-3- In der Winkelgasse

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Die erste Woche verging schnell. Es passierte nicht viel, außer dass ich mich bei Ron entschuldigte. George wurde wieder entspannter und lachte sogar einmal. Dafür hörte ich ihn nachts weinen. Aber egal, was ich versuchte, ich konnte ihn einfach nicht aufheitern.

Die Abfahrt nach Hogwarts rückte immer näher und wir wurden zunehmend aufgeregter. Sogar Mrs Weasley war mehr als aufgeregt. Und mit der Zeit rückte auch unser alljährlicher Besuch in der Winkelgasse an. Als jener Tag dann endlich gekommen war, wuselten wir alle durch das Haus. Jeder sammelte seine Listen zusammen. ,,Kinder! Kommt ihr?", rief Mr. Weasley durch das Haus. Ich stopfte schnell meinen Umhang in meine Tasche und lief dann mit Ginny runter zur Haustür. ,,Gut. Können wir dann?", fragte Mr. Weasley und öffnete die Tür.

,,Halt! Moment noch. Geht schon vor zur Wiese. Ich komme gleich.", sagte ich und sprintete wieder die Treppe hoch. Aus dem Fenster sah ich, wie die vier im Gänsemarsch zur Wiese hinter dem Haus liefen. Vorsichtig klopfte ich an Georges Tür. ,,Was ist?", kam es leise aus seinem Zimmer. Ich machte die Tür auf. George saß auf seiner Fensterbank. Seine Augen waren rot und geschwollen. ,,Oh George." Ich nham ihn in die Arme und George began wieder zu weinen. In den letzten Tagen waren wir enge Freunde geworden und er genierte sich nicht, in meiner Gegenwart zu weinen. ,,Hermine, soagr die Wolken haben sein Gesicht! Ich kann nicht ohne Fred." ,,Ich weiß doch. Er war dein Bruder. Er war dein bester Freund. Denk an die glücklichen Zeiten. Nicht an das, was jetzt ist. Glaub mir, das hilft." Ich sah ihm tief in die Augen. ,,Glaub mir. Und jetzt komm. Du brauchst auch mal ein bisschen Ablenkung.", sagte ich und zog ihn mit mir. Widerwillig folgte er.

Die anderen standen bereits im Kreis auf der Wiese und warteten auf uns. ,,So. Jetzt können wir.", meinte ich und legte meine Hand auf Mr.Weasleys Arm. Die anderen taten es mir ein wenig sprachlos nach. Ich wusste warum. Sie hatten nicht erwartet, dass George sich zu solch einem Ereignis aufraffen konnte oder überhaupt wollte. Das tat er aber auch nicht, die Blicke waren ihm sichtbar unangenehm.
Bevor ich ihn darauf ansprechen konnte, ging ein schnelles Kribbeln durch meinen Körper und ich wurde durch diesen altbekannten imaginären Schlauch gezogen. Es war unangenehm, aber immerhin kamen wir schnell an unser Ziel. Die Winkelgasse.

Die Gasse strahlte etwas Düsteres aus. Ich konnte nie sagen, woran es lag, aber es fiel mir jedes Mal als erstes auf. Harry landete neben mir, danach Ron. ,,Alles okay?", fragte er mich fürsorglich. ,,Ja. Alles bestens. Bei euch?" Das Apparieren verlangte jedes Mal viel Kraft und schon öfters war es passiert, dass wir nach der Reise ausgezerrt und müde waren. Aber diesesmal nickten sie alle. ,,Gut.", sagte Mr. Weasley gut gelaunt. Wir gingen los. Der erste Laden, an dem wir ankamen, war ein normaler Bücherladen und Ginny und Harry verschwanden darin. Die beiden hatten viele Kurse zusammengewählt, um sich immer nah zu sein. Im Prinzip hätten Ron und ich das auch gemacht, aber meine Kurse waren ihm größtenteils zu anspruchsvoll. So besuchten wir alle lediglich Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zaubertränke und Kräuterkunde zusammen. Ich konnte Ron jedoch vertrösten, denn wir hatten ja die Nachmittage.

George stand etwas verloren herum, als wir jeweils unsere Sachen suchten. ,,George? Komm mal her?", rief ich deswegen. Er kam. ,,Was soll ich nehmen? Hm?" Ich deutete auf das Regal mit Büchern. Eigentlich wusste ich genau, was ich haben wollte, aber George musste beschäftigt werden. Er zog eins mit dunkelblauem Seideneinband heraus. "Patronus" stand in großer geschwungener Schrift darauf. Ich blickte George neugierig über die Schulter. ,,Schau mal Hermine. Da bist du." Seine Stimme war ruhig und zittrig, aber bestimmt.

,,George? Ich bin da nicht. Da ist kein Bild von mir." ,,Doch, schau doch. Das bist du.", meinte er lächelnd. Das machte mir Angst. ,,George, leg das Buch wieder weg. Ich bin da nicht. Du bildest dir das ein.", sagte ich beschwichtigend und nahm ihm das Buch aus der Hand. Er ließ es geschehen. ,,Komm. Wir gehen zu den anderen." Ich zog noch das Buch, dass ich eigentlich haben wollte, aus dem Regal und schob George voran. Es war, als würde er träumen. Nichts böses, nichts trauriges, aber auch nichts föhliches. Ich schluckte und dirigierte ihn zu den anderen. Die Menschen um mich herum sahen mich komisch an, aber ich hatte ja keine andere Wahl.

Als wir wieder alle beisammen standen, zog ich Mr.Weasley kurz zur Seite. ,,Was ist denn Hermine?" ,,Hören Sie, George hat Wahnvorstellungen." Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. ,,Oder zumindest etwas ähnliches. Er hat ein Buch angeschaut und steif und fest behaupted, dass er mich auf einem der Bilder sehen konnte. Aber da war kein Bild und schon gar nicht von mir. Bitte passen Sie auf ihn auf, ja?", sagte ich. Er nickte nachdenklich. ,,Weißt du, George befindet sich in einer sehr schlimmen Phase, aber du hilfst ihm. Das merke ich. Es kann schon mal sein, dass er sich etwas einbildet, mach dir keine Sorgen!" Er lächelt mich aufmunternt an. Aber trotzdem ging mir die Szene vorhin nicht aus dem Kopf.

Ginny und ich hatten uns eingehakt und schlenderten langsam von einem Schaufenster zum nächsten. Die Jungs waren in einem Quidditch-Laden unterwegs und George und Mr. Weasley kümmerten sich um den restlichen Einkauf. ,,Hermine" Ginny stieß mich an. ,,Hm?" Sie deutete auf die Ruine vor uns. Es war die Ruine von Ollivander. Die Steine waren schwarz angerußt von dem Feuer, mit dem sie damals den wunderbaren Zauberladen ausgebrannt hatten. Ich ging langsam auf die Ruine zu. Es roch immer noch nach Rauch und Schwefel.

Klingeling. Das Glöcklichen bimmelte leise, als ich die schwere Tür aufdrückte. Sofort stieg mir ein muffiger Geruch in die Nase. Staub rieselte durch die Luft. Die vielen Kartons in den Regalen um mich herum waren bereits gelb verfärbt. Wie alt waren diese Zauberstäbe wohl? ,,Hallo?" rief ich unsicher in den Raum. Sofort kam eine alter, weishaariger Mann. Er grinste verschmitzt. Fast wirkte er wie ein Verrückter, aber gleichzeitig wie ein unglaublich lieber Mnesch. Er hätte glatt mein Großvater sein können. ,,Na so etwas. Guten Tag. Wer bist du denn?" Er beugte sich zu mir herunter. ,,Guten Tag. Mein Name ist Hermine Granger." Ich hatte keine Angst. Er machte einen so freundlichen Eindruck, nur seine silbergrauen Augen sahen gruselig aus. ,,Das ist ein schöner Name. Ich nehme an, dass du einen Zauberstab brauchst?" Ich nickte und strich mir eine meiner braunen Locken hinter's Ohr. ,, Na dann. Lass uns mal schauen.", lächelte er und kletterte auf eine der vielen Leitern. ,,Weißt du, ein Zauberstab sucht sich seinen Besitzer selbst aus, aber manchmal muss man ihnen ein bisschen helfen." Er kicherte. Es war so absurd, das ein alter Mann kicherte, aber es passte zu ihm. Er zog eine lange Schachtel aus dem Regal und kam zu mir. ,,Probier mal den hier." Als Mr.Ollivander die Schachtel öffnete, kam ein weißer langer Stab mit hellen Verschnörkelungen zum Vorschein. Ich nahm ihn vorsichtig heraus. Meine Hand zitterte. ,,Er ist wunderschön", murmelte ich begeistert. ;,Ja. Er ist aus einer weißen Weinrebe geschnitzt und sein Kern ist aus Drachenherzfaser." Ich sah ihn verständnislos an. ,,Ach mein Kind, das lernst du noch, keine Sorge!", lachte der alte Mann. ,,Nun probier ihn doch aus! Schau, richte ihn auf diesen Stift hier" Er legte mir voller Eifer einen zerbrochenen Stift hin. Ich blickte immer noch verständnislos drein. ,,Jaja! Und jetzt sage: Reparo! Und der Rest geht von alleine." Er lachte wieder. Ich richtete meine zitternde Hand auf den Stift. ,,Na, aber so kannst du ja gar nicht arbeiten!" Er nahm meine Hand und sah mir in die Augen. Und erst jetzt, als ich sie mir so richtig besah, merkte ich, dass sie gar nicht gruselig waren. Sie glänzten wie Silber. Ich vernahm eine leise Stimme. Es fühlte sich an, als würde sie in meinen Geist eindringen. Mr.Ollivander ließ meine Hand los und nickte mir aufmunternd zu. ,,Reparo!", sagte ich bestimmt. Die Stifthälften erhoben sich wie von Geisterhand und reparierten sich von selbst. Mit einem dumpfen Knall fiel der Stift wieder zurück auf den dunklen Schreibtisch. Meine Augen wurden groß. Das war das erste Mal, dass ich die Magie wirklich selbst sehen konnte. Es war das erste Mal, dass ich sie selbst angewendet hatte. ,,Ich bin wirklich eine Hexe!", murmelte ich kaum hörbar. Mr. Ollivander lachte. ,,Ja, das bist du, mein Kind. Ich denke, der Zauberstab ist der richtige."

Tränen stiegen mir bei dieser Erinnerung in die Augen. Ollivander war ein guter Mensch gewesen. Ich konnte nicht verstehen, wie man ihm so weh tun konnte. Der Laden war alles für ihn gewesen. Wieder spürte ich diese Wut in mir auflodern. Diese Wut gegen die Armee des dunklen Lords. Und diesmal war ich diejenige, die weinend in Ginny's Armen lag.

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