Die Qual

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Annies Perspektive; 

Brutal werde ich in einen Raum geschubst, die Sachen werden mir vom Körper gerissen, die Tür zu geschlagen. 
Jetzt bin ich allein. Es ist ziemlich kalt hier, dunkel, dreckig. 
Das Einzige was ich sehen kann ist eine Toilette, ein Wasserhahn, ein Bettlacken. Vielleicht sogar eine Matratze? 

So sieht es bestimmt in einem Gefängnis aus.... 

Was sie wohl mit mir machen werden? Vielleicht gar nichts, vielleicht werden sie mich zu Tode foltern? 

Gedankenverloren schnappe ich mir das Bettlacken, wickle es um mich und sehe mich so gut es geht um. Es ist viel zu Dunkel. Ich schätze ich muss noch warten bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben. 

Während ich anfange besser zusehen, bemerke ich auch die vermutlich dreckige Matratze auf dem Boden. Seufzend lasse ich mich an der Wand heruntergleiten. 

Die Beine ziehe ich an mich. Meine Arme schlinge ich darum. Summend lege ich den Kopf darauf. 
Wer weiß wie lange ich hier sein werde? 
Finnick lebt, hoffentlich noch. Wenn nicht werde ich hier in wenigen Tagen auch nicht mehr sein, wenn ich nichts zu Essen kriege? 

Vielleicht wiegen sich alle in Sicherheit. Alle übrigen Sieger. Vielleicht haben sie alle Unterschlupft gewunden, denn ehrlich gesagt denke ich nicht das sie gefangen wurden. 


Meine Augen werden langsam ein wenig schwerer, die Kälte hüllt mich komplett ein. 
Ich döse in einem unruhigen Schlaf. 

Ein so lauter und schmerzerfüllter Schrei ertönt, das ich zusammen zucke. 
Der Schrei hallt im dunklem Raum wieder, echot. 

Mein Herz geht viel zu schnell, fast so als würde es gleich aus meiner Brust herausspringen. 
Es kann gar nicht mein eigener Schrei gewesen sein. 
Es war der Schrei eines Mannes, vielleicht auch eines Jugends....Ich weiß es  nicht. 

Gerade als mein Atem sich wieder beruhigt und ich mich wieder halbwegs gefasst habe, geht es wieder los. Lauter, unangenehmer und noch herz zerreißender. 
Einen Moment lang halte ich die Luft an. 

Könnte das sogar Finnick sein? 

Ich muss nicht den nächsten Schrei abzuwarten um zu wissen, dass jemand neben an Todesqualen leiden muss. Wenn es überhaupt ein Raum neben an ist. 
Vielleicht wollen Sie mich so ja noch verrückter machen?

Ich presse mir die Hände auf die Ohren, hoffe das es endlich aufhört. 
Es hört, aber nicht auf! Wieso hört es nicht auf? 
Egal wie sehr ich auch summe und je fester ich mir die Ohren zuhalte, es bringt nichts!

"Sei still! Bitte! Sei still!", schreie ich, als ich es nicht mehr aushalte. 

Und tatsächlich- der Schrei hört auf. Er hört auf zu schreien, doch jetzt höre ich lauten und unregelmäßigen Atem. 

So langsam denke ich wirklich das jemand neben an ist, nur das die Wände viel zu dünn sind. 
"Wer ist da?", schallt es nun zurück. 

Ich nehme die Hände von den Ohren. "Finnick? Bist du das?", schreie ich. 
Nein, natürlich ist er es nicht. Er hätte meine Stimme sicherlich erkannt....
"Mhmh- Peeta.", schallt es nun durch den Raum. "Peeta!", widerhole ich. 

Peeta Mellark, der liebe Junge. Gefoltert? Das ist ekelhaft. 
Ich seufze. "Ich bin Annie..."; sage ich nun, leiser. Er hört mich so oder so. 
"Hm, Annie...", widerholt nun auch Peeta. 

Von neben an ertönt ein lauter Knall, mehr nicht. Dann ist alles leise. 
Ich ziehe das Bettlacken fester um mich, um nicht noch mehr zufrieren. 
Schlafen kann ich mir sparen. 

Ich habe viel zu großes Mitleid mit Peeta. Ich kann kein Auge zutun, denke nicht Mal daran. 
Mit Tränen in den Augen starre ich an die dunkle Wand vor mir. 
Vielleicht werden Sie mich ja doch noch ermorden...

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schließe fest die Augen. 
Tränen rinnen heraus. Ich mache mir nicht Mal die Mühe sie weg zu wischen. 

Doch plötzlich läuft so viel wieder in meinem Kopf ab. 
Finnick, der mich küsst, mir sagt das er mich liebt. 
Mein Bruder, der sich so lieb und nett um mich kümmert. 
Mags, die stets ein offnes Ohr für mich hatte, mir immer zugehört hat, mir geholfen hat. 

So schnell die schönen Erinnerungen da waren, sind sie auch schon wieder weg. 
Nun sehe ich meine Mutter, die mich mit Mitleidigenaugen ansieht, mich wahrscheinlich sogar verachtet. 
Der Junge aus Distrikt zwei, wie er mit seinem Schwert ausholt und Luis umbringt. 
Ron, der sich für meinen Bruder gemeldet hat und trotzdem weg ist, für immer. In einem holzernen Sarg begraben. 
Finnick, in den Hungerspielen der Todesqualen durchleidet, während der Nebel seine Haut verätzt und Mags stirbt. 
Wie er meine Stimme hört und völlig verrückt wird. 

Während unaufhörlich die Tränen laufen, werden auch meine Gedanken immer schrecklicher. 
Doch mit einem Mal schallt erneut ein Schrei durch den Raum. 
Diesmal nicht so laut, aber immernoch unerträglich. 
Er ist von einer Frau. Vielleicht von Katniss? Wenn Peeta hier ist? 
Oder von Johanna? Es muss jemand von den Übrigen Leuten sein. 
Vielleicht ist es auch jemand der einen Tribut wichtig war. Wie ich. Ich bin Finnicks Schwachstelle.


Ich schließe die Augen, lehne meinen Kopf an die Wand und halte mir die Ohren zu. 
Summend versuche ich mich abzulenken. Es funktioniert, aber nicht. 
Diese Schreie bohren sich in meinen Kopf, in mein Gedächnis. 
Sie hallen immer und immer wieder. 


Finnicks Perspektive; 


Es ist eine Schande, das ich hier einfach nur liege. 
Vollgepumpt mit Drogen, damit ich nichts fühle. Weder Schmerz, noch Schuld. 
Ich weiß nicht was mit Annie ist, weiß nicht was ich tun kann, um zu helfen. 
Vermutlich kann ich gar nichts tun. 
Ich kann einfach nur warten bis irgendetwas passiert. 

Wahrscheinlich wird sie währenddessen gefoltert oder ermordet? 
Mein Magen dreht sich um, als ich daran denke. 

Es dauert nach lang, da dämmere ich auch schon wieder weg. 

Sie sind alle Gefangen, alle werden sie festgehalten, vom Kapitol. Das ist schrecklich. 
Was würde ich tun, um sie dort alle wieder herauszuholen? 
Wahrscheinlich alles Menschenmögliche. 

Aber stattdessen liege ich hier im Bett und habe Selbstmitleid... 

"Finnick..." Jemand zieht mir die Decke vom Körper und ich schrecke auf. 
Verschlafen sehe ich in das Gesicht von Katniss. 
"Jaa?" 
"Komm steh auf...Beete möchte uns was zeigen..." 
Ich nicke, stehe auf. 

Immer noch umhüllen mich die Sachen aus dem "Krankenhaus", falls man das überhaupt so nennen kann. Es ist einfach ein weißer, steriler Kittel. 

"Wie wärs mit ein paar Hosen, Finnick?", fragt Katniss mich irriertiert. 
Ich löse den Knoten in meinem Nacken, sodass der ganze Kittel zu Boden geht. 
"Wieso? Findest du das hier zu...aufreizend?" 
Eine übertriebene Pose machend, lächelt Katniss mich an. 

"Komm..." 
Wir fahren mit dem Fahrstuhl noch ein Stück weiter nach unten. 
Ich bin in Distrikt dreizehn, wie gesagt, er war eigentlich gar nicht ausgestorben. 
Hier haben haufenweise Leute gelebt, alle unterirdisch. 

Als wir bei Betee ankommen zeigt er Katniss einen neu ausgestatten Bogen, mir einen Dreizack. 
Wenn ich ehrlich bin interessiert mich das nicht Mal. 
Ich will einfach nur allein sein, ruhig, an nichts denken müssen. 

Meine Hände fangen ein wenig unkontrolliert an zuzittern. 
"Ist alles ok?", erkundigt sich Katniss. Ich nicke einfach nur, will zurück nach oben. 

Jetzt kann ich mir vorstellen wie Annie sich gefühlt hat, so richtig. 
Ich glaube  Katniss kann das auch, aber ich fühle mich komisch. 
Ziemlich wirr und merkwürdig, so als hätte ich mir den Kopf angeschlagen und alles wäre durcheinander gewürfelt. 

Es ist merkwürdig, ungewöhnt. Ich hab einfach nichts mehr richtig im Griff. 

Die 70. Hungerspiele | Annie's Geschichte ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt