41. Kapitel~Wie der lebende Tod

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Leons POV

Sie ist es. Sie ist es wirklich. Was fühle ich? Ich weiß es nicht. Sie steht dort, auf dieser riesigen Bühne, hat gerade der ganzen Welt ihre Liebe gestanden. Die Liebe, die sie für mich empfindet. Liebe ich sie? Ja. Ich werde sie immer lieben. Habe ich Angst? Ja. Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Ganz langsam gehe ich auf die Leinwand zu, in meinen Augen schwimmen Tränen, aber ich weiß nicht, ob ich sie weinen darf. Ich will einfach nur, dass Vilu mich jetzt umarmt. Aber das geht nicht... Sie befindet sich am anderen Ende der Welt.

Die Welt um mich herum flimmert in leuchtenden Farben während ich immer weiter gehe, den Blick fest in ihren Augen verankert, die Welt steht still. Allerdings muss ich schon  bald stehen bleiben. Stumm starre ich sie an, beobachte sie. Ich weiß immer noch nicht, was ich fühlen soll. Soll ich die Liebe, die ich empfinde, zulassen, auch wenn ich sie dann wieder verletzen kann? Soll ich ihr hier und jetzt meine Liebe gestehen und sie um Verzeihung bitten? Ich weiß es nicht.

Vilu beobachtet mich genauso still, wie ich sie mustere. Aber plötzlich kullern ihr wieder kleine Tränen über die Wangen. Sie senkt mutlos den Blick und wendet sich ab. Sie rennt haltlos von der Bühne und erst in diesem Augenblick kann ich reagieren. Ganz langsam, ganz vorsichtig habe ich meine Hand und lege sie auf die Leinwand, genau an die Stelle, an der gerade eben noch ihr Gesicht war. Mein Mund formt lautlos die Worte: "Ich liebe dich...", aber Vilu hört sie nicht mehr. Sie ist schon weg. Allein der Nachhall ihrer Schritte auf dem Boden verrät, dass dort gerade eben noch eine Frau gestanden hat. Eine Frau, die die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte und deshalb geflüchtet ist....

Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich sie nur damals alleine lassen? Wie konnte ich sie so sehr verletzen? Ich weiß es nicht... Die Schmerzen in mir toben, entkräftigt lasse ich mich auf den Boden sinken. Wie ein kleines Kind sitze ich dort, mitten in Berlin, inmitten einer Menschenmenge, und kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich weine vor Trauer und vor Schmerz, die Arme habe ich um die Knie geschlungen, ich wiege mich hin und her, vor und zurück, versuche, einen Ausweg aus diesem ausweglosem Schmerz-Labyrinth zu finden. Aber es gibt keinen...

Plötzlich spüre ich Hände auf meinen Schultern, sie versuchen, mich aus dem Gewirr meiner eigenen Arme und Beine zu befreien, aber ich lasse es nicht zu. Ich schlage um mich, wehre mich, bis sich plötzlich ein zarter Körper an meinen schmiegt. Dünne Arme Schlingen sich um mich, geschockt halte ich inne und reiße die Augen auf.... Nur um gleich wieder los zu weinen. Es ist meine Schwester, die mich fast zerquetscht. Für einen Augenblick habe ich wirklich daran geglaubt, dass Vilu vor mir steht und mich umarmt...

"Leon?", jemand ruft mich, aber ich weiß nicht, wer. Trotzdem lasse ich mich von den unzähligen Händen um mich gern auf die Füße ziehen. Kaum stehe ich, stolpere ich allerdings über meine eigenen Füße, direkt in die Arme von einer Person. Sie kann mich aber nicht halten, so dass wir beide zu fallen drohen. Zum Glück fängt und jemand auf. Ich kann nicht erkennen, wer es ist... Mein Blick ist unscharf, verschleiert und alle meine Versuche, ihn klar zu bekommen, bringen rein gar nichts, so dass ich die Augen irgendwann wieder resigniert schließe. Ich verlasse mich blind auf die Leute, die mich stützen, wenn nicht sogar tragen, und mich so immer weiter von der Menschenmasse wegbringen. Manchmal flüstern sie sich etwas über meinen Kopf hinweg zu, aber ich verstehe es nicht. Das Rauschen in meinem Kopf überdeckt alles...

Lange laufen wir nicht, schon bald werde ich auf einen weichen Untergrund gedrückt. Jemand zieht mir meine Schuhe und meine Jacke aus, dann spüre ich etwas weiches, leichtes, was über mir ausgebreitet wird. Das letzte, was ich wahrnehme, sind die Worte: "Schlaf schön. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus..."

Violettas POV
Ich stürze von der Bühne, renne durch den gesamten Backstage Bereich, bis ich endlich meine Garderobe finde. Ich knalle die Tür hinter mir zu und lasse mich dann mit dem Rücken dagegen fallen. Langsam aber sicher rutsche ich immer weiter nach unten, bis ich auf dem Boden sitze. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen, weine immer mehr, das einzige, was die Stille durchbricht ist mein schmerzerfülltes Schluchzen. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich nur glauben, dass er mich wirklich aus Liebe verlassen hat? Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben, dass wir wirklich noch eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben? Wie konnte ich nur so dumm sein?

Voller Zorn springe ich auf, trete um mich, raufe mir die Haare, alles, was mir in die Finger kommt schmeiße ich um, weg von mir. Auch der große Spiegel muss dran glauben. Mit einem ohrenbetäubenden Schrei und aller Kraft schleudere ich ihn auf den Boden.
Dann bleibe ich zittern davor stehen. Die Scheibe ist zersplitterte, aber trotzdem erkenne ich mich noch. Ich sehe aus wie ein Zombie. Wie der lebende Tod...

Gerade in dem Moment, in dem ich das denke, kommt mir eine zerstörerische Idee. Wenn schon leiden, dann richtig...

Langsam gehe ich in die Knie, mit zitternden Händen suche ich dir größte der Scherben und umklammere sie. Ich richte mich auf, meine Augen glänzen fiebrig, ein selbstzerstörerisches Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus. Ich schließe die Augen, werde ganz ruhig. Meine Hände hören auf zu zittern, das Rauschen in meinen Ohren wird immer leiser. Es herrscht Totenstille. Das Lächeln in meinem Gesicht hat jetzt einen seligen, einen zufriedenen Ausdruck. Langsam bewege ich die Scherbe auf mein Handgelenk zu, will gerade den letzten Schritt tun, will die Schmerzen für immer betäuben, da wird die Tür zu meiner Garderobe aufgestoßen, ich höre, wie Stimmen laut werden. Dennoch halte ich inne. Seelenruhig lächelnd stehe ich da, nur noch Millimeter von meiner Zerstörung entfernt. Aber dann, ich hole gerade tief Luft, kommt jemand von hinten auf mich zugelaufen und stößt mich um. Gemeinsam fallen wir. Mitten im Fall schließen sich Finger um meine Handgelenke, drücken sie mit aller Kraft auseinander. Und dann prallen wir auf dem Boden auf. Alle Luft entweicht meinen Lungen...

So, da ist das gewünschte Kapitel zum zweiten Mal. Entschuldigt bitte, dass ich es erst jetzt komplett veröffentliche, aber Wattpad hat gestern Abend einen Großteil gelöscht und ich musste alles neu schreiben... Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem:)

Auf meinem Profil könnt ihr auch schon seit gestern Abend abstimmen, wo ich heute Abend/morgen früh updaten soll!

Hab euch lieb,
Aennchen_01❤️❤️❤️


Die Liebe und der ganze Rest [Violetta FanFiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt