-36- Mein dunkler Raum

965 41 4
                                    

Hermine's P.o.V.

Ich konnte kaum etwas sehen, meine Sicht war durch die Tränen total verschleiert. Aber irgendwie trugen mich meine Beine einfach weiter, sie fanden schon einen Weg. 

Zu meinem Glück waren kaum Schüler auf den Fluren, immerhin hatten sie jetzt eigentlich alle Unterricht. Ich wollte auf niemandem begegnen, ich wollte einfach nur alleine sein. Und ohne, dass ich es bemerkte, kam ich am Raum der Wünsche an.                                                                                  Schniefend wischte ich mir über die Augen, um wieder etwas erkennen zu können. 

Ich wusste gar nicht, was ich mir wünschen sollte. Nur, dass mein Herz aufhörte, so weh zu tun, aber das half mir ja jetzt nicht weiter. Nicht einmal eine Bibliothek kam mir gerade wirklich reizvoll vor. Für einen Moment waren meine Tränen versiegt, zumindest konnte ich wieder einigermaßen klar sehen und Luft holen. Ich würde mich einfach auf meinen Verstand verlassen, irgendetwas würde schon dabei herauskommen.

Wobei sich mein Verstand ja auch getäuscht hatte. Ich war so sehr überzeugt gewesen, dass da wirkliche eine tiefere Bindung zwischen Draco und mir bestand. Dass da etwas ernsthaftes war, was uns verband. Ich hatte ihm vertraut, mit meinem Herz und meinem Verstand, aber ich hatte mich getäuscht. Und vielleicht hätte ich das wissen müssen. 

Die Tür, die sich vor mir öffnete, führte mich in einen dunklen Raum. Ich zögerte kurz, weil es von hier draußen nicht aussah, als würde es hinter der Tür überhaupt weiter gehen. Das traute ich meinem unzuverlässigen Verstand tatsächlich zu - mich einfach in ein schwarzes Loch fallen zu lassen. Immerhin hatte ich gerade das vor noch ein paar Minuten gefühlt. 

Vorsichtig tastete ich mit meinem Fuß, ob hinter der Türschwelle Boden war. Dann zückte ich meien Zauberstab, der sanft in meiner Hand vibrierte. Als würde er merken, dass es mir nicht gut ging, und mir deswegen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen wollen. Ich schwenkte ihn kurz und ein Lichtstoß schoss durch den Raum. In seinem Schatten konnte ich mehrere Umrisse ausmachen. Es war also kein schwarzes Loch.

Seufzend trat ich ein und zog die Tür hinter mir zu. Dann ließ ich ein bestehendes Licht erscheinen und machte ein paar Schritte vorwärts. Im fahlen Licht konnte ich erkennen, dass es sich um alte, abgedeckte Möbel handelte. Weiße Laken bedeckten die Holzstücke, was sie geisterhaft erscheinen ließ, aber ich vernahm das nicht einmal als gruselig. 

Ich bahnte mir, ohne die Richtung zu wissen, einen Weg zwischen dem ganzen verstaubten Gerümpel hindurch. Im Notfall würde ich mich einfach auf den Boden setzen. Aber da entdeckte ich einen Umriss, der mich an ein Bett erinnerte. Ich schlug die Decke zurück, und tatsächlich, ein Bett kam zum Vorschein. Die Matratze wirkte zwar nicht mehr aktuell und top in Form, aber es reichte mir vollkommen. 

Ich setzte mehrere Lichtpunkte ab, sodass sich um das Bett herum eine hellere Atmosphäre entwickelte. Dann sah ich mich um, ob vielleicht auch irgendwo eine Decke zu finden sein würde, ließ dann aber kurzerhand mit meinem Zauberstab eine auf der Matratze auftauchen. Zu meinem Erstaunen handelte es sich um ein Stück, dass ich nur zu gut kannte.

Die blau-rot gepunktete Decke, die jetzt vor mir lag, war ein fester Bestandteil meiner Kindheit gewesen. Immer, wenn es mir nicht gut gegangen war, hatte ich sie über meine Schultern gezogen und mich darin verkrochen, um ganz mit mir allein zu sein. Dann hatte sich manchmal mein Vater neben mir gesetzt und mir leise vorgelesen, wenn ich krank war zum Beispiel. Oder in den Momenten, in denen ich mich schrecklich ausgegrenzt gefühlt hatte, weil ich anders war. Wenn die Kinder mich ausgelacht hatten, weil ich der festen Überzeugung gewesen war, mit Tieren sprechen zu können. Oder die Bäume zu verstehen.                                                                         Ich hatte mich ja damals selbst nicht verstanden. Erst später merkte ich, was das für zauberhafte Gaben waren. Aber Kinder konnten so grausam sein.

DreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt