Emma und Samu

802 20 0
                                    


Nachdem ich keine zwanzig Minuten später die Treppen hinunter kam, konnte ich Emmas Frühstücksei schon riechen. Während es in der Pfanne brutzelte, hatte sie den Tisch gedeckt und sich ihres braunen Tops entledigt. Stattdessen trug sie ein khakifarbenes Spitzenshirt.
„Du hast es eingesaut", meinte sie schmunzelnd, als ich sie von hinten umarmte und an dem Ärmel des Oberteils zupfte.
„Weißt du, wer kommt?", wollte ich wissen küsste ihre Haare.
„Keine Ahnung. Irgendwann haben sie in der Gruppe auf das Finnische gewechselt. Wenn du willst, kannst du gucken."
Schnell griff ich in die Handtasche die neben uns stand, ohne Emma loszulassen und entsperrte die Tasten.
Zum ersten Mal war ich glücklich über die Tatsache, dass sie wenig bis gar kein Finnisch verstand und sprach.
Sami hatte den Jungs erzählt, dass er Emma und mich am Vortag knutschend im Supermarkt getroffen hatte.
Natürlich zerrissen sie sich jetzt den Mund darüber, weil sie alle auch von Mirja wussten.
„Ich hab deine Pinselprinzessin übrigens vorhin getroffen", grinste Emma und strich über meine Unterarme.
„Wen?"
„Mirja!"
Mein Magen zog sich zusammen.
Warum war sie in Espoo unterwegs?
„Ich wusste gar nicht, dass ihr früher mal miteinander geschlafen habt."
Ich auch nicht.
„Was hat sie gesagt?", fragte ich ohne den Blick vom Display abzuwenden um weniger beteiligt zu wirken.
Bloß nichts anmerken lassen.
„Sie hat mich gefragt, ob du deinen Kopf auch in meine Halsbeuge legst, bevor du kommst."
Ernsthaft?
Ich starrte Emma an.
Sie grinste.
„Was hast du gesagt?"
„Ich hab gesagt, dass ich nicht mit dir schlafe."
Ich lächelte zufrieden und legte Emmas Smartphone zurück in die Tasche.
Feigling, Haber.
„Alle kommen, Jukka nicht", sagte ich schnell und drückte ihr abermals einen Kuss auf den Scheitel.


„It was delicious", meinte Osmo und ließ sich in den Stuhl sinken.
Auch alle anderen waren gut satt geworden. Das Treffen mit Mikko hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Schließlich war Samu wegen mir zu spät zu diesem Probeinterview im Mai gekommen. Aber von Hass keine Spur. Auch Osmo war sehr nett und entspannt.
„What now?", fragte Raul und stellte die Teller zusammen.
„Smoking", erwiderte Mikko knapp, erhob sich und ging schnurstracks durch die Eingangstür auf den provisorischen Balkon. Samu und Riku folgten.
Kaum waren sie draußen, wandte sich Sami an mich und wippte mit den Augenbrauen.
„What?", grinste ich.
„Samu and you?"
„What?"
„We met yesterday?"
„I know?"
„What was yesterday?", wollte Raul wissen.
Sami drehte sich auf dem Stuhl um, umarmte sich selbst, neigte den Kopf und gab Kussgeräusche von sich.
„Emma and Samu."
„You're kidding me!", schrie Raul.
„No bro."
„Asshole", lachte ich.
„We met next to the contraceptives", flüsterte er Raul zu.
„You sleep with him or rather you'll planned it?", fragte Osmo plötzlich.
„Guys. I did nothing with your leadsinger, don't worry", ich schmunzelte, stand auf und räumte das gestapelte Geschirr in die offene Wohnküche.
„But you kissed him!", rief Sami und schlug mit Raul und Osmo ein.


„Wenn du willst, du kannst Zeit mit mir haben alleine", flüsterte ich Emma ins Ohr und stützte mich rechts und links von ihr ab, während sie die Pfanne spülte.
„Schick die Jungs nicht weg. Es ist so schön, Zeit mit ihnen zu verbringen", sie legte ihre nasse Hand auf meine, „wir haben noch die ganze Nacht Zeit."
„More than this", schmunzelte ich und drehte mich zu den Jungs um, ehe ich Emmas Hand umklammerte. Sie saßen auf dem Sofa, tranken Kaffee und unterhielten sich angeregt über die anstehende Tour im nächsten Jahr. Ich hingegen war mit meinem Kopf ganz woanders. Wie liebend gerne hätte ich sie rausgeschmissen, um Emma an Ort und Stelle die Kleider vom Leib zu reißen.
„Sami hat mich auf den Kuss angesprochen", wisperte sie plötzlich.
„They all know."
„Woher?"
„In eure Gruppe Sami hat erzählt. Mikko und Riku haben gefragt gerade, wie lange wir schon sind so", ich legte meinen Kopf auf ihrer Schulter ab.
„Dass er nichts für sich behalten kann, der Gute. Und dann tut er hier gerade so, als wäre es was komplett Neues."
„Maybe he was excited because after Vivi ich war eine Frack."
„Du meinst Wrack. Einen Frack zieht man an", Emma verbot sich ein Lachen und drückte ihren Rücken gegen meine Brust.
„Du already weißt, was ich meine!"
„Wie reagieren wir jetzt darauf?"
„Maybe wir treiben es auf die Küchentisch?", fragte ich, „vor die?"
„Ich hab ihnen gesagt, dass ich nicht mit dir schlafe", sie drehte sich zu mir um und küsste die empfindliche Stelle unter meinem Kehlkopf, „Mirja hab ich das schließlich auch nicht gesagt."
Zum Glück!
„Dann treiben wir es all right", grinste ich und setzte zu einem Kuss an, den Emma nur zu gern erwiderte.


