Du bist in erster Linie total eingebildet

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„Wake up, dear."
Ich ignorierte Samus sanfte Stimme an meinem linken Ohr und tat so, als würde ich immer noch schlafen.
„It's late, c'mon", sagte er leise.
Verschlafen öffnete ich meine Augen und blinzelte ihn an. Er saß auf meiner Seite des Bettes, war bereits angezogen und ausgehfertig.
„Wie spät?", nuschelte ich und schmatzte verschlafen.
„Quarter past nine. You didn't noticed my alarm clock. Don't know why."
„Hast du Riku Bescheid gesagt?", gähnte ich und setzte mich auf.
„Sure. Ich habe auch a little breakfast für dich", grinste Samu und zeigte mit dem Daumen auf den Schreibtisch, „hope you'll enjoy it."
Schell stand ich auf und begutachtete das weiße Tablett.
Samu hatte an alles gedacht. Obstsalat mit Orangen, Äpfeln und Trauben, Croissants, Erdbeer-Vanille- und Kirschmarmelade und Kakao. Ich hatte einen Bärenhunger.
„Was willst du davon essen?", fragte ich und drehte mich zu Samu um.
„Nothing."
„Warum nicht?"
„Keine Hunger", grinste er.
„Bauchweh?"
„Heartache", sagte Samu.
„Deswegen gehen wir heute einkaufen", grinste ich und steckte mir ein Stück Croissant in den Mund, „ich mach mich schnell fertig, ja?"
„Take your time", antwortete Samu, „new towels are in the bathroom."
„Das hast du auch gemacht?", mampfte ich.
„Sure. Du hast dich gekummert, now ich kummere mich."
Ich grinste dankend, biss nochmal in das Croissant und verschwand im Badezimmer.
Ich duschte schnell, föhnte meine Haare über Kopf und zog eine khakifarbene Skinnyjeans und einen grauen Rundhalspullover an. Die Wimpern tuschte ich kräftig. Dafür betonte ich meine Lippen lediglich mit einem matten Lipgloss in nude. Als ich in Socken aus dem Badezimmer kam, stand Samu am Schreibtisch und genehmigte sich einen Löffel Obstsalat.
„Doch Hunger?"
„Sorry", nuschelte er und wollte das Obst zurück auf den Löffel spucken.
„Schluck es runter!", befahl ich und holte eine Umhängetasche für Portemonnaie, Taschentücher und Handy aus dem Weekender im Badezimmer.
„Are you ready?", fragte Samu und dippte das Croissant in die Kirschmarmelade.
„Fühlst du dich gut genug um draußen rumzulaufen? Was macht dein Bauch?"
„Yes. Du siehst, was ich esse."
„Ja. Und genau deswegen frag ich dich. Nicht, dass wir in der Stadt sind und du mir sagst, dass du brechen musst."
„No. Muss nicht", Samu schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Kakao, „ready?"
Ich zog Mantel und Schuhe an, hängte mir die kleine Tasche um und steckte die Schlüsselkarte in meine Hosentasche.
„Kommst du dann?", fragte ich Samu, der noch immer vor dem Essenstablett stand. Er sah mich an, dippte das letzte Stück Croissant in die Erdbeer-Vanillemarmelade und eilte zur Tür.
„Hier", sagte er, drückte mir das Blätterteiggebäck in die Hand und lief vor auf den Flur, „wenn ich noch mehr esse, ich platze."


Wir verbrachten mehrere Stunden in der Münchener Altstadt. Hier mal rein, hier eine Hose, da ein Shirt. Das Schönste war, dass Samu die ganze Zeit unerkannt blieb. Die Münchener Fans gingen davon aus, dass er das Bett hütete, nachdem er bei dem Konzert gestern Abend nicht dabei gewesen war.


Die Rezeptionistin hatte uns schief angeschaut, als jeder von uns mit drei Tüten in jeder Hand am späten Nachmittag zurück in das Hotel kamen. Wie selbstverständlich drückte Samu die „3" auf dem Tastenfeld des Fahrstuhls.
Oben angekommen warf er die Tüten auf das gemachte Bett und ließ sich daneben fallen.
„Oh my god", sagte er und breitete die Arme aus, „I'm so fertig."
Ich stellte meine Einkaufstüten neben den Fernsehtisch, legte meinen Mantel über die Armlehne des Sessels und setzte mich auf den Hocker.
„Hunger?", Samu hob seinen Kopf und sah mich fragend an.
„Schon wieder?"
„Just kidding", lachte er, „but later I have a surprise for you."
„Ich hoffe, es ist nichts zu essen?"
„Maybe?"
„Wo lässt du das alles?"
„What?"
„Das Essen. Du bist so schlank und –entschuldige- frisst so viel ungesundes Zeug."
Samu stand auf und sah an sich herunter.
„I'm not that skinny", sagte er, schob sein Shirt hoch und quetschte eine fürchterlich kleine Speckrolle an seinem Bauch zusammen, „look!"
„Du bist dennoch nicht fett, Samu."
„Doch!"
„Du hast 'n Vogel", ich tippte mir an die Stirn und piekste Samu auf dem Weg ins Bad in seinen Bauch, „ich finds niedlich."
„Dafür sind meine arms awesome."
„Du bist in erster Linie total eingebildet", meinte ich keck und streckte meinen Kopf aus dem Badezimmer.
„Findest du?", fragte er schockiert.
„Das war ein Witz!", rief ich und schaltete das Wasser an.
„Maybe du solltest jetzt noch nicht duschen", sagte Samu laut.
„Warum nicht?"
Ich hörte seine Schritte auf dem Teppichboden.
„Please wait", bat er vor der Badezimmertür stehend.
„Warum?"
„I've booked the finnish sauna on the fifth floor for us", antwortete Samu leicht unterwürfig.
„Was?", ich schaltete den Wasserhahn ab, „du hast die Sauna reserviert?"
„Wanna that du bist more relaxed", flüsterte er und schob die Badezimmertür auf.
Deswegen sollte ich mich in der Bademodenabteilung umsehen.
Und nur aus dem Grund hatte ich mich zu einem neuen Bikini überreden lassen.
Und nur, damit er Ruhe gab, hatte ich ihn gekauft, ohne ihn vorher anzuprobieren.
Und irgendwie war das unheimlich süß.
„Für wie viel Uhr?", fragte ich und knöpfte meine Hose wieder zu.
„Later erst. So gegen 11.00 Uhr."
„Ich bring meine Sachen dann schon mal hoch und richte mich häuslich ein. Du kannst dich heute Nacht dann nochmal erholen, bevor wir alle zusammen morgen nochmal in die Stadt gehen und Donnerstag zurück nach Düsseldorf fliegen", beschloss ich.
„Donnerstag?", Samu lehnte sich mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen gegen die geschlossene Badezimmer.
„Ja. In der Hoffnung, dass wir noch relativ günstige Flüge bekommen."
„Train?"
„Was ist damit?"
„Wir konnen mit die train fahren?"
„Das ist doch noch teurer", ich schüttelte den Kopf, „vor allem so kurzfristig."
„Hm", grübelte er, „but ich will mit die Zug fahren."
„Ich klär das mit den anderen", sagte ich entschlossen, „oder kommst du mit, wenn ich jetzt gehe?"
„Sure", Samu öffnete die Badezimmertür und nahm gekonnt die Einkaufstasche mit dem Bikini und ein Handtuch für mich in die Hand, „nicht, dass du dir", er suchte nach Worten, „that you weasel out of going with me in the sauna."
„Gehen wir alleine?", fragte ich erschrocken und nahm die Schlüsselkarte von der Anrichte.
Samu antwortete nicht, öffnete federnden Schrittes die Tür des Hotelzimmers, ließ sie gegen die Wand knallen und stolzierte zum Aufzug.
Ich eilte ihm hinterher.


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