43. Kapitel-Kennen wir uns?

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Violettas POV

"Vilu...", schon wieder ruft er mich. Wieso kann er mich nicht einfach schlafen lassen? Ich bin so erschöpft... Aber dennoch hebe ich tapfer den Kopf und schaue schläfrig in Ross' Augen. Er schenkt mir ein kleines, ernstes Lächeln. "Du darfst nicht einschlafen...", beim Klang seiner zarten, leisen Stimme wird die Verlockung noch größer. Aber ich will ihn nicht enttäuschen. Also lehne ich nur meinen Kopf wieder an seine Schulter, während ich leise freue: "Warum nicht? Ich bin so müde..." Die plötzliche Erschütterung, das beben seines Körpers fühlen sich fast schon wie ein Lachen an. Wiederhebe ich den Kopf, diesmal vor Erstaunen. Amüsiert schaut er mich an. Er mustert mich von oben bis unten und blickt mir dann wieder geradewegs in die Augen. "Weil das da", träge schaue ich in die Richtung, in die sein Zeigefinger zeigt, "Erst einmal verheilen muss...", Erschrocken zucke ich zurück. Mein linkes Handgelenk und ausnahmslos jeder meiner zehn Finger sind in einen dicken, weißen Verband gehüllt. Probeweise versuche ich, das Handgelenk zu bewegen. "Aua!", schreie ich, nachdem ich diesen weißen Klumpen eine Sekunde lang belastet habe. Der Ausdruck in meinen Augen wird noch fassungsloser, verwirrt schaue ich Ross an: "Was ist das? Wer hat das getan?"

Leons POV

Hals über Kopf stürme ich aus der Küche, direkt zurück in mein Zimmer. Ich zerre meinen Koffer unter dem Bett hervor und schmeiße wahllos alles hinein, was mir in die Hände fällt. Irgendwann ist er voll, gewaltsam verschließe ich ihn, ohne auch nur den geringsten Schimmer davon zu haben, was ich eingepackt habe. Ich will mein Zimmer verlassen, den Koffer in der Hand, aber ich werde aufgehalten. Im Türrahmen stehen Maxi und Naty, kühl blicken sie mich an. 

"Was genau gedenkst du jetzt zu tun?", fragt mich Naty in zweifelndem Tonfall und mit hochgezogener Augenbraue. Ohne zu antworten laufe ich einfach weiter, in der Annahme, dass sie mich durchlassen, wenn ich sie einfach ignoriere, aber Maxi kommt mir entgegen, packt mich an den Schultern und drückt mich zurück auf mein Bett. Ich versuche mich zu wehren, aber seine Worte lassen mich innehalten: "Leon. Hör mir zu. Du kannst jetzt nicht nach Buenos Aires fliegen." "Wieso nicht?", knurre ich mit zusammengebissenen Zähnen, langsam aber sicher werde ich wütend. "Weil...", Maxi versucht, Blickkontakt zu mir aufzubauen, aber ich wende mich ab, mustere die weiße Wand hinter ihm, "Du 1. keinen Flug gebucht hast, du 2. noch immer nicht das Sorgerecht für deine Schwestern zugesprochen bekommen hast und du Violetta 3. nur noch mehr verletzen würdest. Denk doch mal nach, Leon. Du kannst jetzt nicht einfach wieder zurück kommen. Es ist klar, dass sie sich liebt. Das hat sie schließlich der ganzen Welt bewiesen, aber hast du nicht gesehen, wie aufgelöst sie war, als sie die Bühne verlassen hat? Ihre Seele ist in ihren Grundfesten erschüttert worden. Lass sie jetzt erst einmal Frieden mit den anderen schließen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie wussten genauso wie wir nichts von diesem Auftritt und sind immer noch ziemlich durch den Wind. Vorlage Fede und Ludmi. Lass die drei das erst einmal klären. In der Zeit warten wir auf das Sorgerecht und überlegen uns, wie und wann du am besten zurück gehst. Bitte Leon, beherrsche dich!"

Traurig mustere ich ihn. Er hat Recht. Aber ich kann doch nicht einfach tatenlos hier herum sitzen und nichts tun... "Komm, Leon...", murmelt Naty sanft und zieht mich von meinem Bett hoch. Sie führt mich aus meinem Zimmer, bis ins Wohnzimmer, wo sie auf die Couch deutet. Dort liegen Angi und Charly, dicht aneinander gekuschelt und schlafend. "Die beiden waren die ganze nacht wach...", flüstert Naty, "Sie waren außer sich vor Sorge um dich und haben die ganze Zeit über an deinem Bett gesessen, deine Hand gehalten und mit dir geredet, wenn du wieder unruhig wurdest. Ich weiß nicht, ob du das noch weißt, aber nachdem ich dich in dein Bett gebracht hattest warst du wie im Fiebertraum. Es schien, als würdest du gegen etwas ankämpfen. Du hast um dich geschlagen und getreten, die ganze Nacht über hast du geredet. Unsinniges Zeug, wie in einem Wahn. Die Worte und Berührungen haben dich beruhigt. Aber wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht... Die zwei sind wundervoll. Denkst du nicht auch, dass sie ein guter Grund sind, abzuwarten?"

Federicos POV

Still sitze ich auf dem kleinen Sessel, den ich direkt neben ihr Bett gerückt habe, und mustere die schlafende Ludmi. Sie liegt da, eingerollt wie eine Kugel, mit beiden Händen umklammert sie den Anhänger von Vilus kette, die sie seit deren Verschwinden immer trägt. Selbst im Schlaf wirkt meine Freundin erschöpft und ausgelaugt, Schmerz und Trauer haben sich wie Tattoos in ihre zarte Haut gebrannt. Sie musste so viel durchmachen...

Plötzlich überkommt mich der Drang, sie zu berühren, ihre Hand zu ergreifen. Bevor ich das ganze überhaupt begreifen kann, schließt sich meine Hand schon zart um ihre Finger, die andere streicht ihr sanft ein paar Haare aus der Stirn. Ja, ich habe Angst. Große Angst. Vor dem, was heute passieren wird. Eine winzige Träne löst sich plötzlich aus meinem Augenwinkel. Das alles ist so unwirklich. Ich habe Angst vor dem Treffen mit meinem Zwilling. Ich habe Angst vor dem, was sie uns sagen wird. Wird sie wieder zu uns kommen? Oder hat sie jetzt gänzlich mit uns abgeschlossen? Ich will meine Schwester zurückhaben...

Immer mehr Tränen fallen auf meine Hand, die immer noch Lidmi umklammert, so dass diese relativ schnell ihre Augen öffnet. Ohne große Worte versteht sie mich, richtet sich auf und küsst mich mitten auf den Mund. Der Kuss ist weder unschuldig, noch zärtlich. Er ist hart, geprägt von all den Schmerzen der letzten Tage, Wochen und Monate. Und ich erwidere ihn. Mit feuriger Inbrunst küsse ich Ludmi zurück, ziehe sie auf meinen Schoß, während meine Zunge gegen ihre ankämpft. Aber weiter gehen wir nicht. Ich weiß, dass so ziemlich jeder an dieser Stelle genau zu wissen meinte, was kommt. Aber da lagt ihr falsch. Ludmi und ich haben uns gegenseitig versprochen, dass wir nicht miteinander schlafen, bis wir Vilu wieder getroffen haben. Das hat zwei ganz simple Gründe. 1. Soll diese gemeinsame Erlebnis nicht von der Trauer und dem Schmerz angetrieben werden, den wir im Moment einfach nicht ablegen können, es soll kein Akt der Verzweiflung sein und 2. Ist uns das ein noch größerer Ansporn, meine Schwester zu finden. Und den konnte wir irgendwann wirklich gut gebrauchen. Wenn man schon halb aufgegeben hat, dann wünscht man sich noch Tausend andere Gründe, um weiter zu machen...

Mittlerweile sitzen wir beide nur noch still da. Unser Schweigen ist friedlich, meine Tränen sind versiegt und Ludmi hat ihre Stirn mit geschlossenen Augen gegen meine gelegt. Frieden... Das ist es, was ich mir in der letzten Zeit so sehr gewünscht habe. Jetzt bin ich nur noch einen Schritt davon entfernt...

Violettas POV

Unruhig sitze ich in meiner Garderobe und warte auf den Arzt, der ich eigentlich noch einmal untersuchen sollte. Ich starre meine dick eingewickelten Handgelenke an, versuche, mich zu erinnern... Ross hat mir erzählt, dass ich versucht haben soll, mich umzubringen. warum, das wollte er mir nicht sagen. Er meinte, ich soll lieber mein Unwissen genießen um mich zu erholen. Scheinbar bin ich gerade so dem Tod entronnen. Aber trotzdem kann ich mich an nichts erinnern. Ich weiß, wer ich bin und ich weiß, dass ich einen Zwillingsbruder habe, dass meine Mutter tot ist, aber mein Vater noch lebt. Aber ich weiß nichts mehr von diesem Konzert, dass ich gegeben haben soll, geschweige denn von der Zeit davor.... Plötzlich klopft es an die Tür. Endlich! Das muss der Arzt sein. Also bleibe ich sitzen, murmele nur ein leises : "Herein..."

Aber es ist nicht der Arzt, der dort vor mir steht... Es ist eine Gruppe Jugendlicher, die mich fassungslos von oben bis unten mustert. Ein wenig aus dem Konzept gebracht flüstere ich leise: "Hallo...?" , und werde in der nächsten Sekunde von einem Mädchen, dass auf mich zugeraunt kommt, einer wunderschönen Blondine, fast erdrückt. Sie umarmt mich fest und lange, während ich hilflos dastehe und mich frage, wer das ist.

Nach einer halben Ewigkeit drücke ich das Mädchen sanft weg und frage sie verwirrt: "Entschuldige bitte, aber kennen wir uns?"

Das Schweigen, dass in der nächsten Sekunde den Raum erfüllt gleicht dem auf einer Beerdigung.

Ups... Würde ich dann mal sagen... Wer steht wohl da? Kennt Vilu die Gruppe wirklich nicht? Warum kann sie sich nicht an das Konzert und alles was danach und davor geschehen ist erinnern? Wieso weiß sie nichts mehr von ihrem Suizidversuch??

Was denkt ihr, bleibt Leon in Deutschland? Oder wehrt er sich weiterhin? Was mein Maxi damit, dass "sie sich überlegen, wie und wann Leon zurück geht"?

Feedback wäre wie immer sehr nett:)

Hab euch lieb, 

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Die Liebe und der ganze Rest [Violetta FanFiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt