Vertrauen

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Vertrauen

"Hilfe! Bitte helft mir doch!" schreie ich und schrecke aus den Bett hoch. Licht scheint mir mitten ins Gesicht und ich atme schwer. Mir laufen Tränen über die Wangen und ich springe sofort aus dem Bett. Schluchzend gehe ich unter die Dusche und ziehe mir irgendetwas aus dem Schrank. Ich trage ein schwarzes schlabberiges Shirt und eine schwarze Hose, meine Haare lasse ich einfach so wie sie sind. Ich sehe meine Mutter und meinen Bruder ziemlich oft, sie kommen mich oft besuchen, oder ich komme zu ihnen. Aber es wird nie mehr so wie früher sein, da bin ich mir sicher. Fast ein Jahr ist vergangen. 
Das heißt die Hungerspiele stehen bald wieder vor der Tür und ich...Ich muss Mentorin werden und zusehen wie dreiundzwanzig Kinder sterben. Finnick ist mein Freund, mein fester Freund. Ich glaube ich habe mich ein wenig in ihn eingeschlichen, schätze ich mal. Schließlich setzte ich mich nach unten ins Wohnzimmer und schalte den Fernseher an. Woran ich nicht gedacht habe- So kurz vor den Hungerspielen werden die Zusammenfassungen von den letzten Jahren gezeigt.
Wie in Trance starre ich auf den Fernseher...Ich will dort nicht hinsehen, aber ich muss... Ja, da bin ich...Zusammen mit Luis. Ich habe kein Wort mehr über ihn gesprochen seit ich wieder zu Hause bin und ich habe auch versucht nicht mehr an ihn zu denken, aber er ist in meinen Träumen. Jede verdammte Nacht. 

Ich verdränge die Gedanken an Luis sofort und schalte den Fernseher aus. Sie schwanken wieder zu Finnick. Fast jeden Tag haben wir zusammen verbracht, am Strand, im Haus...in unseren Gärten. 
Auch meinen siebzehnten Geburtstag, den haben wir zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder gefeiert... Finnick war die ganze Zeit immer für mich da. 
Einige Zeit später stehe ich auf und gehe nach drüben zu ihm. Die Tür steht einen Spalt offen. "Finnick? Bist du da?" rufe ich. Keine Antwort. Also gehe ich ins Haus, unten ist keiner. Also gehe ich nach oben. Ein Fehler! Finnick ist in seinem Schlafzimmer, aber nicht allein. Eine Welt bricht für mich zusammen. Er liegt dort mit einer Frau, sie sieht aus wie eine von diesen schrillen Kapitolfrauen, so eine habe ich hier noch nie gesehen. Finnick küsst sie, sein T-Shirt liegt auf den Boden und auch Kleidungsstücke von der Frau liegen auf den Boden. Ich schlage mir eine Hand vor den Mund, drehe mich um und versuche möglichst leise zu verschwinden. Aber auch das klappt irgendwie nicht. Ich krache gegen die Tür und taumle zurück. Finnick sieht mich erschrocken an. Mit seinen Lippen formt er das Wort:" Entschuldigung!"  Ich weine. Wieso tut er das? Dann suche ich das Weite und renne weg. Einfach irgendwo hin. 

 Mein Weg führt mich an den endlos langen Strand. So schnell ich kann renne ich durch den Sand, was recht schwer ist. Nach einer halben Ewigkeit, ich weiß nicht wie lange ich gelaufen bin, lasse ich mich am anderen Ende des Strands fallen und starre aufs Wasser. Ich habe mich immer noch nicht beruhigt. Ich schluchze vor mich hin. Was soll das denn? Wieso tut er sowas. Schweigend kauere ich mich zusammen und ziehe meine Jacke fester um mich. Der Himmel ist grau, ich schätze es fängt gleich anzuregnen, aber das ist mir egal. 
Nach kurzer Zeiz fängt es wirklich anzuregnen und in weniger als einer Minute bin ich vollkommen nass. Trotzdem bleibe ich sitzten und rühre mich nicht. Ich lasse mich nach hinten fallen und liege auf den Rücken, mein Blick ist in den Himmel gerichtet. Wieso muss mir das alles passieren? Womit hab ich das verdient? Ich habe nie etwas schlimmes getan, nie! Ich schließe meine Augen und langsam beruhigt sich mein Körper wieder. 

Finnicks Perspektive; 

"Annie!" Ich rufe seit Stunden ihren Namen und finde sie einfach nicht. Das hätte sie nicht sehen dürfen, das war doch auch gar nicht so wie sie denkt! "Annie!" rufe ich nocheinmal. Wo kann sie denn bitte sein? Bei ihrer Mum ist sie nicht, also bin ich zum Strand gelaufen. Es regnet und es ist echt verdammt kalt. Wieso musste Annie in diesem ungelegenem Moment kommen?
Jetzt muss ich ihr alles erzählen und alles erklären. Wieso diese Frau da war und wieso ich was mit ihr hatte. Ich seufze laut. "Annie!" Seit einer gefühlten Ewigkeit renne ich den Strand entlang. Irgendwie finde ich sie nicht. "Annie! Verdammt wo bist du?" Ich schreie diese Worte so laut ich kann. Schon jetzt bin ich bis auf die Knochen nass. "Annie." verzweifelt schüttle ich den Kopf. Einige Zeit rufe ich nichts mehr. 

Dann sehe ich sie. Sie liegt im Sand und ist zusammen gerollt. Annie ist komplett nass. Aufgebracht renne ich zu ihr und sehe sie an. Ihr Atem geht flach und wies aussieht schläft sie. Vorsichtig hebe ich sie hoch und trage sie. Ihre Augen sind verweint, dass sieht man noch und auch ihr Gesicht ist mit roten Flecken übersaht. Sie scheint ziemlich tief zu schlafen, denn sie bemerkt kaum das ich sie trage. Sie hat einen ganz schön langen Weg zurück gelegt. Sie ist vollkommen durchnässt und voller Sand. 

Eine gute Stunde später liegt sie in ihrem Bett, zugedeckt und trocken. Sie ist immer noch nicht aufgewacht. Sonst schläft sie immer nur ganz kurz und auch unruhig. Heute ist sie wie ein Stein. Schweigend sitzte ich neben ihr im Bett und streiche ihr durchs Haar. In ihrem Zimmer hängen Bilder von ihr und mir...Wenn ich es nicht richten kann und ihr das nicht richtig erklären kann, werden wir bestimmt nichts mehr miteinander zu tun haben. Sie stöhnt leise und öffnet die Augen. Als sie mich sieht reißt sie die Augen auf und starrt mich ungläubig an. Annie ist den Tränen nahe. Wie vom Schlag getroffen, springt sie aus dem Bett und rennt ins Badezimmer. Sie knallt die Tür hinter sich zu und der Schlüssel dreht sich zwei Mal im Loch. Dann geht die Dusche an. Trotzdem werde ich nicht gehen, sondern hier auf die warten. Ich bin wirklich in sie verliebt, sehr sogar. Sie ist das einzige Mädchen was mir wirklich etwas bedeutet. Sie hat sich in mich eingeschlichen und so mein Herz gewonnen. 

Weninge Minuten später geht die Tür wieder auf und Annie steht im weißen Bademantel im Zimmer und lehnt an der Wand. Ihre Augen sind wieder verweint, es tut mir leid. Ich will ihr so was nicht antun. "Annie...Lass mich das erklären!" sage ich und stehe auf. Sie schüttelt den Kopf. "Finnick...Was willst du mir da noch erklären...Ich hab doch selbst gesehen was da war." Heftig schüttle ich den Kopf. "Nein Annie!" sage ich. "Es gibt so einiges was du nicht weißt." Erwartungsvoll sieht sie mich an. Ihre Arme sind vor der Brust verschränkt. "Willst du was trinken?" fragt sie leise. Ich nicke einfach nur und folge ihr nach unten in die Küche. 
"Also...?" fragt sie. Ich schlucke schwer. "Na ja... Ich will das nicht." Sie runzelt die Stirn. 
"Ich muss das tun, sonst passiert meiner Familie was, im schlimmsten Fall passiert auch dir irgendwas." Ihre Miene wird wieder freundlicher. "Was?" 
"Annie...Präsident Snow verkauft mich an sie." Annies Augen sind aufeinmal riesig groß und ihr Mund steht offen. "Was du musst..." Ich lasse sie den Satz nicht aussprechen. "Ja. Muss ich" 

"Finnick...Du willst mir doch nicht ehrlich sagen, dass du an diese Frauen verkauft wirst und mit ihnen schlafen musst?" Ich nicke. Meine Kehle schnürrt sich zu. "Ja." "Ist das dein Ernst oder lügst du mich an?" "Es ist mein Ernst an." flüstere ich so leise, das es nur ein leises Hauchen ist. 
"Komm her." befiehlt sie. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Finnick...Ich will das du herkommst!" sagt sie noch bestimmender. Seufzend stehe ich auf und gehe auf sie zu. Jetzt stehe ich dicht vor ihr. Ich bin fast zwei Köpfe größer als sie. 

Annie schlingt ihre Arme um meinen Hals und ich beuge mich ein kleines Stück nach unten. Ich drücke sie fest an mich. Ich nehme ein leises Seufzen wahr und küsse sie leicht auf den Kopf. "Annie...Ich liebe dich" hauche ich. Sie hört es und murmelt: "Ich dich auch Finny." Lächelnd schlucke ich die aufsteigenen Tränen herunter. Ich weine nie, also fast nie, aber wenn es um Annie geht ist es anders. Schweigend drücke ich sie noch fester an mich, ich finde es unheimlich süß, wenn sie mich Finny nennt. Vorsichtig löst sie sich von mir. "Finnick...Es tut mir leid...Ich konnte ja nicht wissen..." Ich drücke ihr einen Kuss auf die Lippen und flüstere: "Halb so wild. Ich hoffe du verstehst es jetzt." Sie nickt. "Wird mir das auch passieren?" Diese Frage wollte ich nie aus ihrem Mund hören! "Nein Annie..." flüstere ich. "Erst einmal nicht." Sie ist siebzehn, ihr kann es passieren, sofort. Sie ist bildhübsch... 

Vorsichtig streiche ich über ihre Lippen und lächle sie an. "Ich liebe dich Annie..." "Ich dich auch..." haucht sie mir an die Lippen. Ich streiche meine Lippen über ihre und ihr Atem wird schwer. Ich küsse sie und lächle in den Kuss hinein. Alles in mir drin kribbelt und ich glaube ich platze gleich. 
Ein Mädchen wie sie, so klein und liebenswürdig...kann so viel in mir auslösen. 

Die 70. Hungerspiele | Annie's Geschichte ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt