Überleben

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Überleben

Finnicks Perspektive; 

Ich liebe Annie. Sie ist der süßeste und tollste Mensch den ich kenne. Auch wenn sie jetzt so ist wie sie ist. Sie ist nicht mehr ganz die Alte, zumindestens nicht immer, aber ich mag sie trotzdem gern. 
Mögen ist ziemlich untertrieben. Ich seufze laut und sehe aus dem Fenster. 
Schon wieder ist fast ein ganzes Jahr vergangen. Annie ist ziemlich labil, seitdem...
Sie kommt einfach nicht damit klar, all diese Kinder sterben zu sehen. 
Es verfolgt sie das Ron gestorben ist, sie denkt das alles ihre Schuld ist, aber das ist es ja nicht. 
Er hat oft versucht ihr klar zu machen das es eben nicht wegen ihrem Bruder war, sondern das er sich eh freiwillig gemeldet hätte. Aber meine kleine Annie möchte das anscheinend nicht verstehen.

Draußen ist es schon dunkel, bei Annie brennt ein kleines Licht am Bett. Ich weiß nicht wieso, aber sie schläft lieber mit der Nachttischlampe an, als ohne. Ihre Gardine ist geöffnet. Auch ich öffne meine und stelle mich vors Fenster. Sie lässt auch immer ihre Gardinen auf, weil sie sich so wohler fühlt. 
Im Moment liegt sie ganz entspannt da, aber das kann auch ganz anders sein. 
Manchmal da fängt Annie, im Schlaf an um sich zu tretten und zu schlagen, manchmal weint sie sofort nach dem sie aufwacht und manchmal schreit sie alle Häuser im Umkreis von einem Kilometer zusammen. 
Es ist verständlich, sie hat viel gesehen, anscheinend zu viel für ihre Nerven. 

Ihr normaler Verstand hat sich abgeschalten, sie ist zwar immer noch lieb und nett, aber manchmal da hält sie sich einfach die Ohren zu oder sie bricht einfach mitten im Gespräch ab. 
Mit mir kann sie sich normal und gut unterhalten, mit anderen wie mit ihrer Mutter kann sie das nicht. 

Es ist schön sie so ruhig zu sehen. Ich lege mich auch ins Bett und lasse das kleine Licht auf meinem Schreibtisch auch an. Unsere Häuser sind exakt gleich aufgebaut, also kann ich sie gut ansehen, während sie schläft. Das hört sich vielleicht ein wenig merkwürdig an, aber das ist mir egal. Langsam werden mir die Augen schwer. Kurz bevor ich mich entschließe richtig zu schlafen, reiße ich das Fenster weit auf. Die kühle Nachtluft strömt hinein und ich schlafe sofort ein,

Ich werde von einem Schrei aus dem Schlaf gezogen. Ich weiß auch genau zu wem er gehört. Zu Annie! Nur in meiner Boxershorts renne ich rüber zu ihrem Haus und öffne die Tür. Es ist echt schweinekalt.
Im Haus atme ich erleichtert auf. Dann renne ich die Treppe nach oben zu ihr hoch. Ich schmeiße mich auf ihr Bett und lege meine Arme um sie. "Annie...Annie...Alles gut! Es ist wirklich alles gut! Ich bin hier... Du bist wach!" Oft muss ich sogar mehrere Minuten auf sie einreden bis sie wieder ganz zu sich kommt. Heute geht das ziemlich schnell.  "Finny..." Ihr schimmern Tränen in den Augen. "Kannst du bitte hier bleiben?" Ich nicke. "Gerne Kleine, das mach ich..." Annie legt sich wieder hin und kuschelt sich an mich. "Danke Finnick..." flüstert sie leise. 

Auch wenn sie nicht mehr ganz so wie früher ist, ist sie doch noch ein liebender und treuer Mensch und ich glaube ich kann nie aufhören  sie zu leben. Mein Herz springt Loupings wenn ich nur an sie denke. Ich drücke sie noch fester als vorher an mich und seufze erleichtert auf. 

Sie schläft sofort wieder ein...

Annies Perspektive; 

Ich wache in Finnicks Armen auf. Ich blinzle ins Sonnenlicht und lächle ihn an. "Hallo Kleine..." flüstert er. "Hallo..." Ich lächle ihn an. " Viele denken ich wäre verrückt... 
Irgendwie haben sie damit auch recht. Dieses Jahr werde ich keine Mentorin sein. Ich will es nicht und ich darf es auch nicht. Finnick und Mags werden es dieses Jahr wieder übernehmen. 
Ich bin auch ziemlich froh darüber. Finnick streichelt meinen Arm auf und ab und haucht mir kleine Küsse auf den Hals. "Wollen wir heute etwas zusammen machne?" fragt er mich leise und lächelt. "Ich muss zu meiner Mutter..." sage ich knapp. Er lächelt. "Wollen wir zusammen hingehen?" Ich nicke. Schließlich schwinge ich mich aus dem Bett und stelle mich unter die Dusche, dann ziehe ich mir eine schwarze Hose an und einen viel zu großen roten Pulli. Jetzt muss ich nur noch auf Finnick warten. Ich sitze in meiner Küche und esse ein bisschen was. Dann springt die Tür auf und er steht vor mir. 
"Na...Wenn du aufgegessen hast können wir los." Ich nicke und lächle leicht. Um zu dem Haus meiner Mutter und meines Bruders zukommen, muss man durch die ganze Stadt, weil es sehr abgeschieden liegt, aber das ist kein Problem. Finnick und ich laufen einfach nebeneinander her. Nach wie vor weiß niemand über uns bescheid, außer vielleicht Mags und meine Mutter. 

 Ich trete vor mein altes Haus und klopfe laut. Meine Mutter öffnet sie lächelnd und umarmt mich und Finnick. "Hallo ihr beiden, wie geht's euch?" Bei diesen Worten wirft sie mir einen besonders intressierten Blick zu. Ich mag das nicht, weil ich mir so merkwürdig dabei vorkomme
Wir setzten uns in die Küche, meine Mutter hat etwas gekocht. Auch wenn ich gerade erst gegessen habe, esse ich einen ganzen Teller und dann noch einen. Finnick scheint es auch zu schmecken. 
"Annie? Was hast du die letzten Tage so gemacht? Ich hab kaum was von dir gehört?" Meine Mutter hört sich ziemlich besorgt an. "Ich hab ein paar Bücher gelesen und...." Mitten im Satz höre ich auf zusprechen. Ich weiß nicht wieso, aber ich verliere ziemlich oft, einfach so den Faden und weiß nicht wo ich weitersprechen soll. Geistesabwesend, schaufle ich mir Kartoffelbrei in den Mund. 

"Alles klar Annie?" Meine Mutter sieht mich traurig an. Genau das macht mich total unsicher. Mein Verstand spielt mir oftmals einen Streich, aber aussprechen will ich es auch nicht. "Ja Mum, alles gut." sage ich und senke den Blick. Finnick streichelt mir übers Knie und lächelt. 
"Kopf hoch Prinzessin." Ich lächle ihn vorsichtig an. Dann kommt mein Bruder herein. 

Der von einst so kleine dreizehnjährige, der so viel Angst um mich hatte, ist jetzt ein ausgewachsener fünfzehnjähriger, der fast zwei Köpfe größer ist, als ich und schon ziemlich an Finnick rankommt. Er umarmt mich und lächelt. 
"Na Annie, wie geht's?"
"Gut und selbst?" Ich lächle zurück.
"Super..." 
Jetzt sitzen alle Menschen die mir furchtbar wichtig sind am Küchentisch und stopfen sich mit Kartoffelbrei voll. Es ist schön, aber gleichzeitig auch ein erniedrigend. Wenn jemand anfängt mit mir zu sprechen behandelt er mich wie eine Aussetzige. Ich stöhne leise vor mich hin. 

"Kann ich euch mal kurz was sagen?" fange ich an. 
Alle sehen aufmerksam zu mir.
"Ich bin nicht verrückt oder was ihr denkt...Ich bin...äh...Ich bin nur ein wenig verwirrt, mehr nicht!" 
Jetzt lächeln sie alle.
"Annie Schatz, das wissen wir." Meine Mutter streichelt mir über den Arm. 
"Willst du noch was essen?" 
Ich runzle die Stirn. "Mum...Ich habe gerade fast vier Teller gegessen...Ich glaub das reicht..." 
Finnick kichert leise. "Was ist daran so komisch?" 
Er zuckt einfach nur die Schultern. "Ich liebe dich..." flüstert er und lehnt sich zu dmir.
Ich küsse ihn auf die Wange. 
"Wieso kriege ich keinen richtigen Kuss?" fragt er so leise, das weder meine Mutter noch mein Bruder es hören können. 
"Ich küsse dich nicht vor meiner Mutter, das macht man doch nicht..." 
Schon zieht er mich an sich und legt seine Lippen auf meine. Ich erwidere seinen Kuss kurz, dann wende ich mich ab. 
Meine Mutter grinst und mein Bruder sieht uns mit riesigen Augen an. 
"Ach du meine Güte!" 
Finnick lacht auf. 
"Weiß er noch gar nicht davon?" fragt er nun. Ich zucke die Schultern. "Jetzt weißt du davon oder, Finn?" Er starrt uns immer noch total perplex an. Ich erröte, als meine Mutter sagt: "Ihr beide seit ja so süß zusammen."  
"Mum? Annie? Finnick? Wieso sagt ihr mir nie irgendwas?" Jetzt bin ich diejenige die lacht. 
Dann sagt er noch irgendwas, aber ich höre nicht hin und starre vor mich hin und versinke in schrecklichen Gedanken. Ich wünschte, das ich das abschalten könnte, aber das geht nicht. 
Ich bin mir auch sicher das es nie klappen wird...

Ich hasse was die Hungerspiele aus mir gemacht haben...
Ich schätze ich werde nie wieder das glückliche und fröhliche Mädchen von einst sein...
Trotzdem findet Finnick irgendwas an mir.... 
Das muss ja was heißen... oder? 

Die 70. Hungerspiele | Annie's Geschichte ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt