-26- Erzfeind

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Harry's P.o.V.
Ich saß, trotz beißender Kälte und dicken, weißen Flocken in der Luft, draußen auf der Wiese am Hang vor unserem Schloss. Mein Blick wanderte über die Landschaft, betrachtete die dünne Schneeschicht, die sich gleichmäßig über alle Steine und Stöcke legte. Es war wirklich verdammt kalt, mein Atem stieß in weißen Dampfwolken aus meiner Nase und die unbedeckte Haut an meinen Fingern und Wangen brannte. Aber die eisige Luft half mir beim Denken, klärte meinen Kopf und meine wirren Gedanken.

Hermine und Malfoy. Draco Malfoy und Hermine, Hermine Granger. Egal, wie ich es drehte, es blieb eine seltsame Vorstellung. Ganz so, als wäre man etwas ausgeliefert, das man nicht verändern konnte. Was wusste ich, einem neuen, schlechteren und nervigen Lehrer oder einem anderen Tagesablauf, wegen dem man viel früher aufstehen musste. Man mochte es nicht, aber es gab ja keine andere Möglichkeit, als damit zurechtzukommen.

Und irgendwie wollte ich das ganze ja auch akzeptieren. Mich für meine beste Freundin freuen. Das sollte man so unter Freunden machen. Und ich wusste ja auch, dass sie mit Ron nicht glücklich war, geschweige denn, jemals geworden wäre. Es tat mir zwar leid für meinen besten Kumpel, aber irgendwo war er bestimmt selbst daran schuld. Ron war manchmal nicht einfach, da konnte ich Hermine schon verstehen.

Aber Malfoy?! Sollte es ausgerechnet unser alter Erzfeind, gigantischer Störenfried und gekürter Vollidiot ganz Hogwarts sein, dem sie ihr Herz schenkte? Immerhin war es doch gerade er gewesen, der meine beste Freundin so oft verletzt hatte, dass sie mit glasigen Augen davon gerannt war?

Hermine konnte sich gegen so gut wie alles wehren, immerhin war sie schulbeste Hexe und wir hatten einen brutalen Krieg gegen den schlimmsten Zauberer der Zeit gewonnen - doch wenn sie eines verletzte, dann waren das Worte. Sie konnten mehr anrichten, als man sich vorstellen mochte. 'Mine schaffte es nicht, damit umzugehen, wenn jemand sie ohne driftigen Grund nicht mochte. Und nicht als Zauberer angesehen zu werden, nur weil man menschliche Eltern hatte, zählte ganz bestimmt nicht als Grund.

Ich rieb mir mit dem Handrücken über mein Gesicht, um die Flocken fortzuwischen, die sich auf meiner Nasenspitze angesammelt hatten. Die Decke aus pudrigem Schnee war gewachsen, feiner und dicker geworden. Der Himmel war grau und die Eiskristalle rieselten beständig auf die Erde herab. Ich musste unwillkürlich lächeln. Besonders diese Jahreszeit liebte ich, wenn alles unter dem weißen Zauber vergraben wurde und jeder auf einmal zum kleinen Kind wurde, wenn es darum ging, den Schnee zu plündern. Es war magisch, und trotzdem ganz ohne Magie.

Und jetzt war es trotzdem genau dieser Kerl, der ihr mehr bedeutete, als er es meiner Meinung nach tun sollte. Ich wusste nicht, wie ernst sie es miteinander meinten. Immerhin hatten sie sich vor weniger als einem Jahr noch gehasst. Wie schnell konnte Hass zu Liebe wandeln? Oder war es schon immer so? Dass sie nur auf dem schmalen Grad zwischen Hass und Liebe getanzt hatten.
Was sich liebt, dass neckt sich. Es würde so gut passen. Und auch wenn ich nicht gerade erfreut darüber war, aber es machte so langsam alles Sinn. Als wären sie füreinander bestimmt gewesen. Es musste einfach besonders sein.

Ich seufzte auf, mein Kopf schmerzte von den Grübeleien. Nahm ich also an, Hermine und Malfoy wären jetzt ein richtiges Paar - ich konnte sowieso nichts dagegen tun, wenn sie sich liebten, würde es dazu kommen. Wenn es nicht schon soweit war.
Aber was würde dann aus Ron werden. Aus ... uns? Aus dem goldenen Trio, aus den besten Freunden? Ron würde das ganze nicht so einfach hinnehmen. Er hatte schon kaum akzeptieren wollen, dass Hermine und er nicht länger zusammen waren. Immer, immer hatte er sich darauf gestützt, dass sie noch nicht offiziell Schluss gemacht hatten. Er liebte Hermine wirklich, von ganzem Herzen, und er konnte den Gedanken an ein Leben ohne sie nicht ertragen. Man konnte mit ihm kaum darüber reden, ohne dass er sich ewig lang in Selbstmitleid suhlte und jeglichen Kontakt zu Anderen mied. Dabei sah jeder außer ihm, dass es vorbei war.

Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie es nach dem kommenden Ernstfall wohl werden würde. Wie er reagieren würde, wenn er das mit Malfoy rausfinden würde. Obwohl er sich das vermutlich schon denken konnte. Der Abgang in der großen Halle heute morgen war eigentlich mehr als eindeutig gewesen. Wahrscheinlich tobte er immer noch und Ginny versuchte ihn irgendwie zu beruhigen. Da musste Hermine jetzt durch. So gerne ich ihr helfen, sie irgendwie unterstützen wollte - das musste sie alleine schaffen. Und ich betete für sie, dass sie uns nicht vollkommen zerstörte.

Am Nachmittag beschlossen wir, nach Hogsmeade zu schlendern und im Drei Besen einzukehren. Ich war mir zwar nicht ganz sicher, ob es die beste Idee war, Ron und Hermine zusammenzubringen, aber nur weil die beiden momentan ein Beziehungsproblem hatten, wollte ich mir nicht meine Laune verderben lassen. Schließlich würden wir nicht lange hier bleiben und die knappe Zeit sollten wir nutzen. So liefen also nicht nur Ron, Ginny, 'Mine und ich, sondern auch noch ein paar andere Schüler, mit denen ich immer gut ausgekommen war, wie Neville oder Luna, Seamus oder Katie, die ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gesehen hatte, in die Stadt.
Die Wege waren vereist und glatt, der Schnee bedeckte unsichere Stellen auf dem Boden, sodass wie mehrmals mit akrobatischen Bewegungen bis zum nächsten, haltgebenden Ast oder Felsen schlitterten. Wir lachten eigentlich ununterbrochen und gelegentliche Blicke zu meinen beiden besten Freunden versicherten mir, dass auch sie sich wohlfühlten. Erleichterung machte sich in mir breit.

Irgendwann hatte ich mich zurückfallen lassen, alle Anderen liefen nun vor uns. Ginny hatte sich bei mir eingehakt, den Kopf auf meiner Schulter. Ich beobachte Hermine, die sich angeregt mit Katie unterhielt, und hin und wieder Ron, der abwechselnd Schneebälle zu Seamus und Dean warf und jedes Mal wie ein kleiner Gnom lachte, wenn er ihre Köpfe traf und der gepresste Schnee auseinander stob.
,,Ich habe mit Ron geredet.", meinte Ginny leise. Ich sah mit hochgezogener Augenbraue auf meine Freundin herunter. Sie nickte lächelnd. ,,Ja, ich habe ein bisschen Vorarbeit für Mine geleistet. Sonst hätte er ihr direkt die Kehle aufgeschlitzt, wenn sie miteinander reden werden." So viel zum Thema, sie müsste das alleine schaffen. Aber ich war trotzdem beruhigt, so konnten wir immerhin das Schlimmste vermeiden.

,,Wie lange wusstest du schon, was zwischen Malfoy und ihr läuft?" Ginny schmunzelte. ,,Eigentlich weiß ich es nicht. Aber ich ahnte es schon lange. Schon seit Jahren, um ehrlich zu sein." Ich stieß einen Laut der Überraschung aus. ,,Seit Jahren? Aber ... Aber Mine hat doch immer ... Sie hat ihn doch gehasst!"
Ginny lachte leise. ,,Ja, na und? Liebe und Hass sind wirklich dicht beieinander!" Ich musste an meine Gedankengänge heute vormittag denken. ,,Bestimmt nicht.", grummelte ich verstimmt. Dass auch Ginny so dachte, bestätigte es ja nur noch. Und sollten die Beiden schon wirklich so lange ... füreinander fühlen, das... es wäre seltsam.

,,Zumindest von Dracos Seite schon lange. Ich habe ihn oft beobachtet, heimlich natürlich, und irgendwie habe ich das an seinem Blick gemerkt. Er hat Mine immer anders angeschaut, als die Leute, die er wirklich abgrundtief hasst. Dich zum Beispiel. Da war Mordlust in seinen Augen, wenn er dich angesehen hat, vor ein, zwei Jahren. Und bei Mine war da etwas anderes. Ich konnte es nie benennen, aber jetzt bin ich mir ziemlich sicher.", erklärte sie mit schmalem Lächeln auf den Lippen. ,,Ach ja? Sicher, dass er sie irgendwie schon geliebt hat? Klingt eher merkwürdig als schön, findest du nicht?" Ich konnte mich mit Gedanken nicht abfinden.

Ginny boxte mir gegen den Oberarm und ich verzog beleidigt das Gesicht. ,,Du hast davon doch überhaupt keine Ahnung!", fauchte sie, war mir aber nicht böse. Das erkannte ich an dem unauffälligen Zucken ihrer Lippen. Sie musste sich ein Lächeln verkneifen. ,,Wenn sie glücklich sind, so wie es jetzt ist, dann freue ich mich für sie, ganz klar. Mine hat das verdient. Bei Ron war sie ... falsch aufgehoben.", stimmte ich zu und die rothaarige Hexe nickte nachdenklich. ,,Ich hoffe nur, er versteht das auch. Und dass er keine Dummheiten macht."
Aber tief in mir wusste ich, dass wir nichts vermeiden konnten, was Ron bereits plante.

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