls und ging entschlossen an ihr vorbei auf den braunen Kasten zu. "Nein, nein, ich möchte noch ein wenig allein sein", schüttelte ich sie ab und betätigte den großen, schwarzen Knopf, neben dem blauen. Ich musste unbedingt nochmal trainieren, wenn ich vor den hohen Rat der Schatten treten wollte. Dort befand ich mich in ihrem Revier und wenn ich nicht aufmerksam genug war, endete mein Leben schneller, als ich ich dachte. Vor allem Luft fiel mir noch sehr schwer, da es niemanden gab, der es mir auf die Schnelle beibringen konnte. Ich musste jetzt einfach meine Gefühle rauslassen.
"In Ordnung, aber wenn die Auslosung anfängt, bist du wieder unten", befahl sie mir und ihr Ton ließ keine Wiederrede dulden. Keine Minute später war ich allein bis auf den Schatten vor mir, der sich aus dem schwarzen Staub zusammengesetzt hatte.
"Okay, packen wir's an!"

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