Aus dem Wohnbereich ertönten schrille Pfiffe.
„Shut up!", nuschelte Samu laut und hatte seinen Griff um meine Taille nicht gelockert.
Ein Raunen und Stauen drang durch den Raum.
„Guys", rief ich lachend und schlang meine nassen Hände wieder um Samus Hals um ihn erneut zu küssen.
„Take a room!", schrie Riku.
„Ich würde auch lieber hochgehen", flüsterte ich, als ich mich von Samus Lippen lösen konnte.
„Let's go!", er griff nach meiner Hand in seinem Nacken.
„Du hast ein offenes Schlafzimmer, mein Lieber."
„Also later?", seine Unterlippe schob sich nach vorne.
Ich nickte, küsste seinen Mundwinkel und wurde dann von ihm ins Wohnzimmer navigiert.
„Sorry. Had to do something", entschuldigte Samu sich unehrlich und bewegte die Jungs mit unkontrollierten Handbewegungen dazu, enger zusammen zu rutschen. Er bot mir einen Platz auf der Couch an und setzte sich in auf den Sessel neben mich.
„What's the topic?", wollte er wissen und stützte die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab.
„Now you and you're swedish girl", grinste Sami und lehnte sich nach vorne.
„Shut the fuck up and care yourself", schüttelte Samu lachend den Kopf.
„Be prepared!", meinte Mikko zu mir und klopfte meinem Lieblingsfinnen auf die Schulter, „he is an erotic arouser".
„Because he slept with Mirja years ago?", lachte ich.
„As well", warf Sami schmunzelnd ein.
Samu sah Sami böse an. Als hätte er etwas Falsches gesagt.


Sami zuckte mit den Schultern. Wie unpassend diese Äußerung gewesen war. Natürlich hatte ich vor Emma Sex mit anderen Frauen. Mit vielen anderen Frauen. Unmittelbar vor Emma gab es jedoch nur Vivianne und Mirja. Ich betete, dass Emma Samis „as well" nicht hinterfragen würde. Wenn der Zeitpunkt gepasst hätte, hätte ich es bereits erzählt.
Der Moment hatte sich bisher einfach nicht ergeben.
„As well?", fragte Emma interessiert.
Ich schickte Stoßgebete in den Himmel und sah Riku flehend an.
Halt die Klappe, halt die Klappe.
„There are a lot of stories, don't believe all of them", rettete mein bester Freund die Situation und lächelte mich an, als es an der Tür läutete.
Panisch blickte ich durch das Fenster hinter der Couch und erkannte den weißen VW Polo, der unmittelbar hinter meinem BMW stand.
Mirja.
Ich sprang auf, huschte schnell zur Tür, öffnete sie und bat Mirja freundlich herein. Sie umarmte mich, während ich ihr auf Finnisch ins Ohr flüsterte, dass wir zu reden hatten.
Während sie mich umarmte schilderte ich ihr die Situation in aller Kürze.
Dass da drin eine Frau saß, in die ich unheimlich verliebt war.
Und dass sie nichts von unseren nächtlichen Aktivitäten wussten.
Mirja nickte, schob sich an mir vorbei und lächelte winkend in die Runde.
Ich atmete laut aus und hoffte inständig, dass sie nichts über unsere Affäre preisgeben würde.


„Really?", gab ich erstaunt von mir.
„Was really?", fragte Samu hektisch nach und setzte sich neben mich, weil Mirja sich wie selbstverständlich auf den Sessel fallen ließ.
„Raul hat gerade von deinem Erlebnis in der Sauna erzählt."
„Which one?", er legte seinen Arm hinter mich auf die Lehne der Couch.
Und ein bisschen hoffte ich, dass er ihn um meine Schulter legen würde.
Nur kurz.
Um dieser Malermeisterin zu signalisieren, dass er kein Interesse an ihr hatte.
„Als du eine Songidee hattest und nackt aus der Sauna gestürmt bist."
„Das war eine Mal", lächelte er und streifte mit seinen Fingerkuppen meine Schulter, „und ich war jung."
„Und jetzt bist du alt?"
„Older", grinste er, „was hast du für eine andere surprise for today?"
„Du hast vor der Tür einen See. Vielleicht können wir baden gehen?"
„Du weißt, dass ich erst hatte eine Sonnenbrand?"
„Ich creme dich auch vorher ein."
Er beugte sich zu mir.
„Without the other guys, right?", flüsterte er mir in das Ohr und platzierte flüchtig einen Kuss dahinter.
„Eincremen ohne, See mit?"
„Dudes?", meinte Samu laut, „wanna spend the day together?"
Alle antworteten durcheinander.
Auf Finnisch.
Zum ersten Mal überlegte ich ernsthaft, zumindest einen Anfängerkurs an der Fachhochschule zu absolvieren. Schließlich lernte Samu –unter anderem- für mich Deutsch.
„Great idea, Samu", brachte Mirja hervor und tätschelte seinen Oberarm, „but I have a meeting in Helsinki in a few hours."
Gott sei Dank.
Ich hasste Menschen wie sie. Die sich immer in den Vordergrund drängen mussten. Als hätte sie eine Aufmerksamkeitsstörung.
Wen interessierte es, ob sie einen Termin hatte?
Viel interessanter wären die Antworten von Osmo oder Mikko gewesen.
Die ich leider nicht verstanden hatte.
„We all are involved", meinte Riku leise zu mir.
„Ok guys", Samu stand auf und klatschte auffordernd in die Hände, „I have to look after my swim trunks to get sunbathing with my beautiful swedish girl."
Ich wurde rot.
Riku stieß mir gegen die Schulter.
„Can you remember our conversation in Munich? After he kissed you for the first time?"
Ich nickte.
Selten war es mir so schlecht gegangen.
„I said he like you, you said Luckenfuller. You wasn't right", grinste er.


„It was really nice to meet you", Osmo schüttelte Emma die Hand und klopfte mir auf die Schulter, „I'm sorry for having no time."
„No problem, we will talk", lachte ich und schloss die Tür hinter ihm.
Emma öffnete die zwei Fenster in Küche und im Essbereich und ließ sich kaputt auf das Sofa sinken.
„Alles ok?", ich lachte und vergrub an der Tür stehend die Hände in den Taschen.
„Das könnte ich dich fragen", sie streckte sich, hockte sich hin und klopfte anschließend auf den Platz neben sich, „immer, wenn dich was stört oder du dich unwohl fühlst, vergräbst du deine Hände in den Taschen und drückst die Unterarme durch."
„I'm really doing good", meinte ich als Emma die Hand um meinen Nacken und die Andere auf meinen Bauch legte.
„Wenn das funktionieren soll", zitierte sie mich mit einem Schmunzeln in der Stimme, „du musst reden mit mir und sein ehrlich. Always."
Mir war die schlechte Grammatik in dem Satz nie bewusst gewesen.
„Ist meine Deutsch so schlecht?", ich sah Emma in ihre braunen Rehaugen.
„Ich finde, du redest gut deutsch", sie küsste meine Wange und lehnte sich gegen meine Brust, „also. Was ist los?"
Ich legte meinen Arm um ihre Taille und zog sie nah zu mir.
„Was denkst du über mich?"
„Was?"
„Kannst du keine Deutsch?", neckte ich sie.
Emma hob ihren Kopf und runzelte die Stirn.
„Was ist passiert?", sie setzte sich auf.
Ich schwieg und ließ meine Finger über ihre Seite fahren.
„Samu."
„Hm?"
„Was hat Sami gemacht, dass du ihn vorhin so böse angeguckt hast?", fragte sie direkt.
Wenn sie jetzt noch erraten hätte, dass ich bis an dem Morgen vor der Videoaufnahme mit Mirja geschlafen hatte, wäre ich geliefert gewesen.
„Denkst du, ich bin eine Aufreißer?"
Verdammt. Wieder nicht die Kurve gekriegt.
„Weil Sami gesagt hast, dass du nicht nur mit Mirja geschlafen hast? Das ist doch ewig her", Emma stand auf und holte sich meine Gitarre.
„Aber denkst du, dass ich bin eine asshole?"
Sie lehnte die Akustikgitarre an den Sessel und setzte sich wieder neben mich, die Hände nebeneinander auf meinen Oberschenkel gelegt.
„Ich weiß, dass du nichts hast anbrennen lassen, als du jünger warst. Aber das zählt doch nicht, oder? Du verurteilst mich doch auch nicht."
Ich nickte.
„Oder würdest du?"
„Vielleicht?", schmunzelte ich und zog einen Mundwinkel nach oben.
„Du bist 'n Arschloch, ja", grinste Emma und streichelte über mein Bein, „aber es ist mir doch egal, was früher gewesen ist."
Wieder nickte und zog sie für einen oder zwei oder drei Küsse auf meinen Schoß.
Ein Feigling war ich dennoch.

Friendzoned?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt