Also wenn Harry eins kann, dann definitiv Versprechen halten. Er hat mich heute, meist zu Fuß, durch die ganze Stadt gescheucht, hat sich mit mir Kathedralen angeschaut und war mit mir in der Ruinenstadt. Kurz waren wir am Panama Kanal und auf dem traditionellen Markt in der Altstadt. Wir haben ein Haufen frischer Früchte gegessen und uns unserer Füße platt gelaufen. Ich kann es echt kaum glauben, aber er hat es wirklich geschafft mich abzulenken. Unterwegs hat er mir Cupcakes gekauft, weil so etwas zum Geburtstag dazu gehört. An die einundzwanzig Sachen, die die Mädels ihm aufgetragen haben, sind wir zwar nicht gekommen, aber ein paar Kleinigkeiten, sind es schon geworden. Mittlerweile geht die Sonne unter und wir sind beide ein wenig gerädert, aber noch lange nicht am Hotel. Mit der restlichen Melone sitzen wir am Strand und gönnen uns eine kleine Pause um gleich die restliche Strecke zu überwältigen.
„Darf ich dich etwas Fragen?", gebe ich von mir, weil mir die Frage schon den ganzen Tag auf der Seele brennt. „Klar." „Warum hast du dich heute als persönlicher 'Geburtstags - Retter' zur Verfügung gestellt? Du kennst mich doch überhaupt nicht." Er runzelt die Stirn. „War ich denn so schlecht?" Energisch schüttle ich den Kopf. „Nein, ganz im Gegenteil. Du hast mich heute wirklich sehr gut abgelenkt." „Das freut mich doch." Ich runzle die Stirn. „Das ist aber noch lange keine Antwort auf meine Frage.", erinnere ich ihn. „Ich hätte es einfach schade gefunden, wenn du deinen Geburtstag alleine verbracht hättest, außerdem sahst du heute Morgen so traurig aus." Ich stecke mir ein Stück von der Melone in den Mund. „Darf ich dich auch etwas Fragen?" Mit vollem Mund nicke ich. „Warum bist du über deinem Geburtstag, ganz alleine weg geflogen, wenn du es anscheinend gar nicht willst?" Ich seufze. „Das ist kompliziert.", ist alles was ich dazu zu sagen habe. Skeptisch schaut er mich an. „Und wenn du es versuchst zu erklären. Manchmal hilft reden." „Warum interessiert dich das so sehr?", will ich von ihm wissen. Wir konnten uns doch auch den ganzen Tag über unterhalten ohne auf dieses Thema zu kommen. Er hat mir so viele schöne Geschichten von seiner Reise erzählt, dass ich ihn um seine Planung, die seiner Meinung ja überhaupt keine ist, richtig beneide. „Ich will einfach die Geschichte erfahren, die hinter dem Traurigen Mädchen steckt.", informiert er mich. Überrascht schaue ich ihn an, setzte erst an etwas zu sagen, entschließe mich dann aber doch dagegen. Etwas enttäuscht sieht er mich an, wendet dann allerdings sein Blick wieder ab. Schweigend esse ich die Melone zu Ende, während sich eine erdrückende Stille um uns legt.
Nach einiger Zeit steht Harry auf. „Wir sollten weiter. Wir haben noch ein gutes Stück vor uns." Stumm nicke ich, stehe ebenfalls auf und klopfe mir den Sand von den Beinen. Wir hatten heute wirklich Glück mit dem Wetter, auch wenn es teilweise so aussah als würde die Welt gleich unter gehen, kam kein einziger Tropfen vom Himmel herunter. Schweigend folge ich Harry und wundere mich wie so oft heute, dass er zielsicher sein Weg beschreitet. Irgendwie macht sich ein schlechtes Gewissen in mir breit. Obwohl wir uns kaum kennen, hat er sich heute wirklich viel Mühe gegeben, mir einen schönen Tag zu bereiten. Er hat mich abgelenkt und von meinen Alltag abgelenkt, während ich ihm noch nicht mal eine vernünftige Antwort geben kann. „Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen. Zwanzig Jahre gab es nur sie und mich. Wir zwei waren ein absolutes Traumteam.", fange ich leise an zu erzählen und erlange direkt die Aufmerksamkeit meines Begleiters. „Granny kam schon immer auf total bescheuerte Ideen. Als ich sechs war, hatten wir einen Sommer an dem es täglich nur geregnet hat. Ich habe mich so oft beschwert, dass wir noch nicht einmal in diesen Sommer schwimmen waren, da hat sie kurzerhand, das komplette Wohnzimmer ausgeräumt und eines dieser Garten Poole gekauft und im Wohnzimmer aufgestellt. Da sie Angst vor einem riesen Wasserschaden hatte, hat sie den Pool grade soweit befüllt, das unsere Knöchel bedeckt waren.", schwelge ich in Erinnerung und wische mir, hoffentlich unauffällig, die bereits geflossenen Tränen aus dem Gesicht. „Auf jeden Fall hat sie zu meinem 13. Geburtstag so eine doofe Liste aufgestellt, mit Dingen die ich tun soll um auf andere Gedanken zu kommen, falls sie mal stirbt." Ich hole Luft und schaue Harry an. Mittlerweile sind wir stehen geblieben. „Ein Punkt auf der Liste, war ein One Way Ticket in einem beliebigen Land.", gestehe ich und wische mir noch mal über das Gesicht. Er sieht mich ein wenig mitleidig an. „Also ist deine Großmutter verstorben?" Ich nicke. „Ja vor gut einem Monat. Ich habe ein wenig Gras über die Sache wachsen lassen, vor allen nach der Beerdigung und mir dann ein Ticket ins Ungewisse gebucht. Ich habe gedacht, ich komme hier an und arbeite die Liste Punkt für Punkt ab und wenn ich dann wieder zurück nach London fliege, bin ich größtenteils über das ganze drüber weg, aber so einfach ist das ganze ganz und gar nicht. Ich muss nur die Liste in der Hand haben um zu überlegen, was ich als nächstes machen will, da würde ich mich am liebsten schon wieder irgendwo verkriechen.", erzähle ich ihm. Er zögert einen Augenblick, entschließt sich dann aber dafür mich in eine warme Umarmung zu ziehen. Zum ersten Mal, seit ich hier in Panama bin fühle ich mich nicht ganz so alleine, auch wenn Harry und ich uns erst seit ein paar Tagen kennen. Auch wenn ich es gar nicht will, lasse ich den Tränen freien und habe diesmal nicht das Gefühl als würde ich einfach fallen.

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Everything started with colorful Bubblegum
Fiksi Penggemar#36. Einhundert runde, bunte Kaugummis aus dem Automaten ziehen. «Wofür soll ich das denn machen?» - «Ich habe gedacht, wir sind uns einig, dass nicht alles was hier drauf steht einen Sinn hat.» «Und was soll ich mit den einhundert Kaugummis machen...