Musste ich mich überhaupt rechtfertigen?

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„Viel Spaß!", sagte Tomás und drückte mir einen Kuss auf die Wange, „meld dich, wenn ihr gelandet seid."
„Mach ich", nickte ich und schaute ihm hinterher, als er die Eingangshalle verließ.
„Weißt du, wie spät es ist?", fragte Samu grimmig. Er hatte in der Lobby auf mich gewartet. Leider hatte ich die Zeit völlig vergessen und war fast 20 Minuten zu spät gekommen. Zu allem Überfluss auch noch lachend und eingehakt bei Tomás.
Samu war stinkwütend.
„Seit fucking 20 Minute warte ich hier auf dich, schreibe dir more than fünf messages, rufe dich ofter an and y...", er warf die Hände wütend in die Luft als ich unterbrach.
„Sorry. Wir schaffen es doch noch pünktlich. Wir laufen keine drei Minuten zum Radiosender", versuchte ich ihn zu besänftigen.
„Aber du wollteste dich bereden before and now wir haben keine Zeit."
„Natürlich haben wir die. Ich wollte nur wissen, welche Sachen du gefragt werden willst, damit ich dem Moderator eine Liste geben kann. Mehr nicht."
„But it's too late!", er presste die Worte verärgert durch seine geschlossenen Zähne, „sehr gut, dass du hattest Spaß mit die boy aus Portugal und we are without any preparation!"
Ich runzelte die Stirn. Es ging ihm gar nicht um meine Verspätung. Aber die Tatsache, dass ich zu spät kam, weil ich mit Tomás unterwegs gewesen war verfinsterte Samus Laune. Er wirkte eifersüchtig.
„Es geht dir doch gar nicht um die Zeit."
„Of course."
„Nein, Samu. Du brauchst nur irgendetwas um Tomás schlecht zu reden."
Er rollte mit den Augen, zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche, steckte sich eine in den Mund und ging vor die Tür. Ich warf dem mir unbekannten Rezeptionisten ein verstörtes Lächeln zu und folgte Samu genervt nach draußen.
„Du hast keine andere Thema mehr, oder?"
„Ich?"
„Deine einzige Thema ist diese receptionist with his brown eyes", er zündete genervt seine Zigarette an und nahm einen Zug, „I don't know warum."
„Er ist ein Freund, mehr nicht."
„Not?", horchte Samu mich aus und deutete mit hochgezogenen Augenbrauen auf die Kette, die er mir zum Geburtstag geschenkt hatte.
„Was ist damit?"
„Was ist das für eine charm?"
„Samu Aleksi Haber", sagte ich streng, „ist das dein ernst?"
Tomás hatte mir während des Frühstücks einen Anhänger für meine Kette geschenkt. Er war aus blauem Glas, gespickt mit kleinen Luftbläschen und war –auf Grund der fehlenden PANDORA-Prägung- nicht echt. Aber darum ging es mir nicht. Ich hatte Tomás wirklich gern.
Samu warf mir einen erwartenden Blick zu.
Musste ich mich überhaupt rechtfertigen?
Nein.
Für was auch? Weil ich mich mit jemandem traf, der sich nicht plötzlich für seine Modelfreundin entscheiden würde, obwohl er genau wusste, dass es zwischen uns knisterte?
Ich freute mich innerlich über Samus Eifersucht und versuchte, mir das nicht anmerken zu lassen.
„Können wir los?", fragte ich grinsend.
Er sah mich verstört an, drückte seine Zigarette in den Aschenbecher an dem Eingang und schenkte mir ein gespieltes Lächeln.
„Willst du die Weekender mitnehmen?"
„Ich hab meine Unterlagen dabei, passt schon."
Auf dem kurzen Weg zu dem Radiosender Antenne Düsseldorf wechselten wir nur wenige Worte miteinander. Hauptsächlich geschäftliche. Vielleicht war dieser Abstand gut, um mich von ihm zu entfernen. Nicht als gute Freundin, sondern als verliebte Frau. Manchmal kam ich mir vor wie in einer schlechten Telenovela. Praktikantin verliebt sich in den Chef, er weist sie ab, sie erleidet Höllenqualen und verliebt sich dann in den armen Praktikanten aus der anderen Abteilung, sie heiraten, bekommen zwei Kinder und leben glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.


„Keine Fragen über privacy, ok?", fragte Samu.
„Natürlich nicht. Das geht ja Niemanden was an", antwortete ich und notierte „keine privaten Fragen!!!!!" auf meinem Zettel, während Samu sich noch einen Kaffee in der Eingangshalle des Senders holte. Ein Mitarbeiter winkte ihn kurze Zeit später zu sich, um ihn in das Studio zu begleiten. Ich gab ihm die geschriebene Liste mit, er drückte mir im Gegenzug seinen Kaffeebecher in die Hand und folgte dem Angestellten umgehend. Ich stellte den Kaffee auf den Beistelltisch neben der Sitzgruppe, ließ mich in den Sitz fallen und suchte in meinem Telefonbuch nach der Nummer von Riku. Ich wollte wissen, ob die Jungs gut im Hotel angekommen waren.
„Hei? Kenen kanssa puhun?", sagte Riku, als er ans Handy ging.
„Hello? It's Emma calling. I don't understand what you said, Riku", lachte ich unsicher, „is everything ok? How is Munich?"
„Emma, hiiiii!", sagte Riku freundlich, „Munich is very nice. We have a suite for us and what should I say. All very nice. How are you?"
Suite? Warum hatten wir eine Suite für uns alle?
„I'm fine, thanks."
„Jukka booked it for all of us", meinte Riku nach einer kurzen Pause, als hätte er mein Stirnrunzeln gesehen, „have to go now, see you in a few hours!"
„Ok, see you tonight!", sagte ich verwirrt und legte auf.
Wann und wo sollte das Konzert überhaupt stattfinden? Ich war völlig planlos. Das ganze Wochenende hatte ich mich nicht um meinen Job gekümmert. Sofort kramte ich in dem Weekender nach meinem Kalender.
Ich blätterte und blätterte.
03.11., 21.00 Uhr, Backstage München. Na bitte, ging doch.
Wann mussten wir am Flughafen sein? Ich war so unorganisert.
„Möchten Sie reinkommen?", fragte mich der Mitarbeiter des Senders und riss mich aus meinen Überlegungen, „dann können Sie Ihren Schützling in Aktion erleben."
„Ist das legal?", blinzelte ich.
„Selbstverständlich. Sie müssen lediglich Ihr Handy ausschalten", antwortete der Angestellte und deutete auf mein Handy.
Ich nickte, stand auf und schaltete mein Smartphone aus.


Friendzoned?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt