20. Das Schulprojekt

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Das Schulprojekt

Es ist fünf vor Drei, als die Klingel ertönt.

"Jules", höre ich, ausgerechnet meinen Bruder, rufen, "hier ist jemand für dich." Und ich muss nicht lange raten, wer das ist. Ich hab mich für ihn nicht raus geputzt, so habe ich dem Date, oder was auch immer das hier werden soll, nicht einmal zu gestimmt. Trotzdem sehe ich, bevor ich die Treppe runter gehe, noch einmal in den Spiegel, fahre mir mit der Hand durch die Haare, um sie zu glätten und erneuere meine Wimperntusche.

Mein Bruder ist offenkundig tatsächlich nicht Blakes größter Fan, weswegen ich es beim Treppenruntergehen mit einem lieben Lächeln für ihn versuche. Doch sein Blick bleibt misstrauisch. "Was machst du mit dem?", fragt er, eher unbegeistert.

Da ich keine Lust auf Stress hab, beschließe ich kurzerhand, dass lügen wohl die bequemere Variante ist. "Schule", meine ich daher kurz angebunden; ich will die ganze Sache schließlich so uninteressant wie nur irgend möglich klingen lassen.

"So, so", fügt Blake hinzu und ich könnte ihn ohrfeigen. Sofort spürt er meinen gefährlichsten Killerblick. Zugegeben, er sieht wahrscheinlich nur halb so schlimm aus, wie er klingt. Viertel so schlimm. Aber ich denke, er hat verstanden, was ich sagen wollte, denn außer einem hinterhältigem Grinsen sagt er nichts mehr.

Ich schnappe mir schnell meine Jacke und mache dann, dass ich aus dem Haus komme. "Tschüss", gebe ich noch von mir, bevor die Tür ins Schloss fällt.

"Was soll das?", wettere ich daraufhin sofort los. "Wieso muss ich jetzt das Haus verlassen? Wieso sagst du zu meinem Bruder 'So, so', wo doch offensichtlich war, wie angespannt die ganze Situation verlief? Und wieso grinst du jetzt so bescheuert?"

Doch statt einer Antwort, wird dieses alberne Grinsen von ihm nur immer größer. Hysterisch werfe ich die Arme in die Luft: "Du machst mich fertig." Es ist unangenehm ruhig, während wir zu seinem Auto laufen und dass Blake so schaut, wie er eben schaut, macht das Ganze nicht erträglicher.

Natürlich hält mir dieser Idiot nicht die Tür auf, damit ich in das Auto steigen kann. Er sitzt sogar eher drin, als ich. Ich verdrehe die Augen, während ich die Tür zufallen lassen. "Bist du bei jeder deiner, ähm", ich muss kurz überlegen, ehe ich weiter spreche - lacht er mich aus, wenn ich Date sage?, "Verabredungen so ruhig?"

Er grinst schief, während er den Motor startet. "Normalerweise muss ich tatsächlich nicht viel reden, das stimmt." Und ich brauche eine Weile, ehe ich den Sinn dieser Worte verstehe.

"Ah", rufe ich angewidert, schlage mir dabei die Hände vor's Gesicht, "okay, was soll das? Willst du mich mit diesem Kopfkino verscheuchen? Du kannst auch einfach anhalten und mich raus schmeißen, aber bitte verschone mich mit diesen Bildern, oh Gott."

Als wäre das nicht schon die Höhe gewesen, beginnt er danach auch noch zu lachen. "Okay, bleib ruhig. Ich höre ja schon auf."

Ich bin zwar noch unsicher, ob ich ihm trauen kann, nehme aber trotzdem die Hände wieder runter, wenn auch langsam und jederzeit zu reagieren bereit. Stattdessen aber schaue ich nun aus dem Fenster. "Wo fahren wir jetzt eigentlich hin?", will ich wissen, womit ich absolut geschickt das Thema wechseln konnte.

"Also", beginnt er, doch spricht zunächst nicht weiter, sondern sieht mich einfach kurzzeitig an.

"Ja?", dränge ich.

"Bungeejumping", verkündet er schließlich, woraufhin sich meine Augen weiten und meine Kinnlade entsetzt runter klappt.

"Nicht dein Ernst. Das kann nicht dein Ernst sein, bitte sag, dass es nicht dein Ernst ist", bettele ich und rechne damit, dass er jeden Moment sagt 'Ha, rein gefallen'. Doch stattdessen sieht er nur zufrieden zu mir.

KnicklichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt