Es gab so viele Situationen in denen ich dich einfach hätte küssen wollen

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Irgendwann erwachte ich und bemerkte, dass Samu weg war. Ich setzte mich schnell auf und rieb mir die Augen. Hatte ich alles gestern bloß geträumt? War ich gar nicht neben ihm eingeschlafen? War ich immer noch in Chile? Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Ich war zu Hause. Und ein weiterer gekonnter Griff auf das Kissen zu meiner rechten verriet mir, dass dort jemand gelegen hatte; es war noch warm.
„Samu?" rief ich müde, als ich meine Zimmertür öffnete. Mit nackten Füßen stapfte ich ins Wohnzimmer und erkannte die leuchtende Glut einer Zigarette auf dem Balkon.
„Alles gut?", fragte ich und lehnte mich gegen den weißen Türrahmen der Balkontür.
„Ich wollte dich nicht wecken, sorry", meinte Samu müde und aschte die Glut in den leeren Blumentopf zu seiner Rechten.
„Komm wieder ins Bett, hm?", fragte ich und lehnte mich an seinen nackten Rücken, „wir müssen eh so früh aufstehen."
„Es klingt schön, wenn du sagst „wir"", er drehte sich zu mir um und legte seine Arme auf meinen Schultern ab.
„Du stinkst", ich rümpfte die Nase und deutete mit dem Kopf auf die Zigarette, „rauch auf und komm wieder ins Bett."
„Denkst du, dass eine gute Idee?"
„Ich denke schon, warum?"
„Ich schlafe next to you wie eine baby, but it's so hard, dass ich dich nicht anfassen darf."
„Wenn ich schlafe, bekomme ich davon nichts mit", grinste ich zweideutig und tippte mit den Fingern verträumt auf einen seiner Unterarme, weil seine Arme noch immer auf meinen Schultern verweilten.
Nach einem kurzen Lächeln ließ er seine Arme sinken und nahm einen tiefen Zug.
„Kannst du vorstellen, für immer zu sein in diese situation?"
„Wie meinst du das?"
„Du hier, deine Freund woanders?", er lehnte sich über das Geländer.
„Wenn es nicht anders geht, dann muss ich damit wohl oder übel leben."
„Aber immer? Bis du bist old?"
„Wenn das so ist, dann ja. Natürlich", meinte ich.
„Will you stay here für immer, während ich toure und in Helsinki wohne?", fragte er präziser und grinste mich schief an.
„Denkst du, ich lass dich alleine, während die vielen Groupies ihre Schlüpfer auf die Bühne werfen?", raunte ich einnehmend.
Samu schüttelte lachend den Kopf.
„You don't wanna sleep with me but you're jealous, if other people want."
„Ich hab nicht gesagt, dass ich nicht will", grinste ich und schnippste Samu die Zigarette aus der Hand, „ich hab gesagt, dass wir das nicht dürfen."
„Das ist die gleiche thing", er schaute seiner Zigarette hinterher und zog eine Schnute.
„Es fällt mir super schwer, mich zu konzentrieren, wenn du bei mir bist. Ich rede dummes Zeug oder lache irre. Es gab so viele Situationen in denen ich dich einfach hätte küssen wollen", sprudelte es aus mir heraus, als ich mich neben ihn ans Geländer stellte, „aber ich will Tomás nicht in die gleiche Situation bringen, in die Max mich gebracht hat. Du bist seit Beginn des Auslandssemesters der erste Gedanke an jedem Morgen. Du bekommst Selfies beim Zähne putzen, nicht Tomás. Mit dir skype ich abends zuletzt. Nicht mit ihm."
„Du bist confused vielleicht", meinte Samu zusammenfassend, während er die ganze Zeit über verständnisvoll genickt hatte.
„Vielleicht muss ich auch in die Psychiatrie, weil ich nicht mehr klarkomme", witzelte ich.
„I think it's normal, wenn du mit eine guy zusammen bist who isn't die first choice", grinste er.
„Du wolltest mich nicht, als ich bis über beide Ohren in dich verliebt war."
„But now I wanna", er legte seinen Arm um meine Taille und zog mich zu sich, „more than anyone else."
„Ich fühl mich schlecht, wenn ich dir das nicht zurückgeben kann, Samu", ich legte meine Hände auf seine nackte Brust.
„You do that already."
„Lügner."
„I don't lie. Du könntest mich zurückweisen, everytime. But you don't do that. That makes me feel good. Feel fine, you know."
Ich nickte und sah in den wolkenverhangenen Nachthimmel.
„Let's go to bed. You look very tired. And I have to do something bad with you."
„Wenn ich schlafe, ist mir das egal."
„Ich weiß", er zuckte mit den Augenbrauen und zog mich zurück in die Wohnung.


Irgendwann wachte ich auf, weil jemand mit seinen rauen Fingerkuppen über meine nackte Taille und Hüfte fuhr.
„Samu", kicherte ich, zog das Shirt herunter, platzierte seine Hand auf meinem Bauch und streichelte über sein Unterarmtattoo. Er brummelte, ließ mich aber sofort wieder einschlafen.
„Hey", flüsterte ich nach einiger Zeit erneut und schob seine rechte Hand, die unentwegt mein Brustbein durch den dünnen Stoff des Shirts streichelte, zurück auf meine Taille.
„I'm asleep and you, too", nuschelte er mit seiner noch tiefer wirkenden Stimme.
Ich lachte leise und drückte mich gegen seinen nackten Oberkörper.
„Really", er griff um mich herum, „Kopf up."
Ich hob den Kopf leicht an, so dass Samu seinen Arm hinunter schieben konnte. Kaum hatte ich mich richtig positioniert, zog er mich an der Hüfte näher an sich heran. Er vergrub sein Gesicht in meiner Schulter und überzog meinen gesamten Körper dank seines heißen Atems mit einer Gänsehaut.
„Ich geh auf die Couch, ok?", wisperte ich.
„Warum?"
„Weil ich nicht klar denken kann, wenn du mich so anatmest."
„That's what I mean with „I don't trust myself", sorry", langsam nahm er den Arm von meiner Hüfte, „please stay."
Ich wollte gar nicht gehen.
Am liebsten wäre ich die nächsten 100 Jahre genau so liegen geblieben.
Aber ich kannte mich. Früher oder später hätte ich Samus Avancen nachgegeben und all meine Prinzipien über Bord geworfen. Oder hatte ich das bereits getan, indem ich diesen wundervollen Mann in mein Bett geladen hatte?
Ich legte Samus Arm wieder auf meinen Bauch.
So ging es.
Einigermaßen.
So verlor ich nicht den Verstand.


Ich wurde von Wassertropfen auf meiner Nasenspitze geweckt. Samu war bereits duschen gewesen und stand mit einem Handtuch um die Hüften erwartungsvoll vor dem Bett. Ich zwinkerte und setzte mich auf.
„Hyvää huomenta."
„Deine Finnisch is perfect", grinste Samu, „I wanted to make you a chocolate. But I can't find the cocoa powder."
„Da kannst du lange suchen. Sowas gibt es hier nicht. Ich hab mir den immer in der Uni geholt."
„I'm sorry. But ich habe mir eine coffee genommen."
„Alles gut, Samu" sagte ich zufrieden.
Ich fand es schön, dass er sich hier wie zu Hause fühlte.
„It's 7 o'clock. Can I get my breakfast?", er schob die Unterlippe nach vorne, „scrambled eggs à la Emma?"
„Du weißt ja, was rein kommt. Ich geh währenddessen duschen", grinste ich.
„Oh no, c'mon."
„Nööhöö."
„Please."
„Neien."
„Emma."
„Samu."
„Emma Lovisa."
„Samu Aleksi."
„Weib, make my breakfast!", lachte Samu und schlug den Ton eines Oberfeldwebels an.
„Ich bin emanzipiert. Ich möchte das nicht", näselte ich grinsend.
„We make a deal, ok?"
„Wie soll der aussehen?", fragte ich und setzte mich gespannt in den Schneidersitz.
"I try to make it. But if the kitchen is burning, that's not my business."
„Als könntest du nicht kochen."
„I can't", schwor er.
„Ok, deal", ich sprang auf und verschwand tippelnden Schrittes im Badezimmer.


Es roch angebrannt, als ich das Badezimmer in ein Handtuch gehüllt verließ. Grinsend und kopfschüttelnd zugleich warf ich mein Schlafshirt und die restliche Schmutzwäsche unachtsam an das Fußende des Bettes und schloss die Tür. Bevor ich mich für ein Outfit entschied, zog ich die Rolladen hoch und schaute raus. Sonnenschein.
Angesichts des After-Hochzeit-Brunches meines Bruders, entschied ich mich für ein beigefarbenes Bandeau-Kleid in ausgestellter Form, einen tief ausgeschnittenen, schwarzen Blazer mit Taillierung und schwarze Riemen-Pumps von Leni. Goldener Schmuck rundete mein Outfit ab. Die noch nassen Haare tupfte ich trocken und band sie vorerst in einem lockeren Zopf zusammen. Bevor ich das Zimmer verließ, schielte ich auf mein Handy. Tomás hatte versucht, mich anzurufen.
Wie schön, dass er sich auch mal meldete.
„11.30 Uhr am Flughafen?", schrieb ich und legte das Smartphone erneut auf den Nachttisch.

Friendzoned?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt