Der Absturz

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Der Absturz

„Sei vorsichtig, wenn du uns was zu essen besorgst ja?“ sage ich bestimmend zu Luis. „Ja, ja, ja Annie. Mach dir keinen Kopf mir wird schon nichts passieren.“ „Das kann man nicht wissen.“ Ein dicker, fetter Kloß bildet sich in meinem Hals. „Ich bleib aber in deiner Nähe.“ Sage ich leise. Er nickt. „Dann lass uns gehen.“ Wir laufen nebeneinander her. „Was glaubst du? Haben sich das Mädchen und der Junge aus zwei wieder eingekriegt oder jagen sie sich noch?“ „Hm…Weiß nicht.“ Antwortet Luis. Man hört unsere Schritte fast gar nicht, wir müssten also unentdeckt bleiben. Die Kanone lässt mich zusammen fahren. „Das Mädchen aus zwei!“ sage ich laut zu mir selbst. „Das glaub ich auch.“ Erwidert er. „Ich geh ein Stück vor ja…Bis gleich.“ Erklärt Luis. Er kommt auf mich zu und drückt mich fest an sich. „Bis später.“ Ich nicke und stelle mich hin, ich halte Ausschau, falls jemand kommt.

Ich beobachte ein Eichhörnchen was von Baum zu Baum springt und auch dicht an mir herumläuft. Eine halbe Ewigkeit vergeht. „Ahh! Annie! Hilfe!“ Mir läuft es eiskalt über den Rücken. „Annie!“ Der Schrei klingt nun noch winselnder und schmerzverzerrter. Ohne zu zögern renne ich los. Das ist Luis. Einen halben Kilometer, wie ich schätze-später sehe ich ihn.

Luis liegt am Boden und hustet. Ich lasse mich neben ihn fallen. „Luis, nein! Es ist alles gut! Bleib bei mir, bitte!“ Vorsichtig fahre ich durch seine Haare. Er fängt unheimlich an zu zittern und jegliche Farbe weicht aus seinem Gesicht. „Annie.“ Um seine Lippen spielt ein Lächeln. „Ja?“ „Gewinn die Spiele für mich.“ Hustet er. „Ja…Ich versuche es.“ Murmle ich leise. Meine Hände sind voller Blut und mir rinnen pausenlos Tränen über die Wangen. Ich bin mir sicher, dass es der Junge aus zwei war, denn Luis sieht jetzt genauso aus wie Brain aus eins gestern. Seinen Namen konnte ich mir aus irgendwelchen Gründen doch noch melden. Schluchzend stehe ich auf und renne davon. Ich fange an zu zittern und werfe mich auf den Boden. Die Kanone von Luis wird erst jetzt abgeschossen, oder es ist die eines anderem. Ich kriege mich gar nicht mehr ein. Im Gegenteil ich weine nur noch mehr und es ist, als würde ich verrückt werden. Weinend rolle ich mich einfach da zusammen wo ich gerade bin und bleibe so liegen.

„Oh…Wenn haben wir denn da? Distrikt 4…Annie Cresta richtig?“ Ich zucke zusammen. Ich sehe ihn einfach an. Er hockt sich neben mich und grinst. „Du siehst gar nicht gut aus…“ Mit all meiner Kraft hole ich aus und schlage ihm meine Faust ins Gesicht. Er hält sich die Wange. Er hat es definitiv nicht erwartet. Dann umschließt er meine Hände mit seinen und lächelt mich friedlich an. Jetzt zittere ich nur noch mehr. „Hab keine Angst vor mir, Kleine Annie.“ Angeekelt sehe ich ihn an. Ich reiße meine Hände los und springe auf. Der Junge aus zwei starrt mich an. „Komm zurück.“ Sofort ergreife ich die Flucht. Jede Art vom klaren Denken ist bei mir abgeschaltet, deshalb ist es auch ein Glück das ich los renne. Mit einem Ruck an meinem Arm fliege ich dem Jungen aus zwei in die Arme. Irgendwie gelingt es mir mich von ihm loszureißen. Er rennt mir nicht hinterher, trotzdem suche ich so schnell ich kann das Weite. Mir laufen Tränen über die Wangen und ich lasse mich wieder fallen. Jetzt kann ich sterben, jetzt ist mir einfach alles zu viel.

 „Nein!“ Es kommt einfach aus mir heraus. „Nein! Oh Gott Nein!“ schreie ich, mit den Gedanken an Luis, das Bild was er in meinem Kopf hinterlassen hat. Ich kann kaum mehr aufhören. Alles Gefühl verlässt mich und ich glaube ich drehe gleich komplett hoch. Schreiend halte ich mir die Ohren zu und presse die Augen und Lippen aufeinander. Dann verhallen meine Schreie und ich halte die Luft an.

Finnicks Perspektive;

Annie und Luis leben immer noch. Ich sehe mir die Hungerspiele nur an, weil ich mich vergewissern will, dass die Kleine noch lebt. Sie und Luis laufen durch den Wald. Annie humpelt fürchterlich, dass muss sie sich zugezogen haben, als sie vom Baum gefallen ist. Jedes Mal wenn sie sich verletzt oder zusammen zuckt, jedes Mal habe ich so furchtbare Angst dass ihr etwas passiert. Luis rennt vor und sieht sich um. Die Kameras schwanken zwischen Luis und Annie und zwischen dem verrückten Jungen aus zwei herum. Gleich wird er zu ihnen kommen und dann…Ich will eigentlich gar nicht wissen was dann passiert.

  "Ich geh ein Stück vor..." erklärt Luis , dann geht er auf sie zu und umarmt sie. Dann läuft er los, die Kamera ist genau auf ihn gerichtet. Angespannt starre ich auf den Fernseher. Zwischendurch wird auch nochmal auf Annie gezeigt, die sich unsicher umschaut, als ob sie was heraus sehen würde. Schließlich passiert es, Luis rennt dem Jungen aus Distrikt zwei mitten in die Arme. "Na wen haben wir denn da?" fragt der und grinst böse. Luis fackelt nicht lang und ruft nach Annie. Sofort werden die Kameras auf sie gerichtet. Seine Schreie sind verdammt laut und hallend. Der Junge aus zwei packt Luis, schubst ihn auf den Boden und zieht ihm das Schwert über die Kehle. 

Annie kommt wenige Sekunden später an, vergeblich und zu spät. "Luis!" Schon fängt sie anzuweinen und schmeißt sich neben ihn. Mein Herz wird mir schwer, wenn ich das sehe. Der Junge aus zwei macht sich aus dem Staub, aber die Kameras bleiben bei Annie und Luis. Sie wollen das natürlich nicht verpassen. Annies Schmerz, der Tod von Luis. 

Eine junge Frau aus dem Kapitol tätschelt meine Hand. "Finnick...Wollen wir nicht gehen." Ich sehe sie an und nicke. Ich muss es tun. Ich habe keine andere Wahl, sonst wird meine Familie sterben, oder sogar Annie. "Einen Moment." erkläre ich charmant und lächle sie an. Ja, ich hasse das Kapitol und ich hasse die Hungerspiele, aber vorallem hasse ich Präsident Snow, der mir meine Unschuld und meine Jugend genommen hat.

Als die Kanone knallt werde ich wieder richtig aufmerksam. Annie rennt weg, aber sie rennt nicht so das keiner sie findet, sondern sie rennt irgendwie. Sie scheint auf einmal völlig durchzudrehen. Sie zittert so heftig, dass man das richtig sieht. Sie schließt die Augen und wippt auf dem Boden hin und her. Mir wird schlecht, wenn ich das sehe. Was ist wenn der Junge aus zwei jetzt kommt? Dann ist es aus mit Annie, dann ist sie weg...für immer. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Was würde ich nur alles geben, damit ihr nichts passiert!  "Oh...Wen haben wir denn da? Distrikt vier, Annie Cresta richtig?" Dieser Schleimbeutel, hockt sich neben sie und grinst sie an. Er macht sich über die lustig, dabei hat er ihr diesen Schmerz zugefügt und es gefällt ihm! Auch wenn Annie im Moment ziemlich labil ist, handelt sie richtig. Sie wehrt sich, sie holt einfach aus und haut ihm ins Gesicht. Dann reißt sie sich los und rennt weg. Was aber auch ziemlich vergeblich ist. Mein Herz rutscht mir in die Hose. 

Die Frau aus dem Kapitol fummelt in meinem Haar herum und haucht mir Küsse an den Hals. Trotzdem habe ich nur Augen für Annie. Der Junge drückt sie gegen einen Baum und weist sie an, den Namen ihres Freundes zu sagen. Ich beiße mir auf die Lippe. "Sag es!" Er schreit sie an. "Nein!" Irgendwann knackt er sie aber doch. Angespannt sehe ich auf den Bildschirm. Sie flüstert den Namen, aber ich kann ihn von ihren Lippen ablesen. Sie hat meinen Namen gesagt, in ihren Augen bin ich ihr Freund. Bedrückt lächle ich, aber auch das vergeht so schnell wie es gekommen ist. Er lächelt sie an und küsst sie. Annie kann nichts tun, sie bleibt einfach so stehen und lässt es über sich ergehen. Ein kleiner Teil in mir empfindet heftige Eifersucht. Annie schreit ihn an, schubst ihn von sich und rennt weg. Er lässt es einfach dabei und wirft sich hin. Triumphierend lächelt er in die Kamera. Annie lässt irgendwo ins Unterholz fallen und fängt anzuschreien und zuweinen. Sie hält sich die Ohren zu, bis sie mit einem Mal still wird und sich nicht mehr rührt. "Was ist mir ihr?" schreit alles in mir. Ist sie etwa tot? Mir laufen Tränen in den Augen zusammen. Die Frau zieht mich nach hinten zu sich und drückt ihre Lippen auf meine. Ich bin kaum anwesend, mein ganzer Körper ist nur auf den Fernseher konzentriert. Nur das keine Kanone erklingt, was heißt das Annie noch lebt. 
"Finnick! Geht's dir nicht gut?" "Doch...doch..." sage ich leise. Sie küsst mich, aber meine Gedanken schweben nur um Annie...

Die 70. Hungerspiele | Annie's Geschichte ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt