Kapitel 36- Kontrolle

5.4K 365 36
                                    

Szu erwartete mich bereits, als ich endlich den Übungssaal betrat. Sie schwebte anmutig und elegant im Raum umher und drückte an dem braunen Kasten irgendwelche Knöpfe, woraufhin Wasserbehälter an den Rändern und Matten auf dem Boden ausgelegt wurden. Sie schwebte mit dem Rücken zu mir in der Luft. Ich wollte mich gerade räuspern um auf mich aufmerksam zu machen, doch Szu wusste, dass ich bereits da war.
"Setz dich doch auf die Matten", wies sie mich zaghaft an und ich stutzte, weil es mich so irritierte, dass sie von meinem Dasein wusste. Ich trat näher heran und setzte mich auf die Matte. Während Szu die letzten Vorbereitungen erledigte betrachtete ich meine Beine prüfend. Könnte es sein, dass sie wegen des vielen Sports länger geworden waren? Ok, davor hatte ich auch schon lange Beine gehabt, aber das hier...
Meine Gedanken schweiften weiter zu Christian. Der Typ war einfach nicht aus dem Kopf zu kriegen. Ich fragte mich, was er wohl gerade tat und senkte den Blick. Er hatte mich verraten, obwohl wir Freunde gewesen waren. Mehr als nur Freunde! Auf einmal spürte ich seine sanften Lippen auf meinen. Nur ganz kurz berührten sie sich, doch diese Erinnerung würde ich ganz sicher nie vergessen. Mein erster und wahrscheinlich letzter Kuss mit einem Verräter und doch war er so schön. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Er liebte mich vielleicht nicht, aber ich spürte, dass meine Gefühle für ihn noch da waren. Schuldbewusst senkte ich den Blick.
"Madline, wir können dann", erinnerte mich Szu. Ich sah auf. Ihre zarte Stimme war unverwechselbar. Ich zitterte leicht und versuchte, mich im Stillen zu beruhigen. Madline, die Elementbändiger werden den Krieg schon geeinnen. Du wirst dich ihnen nicht freiwillig ergeben müssen. Du ziehst das durch!
Szu schien meine Besorgnis zu spüren, sprach mich jedoch nicht darauf an.
"Ich bin bereit", antwortete ich und probierte mich an einem vorsichtigen Lächeln. Szu bemerkte die Unsicherhrit in meiner Stimme.
"Keine Angst, du wirst niemals allein sein", versprach sie, bevor sie begann.
"Also, ich werde dich leider nur vier Tage unterrichten können, denn dann ist meine Zeit in dieser Welt vorbei. In den Ferien werden wir wohl auch üben können. Ich habe gehört, du verbringst die Ferien hier. Vier Tage, an denen ich dir die vier Elemente beibringen kann. Du musst nämlich wissen, dass meine Zeit hier begrenzt ist. Die Besuche bei dir machen mich unglaublich schwach und nachdem meine Bestimmung erfüllt ist, werde ich gehen müssen", gestand sie und wich meinem entsetzten Blick aus. Dass sie über meine Ferien im Internat Bescheid wusste, wunderte mich nicht weiter.
"Was?", stieß ich laut aus. Das durfte doch nicht wahr sein! Die einzige mit der ich über meine Fähigkeiten reden konnte, würde mich verlassen? Ich hatte noch so viele Fragen, die ich ihr stellen wollte und nun erfuhr ich, dass ich nur noch einr gebrenzte Zeit mit ihr haben würde.
"Beruhige dich, wir werden uns danach auf jeden Fall wiedersehen. Es steht so in den Sternen und die Sterne lügen nicht", erklärte sie zaghaft. Ich schluckte. Mochte ja sein, dass die Sterne immer richtig lagen, doch wann würde ich sie wiedersehen?
"Bitte, du kannst doch nicht gehen, wenn ich dich am meisten brsuche!", versuchte ich sie zu überreden. Sie schüttelte nur den Kopf.
"Es tut mir leid. Aber das ist kein Grund die Hände in den Schoß zu legen. Du musst kämpfen. Du bist die Auserwählte unter vielen anderen. Du hast die Aufgabe, diese Welt zu beschützen", erinnerte sie mich.
"Aber ich habe mir nicht ausgesucht die Außerwählte zu sein. Ich kann alle retten oder alle ins Verderben stürzen. Du weißt doch ganz genau wie ich mich gerade fühle. Hilf mir damit ich die Welt retten kann! Denn ich möchte nicht als der Versageravatar dastehen, der es nicht geschafft hat, eine winzige Schattenarmeé aufzuhalten. Und außerdem, wie soll ich in vier Tagen alle Elemente beherrschen können? Die Avatare vor mir hatten bestimmt alle viel mehr Zeit als ich. Ich sehe mich nicht, wie ich als Heldin dastehe, ich sehe mich in Vergessenheit geraten. Und dieses Schicksal möchte ich nicht erleiden", sagte ich mit tränenden Augen. Heiße Trähnen ergossen sich über meine Wangen. Szu schwieg. Wie konnte sie mich jetzt nur im Stillen lassen? Ich brauchte sie! Schnell wischte ich die Tränen ab und erhob mich von der Matte.
"Los geht's, bevor sich meine Gedanken noch etwas viel schlimmeres ausmalen", schniefte ich. Szus Augen wirkten seltsam trüb. Sie wich meinem Blick aus und ließ leise die Luft entweichen.
"Ich habe damals genau das Gleiche gedacht wie du. Und wir sollten alles daran setzen, dass du dein Schicksal umschreiben kannst. Vorerst kannst du dich setzen. Wir beginnen mit dem Wissen und trainieren dann." Ich plumste zurück auf die Matte und atmete tief durch. Schließlich nickte ich und Szu legte los: "Wir beginnen mit dem Element, mit dem du dich am besten auskennst. Das geht am schnellsten. Kommen wir also zum Wissensbereich. Die Wasserbändiger locken das Wasser mit zarten, fließenden Bewegungen an, damit sie wissen, dass wir es in friedlicher Absicht benutzen. Um Eis zu bändigen werden schnelle Bewegungen benutzt, weil Eis härter und wiederspenstiger ist. Zum Wasserbändigen gehören sowohl die Beherrschung über den Nebel, der wie du sicher weißt aus Wasserdampf besteht, und über das Schmelzen von Eis und Schnee. Wasser und Eis sind sowohl als Schutzschild, als auch als Waffe einzusetzen. Die Profis können große Mengen von Wasser ganz schnell bewegen und ihren Angreifer in sekundenschnelle töten. Da Wasserbändiger ihre Kraft aus dem Mond ziehen, sind wir bei Nach gestärkt. Am Tag jedoch sind wir geschwächt. Die Bindung zum Mond kann sehr viel Wasser aufbringen. Außerdem kann man mit diesem Element auch Heilen, Wasserplanzenbändigen und die ganz Fortgeschrittenen bändigen sogar Blut. Das willst du nicht erleben."
Mir lief ein Schauder über den Rücken. Das hörte sich ganz so an, als hätte Szu schon ihre Erfahrungen mit Blutbändigern gemacht. Nach einer ganzen Weile kamen wir endlich zum Training. Sie brachte mir viel über den Nebel und das Heilen bei und ich spürte wie die Angespanntheit immer mehr von mir wich. Das Training könnte nicht besser laufen. Nur wusste ich nicht, dass meine Elemente starke Schwingungen auslösten.

Währenddessen

Die Tür öffnete sich und der Spion trat ein. Seine wilde Frisur ließ darauf hindeuten, dass er sich durch den Schattenwald bis zum Internat gekämpft haben musste. Aufrecht stand er da und blickte einem Mann mit einer schwarzen Maske in die Augen.
"Meister, ich weiß jetzt wer es ist. Ich habe die Schwingungen des Avatars gespürt. Sie versucht ihre Elemente unter Kontrolle zu bringen. Wir sollten uns auf den Krieg vorbereiten. Der Avatar besitzt eine Kraft, wie kein anderer vor ihm. Er könnte uns auslöschen", sagte der Spion emotionslos. Der Mann mit der Maske lächelte hinter seiner dunklen Fassade.
"Sag wer es ist und wir schmieden einen Plan", drang es dumpf hinter der Maske hervor. Der Spion nickte.
"Es ist wieder ein Mädchen. Ihr Name ist Madline und sie muss aufgehalten werden." Dieses Mal schwang ein Zittern in seiner Stimme mit. Der Schattenherr hörte es heraus.
"Warum so kleinlaut, Geist? Seite an Seite werden Geist und Schatten ihre Kräfte bündeln, so sagt es die Prophezeiung. Du wirst uns doch helfen oder?" Der Schatten beugte sich auf seinem Sitz vor, sodass seine spitzen Fingernägel quietschend über das Metall der Lehne fuhren. Der Spion wich schaudernd zurück, nickte aber.
"Ja Meister. Ich habe einen Eid geleistet, den ich nicht brechen werde", bestätigte der Spion. Der Schattenherr sank zurück in seinen Sitz.
"Gut", flüsterte er gierig. Ein Husten hallte hinter der Maske hervor.
"Ich brauche den Avatar so schnell wie möglich. Hilf mir, dieses Mädchen zu töten und die Abmachung wird erfüllt. Wie lange brauchen wir und vorzubereiten?" Der Spion sagte auf Latein etwas zu den Wachen an der Tür. Dieser antwortete auf Latein zurück.
"In neun Tagen können wir angreifen", antwortete der Spion. Der Schattenherr seufzte.
"Aber dann wirklich. Länger darf es nicht dauern!" Und mit diesen Worten schickte er den Spion aus dem Raum und machte es sich auf seinem Sitz bequem. Dieser Spion glaubte tatsächlich, er würde sich an die Vereinbahrung halten. Soweit, so gut. Natürlich würde er sein Versprechen brechen müssen, das war ihm klar. Doch was machte es schon, wenn man die Welt regierte. Ein finsteres Lachen drang aus seiner Kehle und dieses Lachen hielt noch an bis der Mond am Himmel stand.






School of Elements Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt